Kinder an der Macht

Kinderkampagne Kinder initiieren durch Kampagnen neue Gesetze. Aber manchmal sind davon auch Erwachsene betroffen. Ganz unfreiwillig

Wir hier in Amerika nennen unsere Nation „land of the free and home of the brave“, doch das stimmt so nicht mehr. Freiheit ist etwas für Erwachsene und die Kindheit ist in diesem Land nicht länger ein vorübergehendes Stadium sondern ein permanenter Zustand.

Als ich ein Kind war – dasselbe gilt wahrscheinlich auch für Sie – gab es gewisse Dinge, die den Erwachsenen vorbehalten und uns verboten waren. Wir haben uns vielleicht beschwert, dass das nicht fair sei, aber wenigstens wussten wir: Eines Tages, wenn wir selbst erwachsen sein würden, dann stünden sie auch uns offen. Doch dann wurden die Regeln geändert. Heute bin ich zwar eine Erwachsene, aber ich werde immer noch wie ein Kind behandelt. Und als wäre das nicht demütigend genug, sagen mir inzwischen manchmal echte Kinder, die jünger sind als der Staub auf meinem Nippes-Regal, was ich zu tun habe.

Man denke nur an den folgenden Vorfall in Phillipsburg, New Jersey: Eine Schulklasse voll entschlossener Siebenjähriger rief eine Kampagne ins Leben, die 19 Monate später die Gesetzgeber das Staates überzeugte,

den Verkauf von Feuerzeugen zu verbieten

. Die Kinder sind natürlich mächtig stolz auf sich und die Politiker tun so, als sei es vernünftig, wenn nicht sogar bewundernswert, wenn Gesetzgeber mittleren Alters bei Menschen Rat suchen, die sich noch vor den Monstern unter ihrem Bett fürchten.

Das Ganze begann damit, dass eine Frau ihre dreijährige Tochter mit in einen Ein-Dollar-Laden nahm, wo das Kleinkind ein lustiges Feuerzeug in Form eines Löwen in die Hände bekam. Offensichtlich hat ihre Mutter das Feuerzeug dann gekauft, denn es wurde später zum Maskottchen der Kampagne der Zweitklässler.

Mehr Freiheiten für Erwachsene

Kinder sollten definitiv nicht mit Feuerzeugen spielen; wenn Ihr Kind einen Plastiklöwen möchte, dann geben sie ihm keinen, mit dem man Feuer machen kann. Aber es ist nicht so, dass das Gesetz aus New Jersey einfach nur den Verkauf lustiger Feuerzeuge an Kinder verbieten oder von den Händlern verlangen würde, sie auf den oberen Regalbrettern außerhalb der Reichweite von Kleinkindern zu präsentieren. Nein, die Feuerzeuge sind für alle Einwohner des Staates verboten, frei nach dem Motto: „Wenn Kinder nicht damit klarkommen, dann sollen auch Eltern sie nicht bekommen“.

Die Kinder haben es gut gemeint. Man kann ihnen nicht vorwerfen, dass sie dachten: "Wenn ich es nicht haben darf, dann soll es auch kein anderer haben!“, denn sie wissen es nun mal nicht besser. Doch diese Entschuldigung gilt nicht für die Erwachsenen in ihrem Leben. Erwachsene Bürger einer angeblich freien Republik haben kein Recht, formbare junge Menschen zu lehren, dass es rechtschaffen ist, Dinge zu verbieten, die man nicht mag. Aber natürlich ist diese Lektion einfacher, als ihnen beizubringen, dass es Dinge gibt, die für Erwachsene angemessen sind, aber nicht für sie und dass sie selbst entscheiden können, ob sie diese haben möchten, wenn sie groß sind.

Davon abgesehen, dass sie das nicht mehr können. Die „zu deinem eigenen Besten“-Regeln, die einst für Kinder galten, werden heute Erwachsenen auferlegt. Als ich zur Grundschule ging, ließ uns die Lehrerin im Winter nicht vor die Tür, bevor wir uns nicht in einer Reihe vor ihr aufgestellt hatten und einzeln demonstrierten: „Ja Fräulein, ich trage Fäustlinge und meine Jacke ist bis zum Kinn geschlossen, sehen Sie? Diese Regel war sinnvoll; wir waren zu klein, um uns selbst um uns zu kümmern und brauchten eine Autorität, die uns das abnahm.

Und nun spulen wir knapp dreißig Jahre vor, zu einem Morgen, an dem ich zu spät zur Arbeit kam, weil die Polizei im Rahmen der Kampagne Kontrollen durchführte. Ich stellte mich mit meinem Auto in die Reihe und wartete darauf, bis ich dran war, um zu demonstrieren: „Ja Sir, mein Gurt ist fest eingerastet, sehen Sie?“ Ähnlich verhält es sich mit Alkoholkontrollen: „Nein Sir, ich bin nicht betrunken. Ja Sir, mein Führerschein und meine Fahrzeugpapiere sind gültig.“ (In Arizona würde ich dieser Litanei hinzufügen: „Ja Sir, ich bin amerikanische Staatsbürgerin und bin berechtigt in diesem Land zu leben.“)

Beweisen Sie, dass Sie das Richtige tun

Was ist aus der guten alten Unschuldsvermutung geworden? Die gilt nur für Erwachsene und Amerika ist eben das Land der immer währenden Kindheit geworden, in dem die Behörden glauben, dass wir nicht auf uns selbst aufpassen können, sondern dafür auf sie angewiesen sind. Beweisen Sie, dass Sie das Richtige tun. Beweisen Sie, dass Sie nichts falsch machen. Es ist das Paradies, das in der Bibel verheißen wurde, in dem ein kleines Kind den Weg weisen soll.

Als ich ein Kind war, lebte ich mit dem Versprechen, ich könnte eines Tages alle kindlichen Dinge ablegen und eine Erwachsene sein, mit allen Freiheiten und Verantwortungen, die das mit sich bringt. Jetzt, da ich eine Erwachsene bin, sind die Verantwortungen geblieben, doch die Freiheiten lösen sich mit jedem Tag etwas weiter in Luft auf.

Übersetzung: Christine Käppeler

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Geschrieben von

Jennifer Abel | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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