Wenn Staatsmänner aus aller Welt, Wissenschaftler und Aktivisten in Kopenhagen entscheiden, wie die Menschheit der Erderwärmung begegnen soll, dann entscheiden sie auch über die Zukunft von Generationen. Die Zeit wird knapp, um das Klima wieder einigermaßen beherrschen zu können. Die drei folgenden Geschichten aus Südamerika, Asien und Afrika zeigen, dass ein Scheitern dramatische Folgen haben wird.
Brasilien – Elisas Tochter
Sie hat zwar noch immer keinen Namen, aber dieses kleine Mädchen, das im November geboren wurde, ist für das Volk der Macuxi und für Aktivisten, die indigene Völker vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels bewahren wollen, bereits jetzt ein Symbol der Hoffnung. Ihre Mutter, die 33-jährige Elisa da Silva, stammt aus Barro in Nord-Roraima, nahe der Grenze zu Venezuela. Die Gegend war Zentrum eines erbitterten Konflikts zwischen den Macuxi und Farmern, die auf den sumpfigen Wiesen in der Region Reisplantagen errichten wollten. 2009 entschied der oberste brasilianische Gerichtshof zugunsten der Macuxi und beendete damit einen Streit, der 30 Jahre lang das Leben der Region wie kaum sonst etwas beherrschte.
Roraima grenzt an das Amazonasgebiet, das 40 Prozent der Regenwaldbestände der Erde umfasst und zu den Gegenden zählt, in denen das ökologische Gleichgewicht höchst sensibel ist. Dennoch wird das Amazonasbecken weiter abgeholzt – bis 2020 könnten 25 Prozent der ursprünglichen Bestände verloren sein. Steigende Temperaturen – und sich dadurch ausdehnende Savannen – bedrohen den übrigen Waldbestand. „In Roraima verändert sich das Klima weiter – die Hitze hat zugenommen und es regnet kaum“, sagt Elisa.
Und während die Zukunft für die Macuxi besser aussieht, da ihnen die Selbstverwaltung ihres Landes zugesichert wurde, eskaliert der Streit um Landflächen anderswo. Im Moment werden in Brasilien 7,8 Millionen Hektar für den Anbau von Rohrzucker genutzt – 2020 dürften es 14 Millionen Hektar sein. Schuld daran ist die Nachfrage nach Biokraftstoffen, die als ideale Alternative zu fossilen Brennstoffen gepriesen werden. So werden Bauern und Pflanzer immer tiefer in den Amazonas hineindrängen und weitere Konflikte mit indigenen Völkern auslösen. Nach dem Urteil von Experten hat Brasiliens Biosprit-Politik – sie bewirkt, dass die Pflanzen nicht mehr als Nahrungsmittel, sondern für Brennstoffe angebaut werden – bereits Millionen in die Armut getrieben, weil die Nahrungsmittelpreise steigen. Darüber hinaus warnt der Weltklimarat (IPCC), dass extreme Wetterphänomene und Dürren in den nächsten Jahren für Brasilien zunehmen. Elisas Baby mag vorerst ihren Flecken Erde sicher haben, aber seine Zukunft ist alles andere als gesichert.
Timor – Fretelina de Oliveira
Fretelina wurde Mitte November als Tochter von Joana und Armando de Oliveira in Au-Hun, einem Dorf an der Nordküste Timor-Lestes geboren. Sie ist das dritte Kind des Paars. Das Leben in diesem Teil der Erde ist hart. Jeden Tag muss Armando an der einzigen Pumpe der Gemeinde Wasser holen, die nur eine Stunde pro Tag in Betrieb ist und Hunderte von Dorfbewohnern bedienen muss. Wenn er zurückkommt, erhitzt Armando etwas Wasser, um Fretelina zu baden. Um sieben muss er los, Armando arbeitet als Schülerlotse und ist damit einer der Glücklicheren in Au-Hun. Nur 70 der 1.400 Dorfbewohner haben einen Arbeitsplatz. Gegen Mittag kehrt Armando nach Hause zurück, kocht das Mittagessen. Trotz der harten Umstände sind er und Joana glücklich – Fretelinas Geburt erfülle sie mit Freude, sagen sie.
