Bereits jetzt kaprizieren sich wieder tausende Blogs und Kolumnen auf die Behauptung, der neue Bericht des Weltklimarats sei ein fanatisches Machwerk voller Horrorgeschichten zur Zerstörung der Weltwirtschaft. Dabei ist der Bericht tatsächlich höchst konservativ.
Da eine Übereinkunft zwischen hunderten Autoren und Gutachtern gefunden werden muss, kommen nur diejenigen Aussagen durch, die sich am schwersten anfechten lassen. Nachdem die Wissenschaftler einen Konsens gefunden haben, muss der Bericht in einer anderen Schmiede weiter gestählt werden. Dann stellen Politiker alles in Frage, was ihnen unliebsam ist: Der jüngste Bericht wurde von 32 Regierungen 1.855 Mal kommentiert, noch die ganze Nacht vor seiner Veröffentlichung hindurch wurde über Formulierungen gestritten.
Anders gesagt handelt es sich um den wohl umfangreichsten und strengsten Prozess der Peer Review, der zu irgendeinem Zeitpunkt der menschlichen Geschichte in irgendeinem wissenschaftlichen Feld durchgeführt wurde.
Radikale Abweichungen von den Einschätzungen des 2007 veröffentlichten Vorgängers enthält der aktuelle Bericht nicht. Bloß mehr Belege für das Ausmaß der weltweiten Temperaturanstiege, das Schmelzen der Eisdecken, den Gletscherschwund, den Anstieg der Meeresspiegel, die Versäuerung der Ozeane und die Veränderungen der Wettermuster. Die bekannte und erschütternde Botschaft lautet: “Es ist so schlimm, wie wir dachten.“
Was der Bericht in trockener, akkurater Sprache beschreibt, ist der Zusammenbruch des milden Klimas, in dem die Menschheit sich entwickelte und gedieh und den Verlust von Bedingungen, auf die viele andere Lebensformen angewiesen sind. Klimawandel und Erderwärmung sind unzulängliche Begriffe für das, was dort offenbar wird. Dieser Bericht erzählt die Geschichte des Klima-Zusammenbruchs.
Wir können diese Katastrophe vorhersehen, können sie uns aber nicht vorstellen. Es ist eine Katastrophe, die wir jeder für sich nicht verhindern können.
Die Berichte des IPCC rufen alle möglichen Formen von Ablehnung hervor: Von der stummen Abwendung, die die meisten Menschen zeigen, bis hin zu schriller Leugnung. Trotz – oder vielleicht wegen – ihrer Genauigkeit, sind die IPCC-Berichte Gegenstand einer prachtvollen Sammlung von Verschwörungstheorien: So wird etwa behauptet, der Rat versuche, uns zurück in die Steinzeit zu besteuern oder wahlweise eine Nazi-Diktatur oder ein kommunistisches Terrorregime zu errichten, in der wir in Lager gepfercht unsere eigenen Fahrräder häkeln müssen (und dann wird den Wissenschaftlern vorgeworfen, sie seien Panikmacher ...)
In einigen Zeitungen (the Mail, the Telegraph) und den staubigen Untergeschossen des Internets wurde der Bericht gründlichst nach Unsicherheiten durchsucht, anhand derer er sich diskreditieren ließe. In dem Bericht heißt es, von Menschen hervorgerufene Erwärmung hätte die Oberflächentemperaturen auf allen Kontinenten der Erde – mit Ausnahme der Antarktis – wahrscheinlich maßgeblich beeinflusst. Diejenigen, die sich durch die Belege bedroht fühlen, ignorieren deshalb die anderen Kontinente und konzentrieren sich auf die Antarktis, um zu beweisen, dass es keinen von der Verbrennung fossiler Brennstoffe verursachten Klimawandel geben könne.
Sie machen viel Aufheben um die Bestätigung des IPCC, dass es eine „Reduktion des Trends der Oberflächenerwärmung im Zeitraum von 1998 bis 2012“ gegeben habe, ignorieren aber irgendwie die Tatsache, dass das vergangene Jahrzehnt dennoch das wärmste seit der instrumentellen Temperaturmessung war.
Und sie bringen es fertig, die Schlussfolgerung des Rates zu übersehen, dass die Verlangsamung des Trends wahrscheinlich auf Vulkanausbrüche, Schwankungen der Sonneneinstrahlung und natürliche Varianzen des Kreislaufs des Planeten zurückgehen.
Wenn es die vom Menschen verursachte Erderwärmung nicht gäbe, hätten diese Faktoren die Erde in diesem Zeitraum bedeutend abkühlen können. Dass es einen leichten Temperaturanstieg gab, zeigt, wie stark der menschliche Einfluss sich auswirkt.
Doch Leugnung ist nur ein Teil des Problems