Am Horizont aber ziehen dunkle Wolken auf. Zusätzlich zur schwachen Infrastruktur des Landes verändert sich das Wetter. Die Temperaturen steigen, und in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Dürreperioden. „Wir merken, wie sich das Klima verändert. Unser Brunnen trocknet aus“, erzählt Joana. „Es regnet seltener und die Pflanzen wachsen nicht mehr so gut.“ Das Leben hier wird den Prognosen von Wissenschaftlern zufolge nicht einfacher. Ihre Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Temperatur hier bis 2070 um 0,88 bis 3,68 Grad Celsius ansteigen wird – also noch weniger Regen und häufigere Dürren.
Solche Vorhersagen verheißen für die Insulaner nichts Gutes. Die Bauern Timor-Lestes warnen bereits davor, dass die Wasserknappheit dazu führen könnte, dass sich die Bevölkerung nicht mehr ausreichend ernährt. In der Saison 2002 hatte eine Dürre zu einem 34-prozentigen Rückgang der Maisernte geführt. Die Konsequenz war, dass 100.000 Menschen Nahrungsmittelhilfe benötigten.
Und doch könnten sich die Dinge ändern. Timor-Leste verfügt vor seinen Küsten über erhebliche Ölvorkommen, die zu vermarkten, Projekten wie einer anständigen Wasserversorgung zugute kämen, die das Leben von Joana, Armando und Fretelina erleichtern würden. Dies ließe sich aber nur verwirklichen, wenn die Insel ihre fossilen Brennstoffe fördern und damit zum weltweiten Ausstoß von Kohlendioxid beitragen würde. Joana beschreibt das Dilemma so: „Wir wollen Fretelina eine gute Zukunft bieten. Sie soll eine gute Ausbildung bekommen, damit sie für uns sorgen kann, wenn wir alt sind. Doch wir machen uns Sorgen, dass die Temperaturen im Laufe ihres Lebens noch weiter ansteigen werden, denn schon jetzt sterben in unserer Gemeinde Menschen an den Folgen. Aber am meisten sorgen wir uns um Arbeitsplätze. Das Baby ist ein Geschenk Gottes, aber ich kann ihm so wenig geben.“
Olomaina Mutonka aus Kenia
Noomirisho Mutonka ist 35 Jahre alt und Mutter von sechs Kindern. Ihr jüngster Sohn Olomaina wurde am 6. November geboren. Es sei keine einfache Schwangerschaft gewesen, erzählt Noomirisho, die in der Nähe der Stadt Kajiado, südlich von Nairobi lebt. „Unser Vieh war wegen der Trockenheit schwach. Ich musste oft vier Meilen weit laufen um Wasser zu holen und habe 20-Liter-Kanister geschleppt. Mir ist immer noch häufig schwindlig.“
Früher traten in Kenia alle drei Jahre Dürreperioden auf, die oft Monate anhielten. Aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Häufigkeit und Dauer zugenommen. Jeder Vierte aus dem Volk der Massai hat in der Region Magadi im Süden sein Vieh wegen der sich häufenden Dürren verloren. Prognosen des Weltklimarats gehen davon aus, dass sich die Größe der agrarisch nutzbaren Landfläche Kenias bis 2020 wegen des Wassermangels halbiert.
Es kommt dazu, dass der Klimawandel wahrscheinlich gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben und die Verbreitung der Malaria fördern wird. Bereits heute fallen ihr in Afrika zwischen 700.000 und 2,7 Millionen Menschen jährlich zum Opfer. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich der Lebensraum der Moskitos, die Malaria übertragen, auf das kenianische Hochland ausweitet.
„Olomaina heißt Segen in der Sprache der Massai“, sagt Noomirisho. „Das Baby ist ein Segen, jedoch auch eine Bürde. Ich kann ihm nur so wenig geben. Wir haben so vieles verloren, deshalb möchte ich, dass dieses Kind mein letztes bleibt. Unsere Zukunft legen wir in Gottes Hände, denn nun, da alle unsere Tiere tot sind, kann die Zukunft unserer Kinder nur schlimmer werden.“
Übersetzung Christine Käppeler
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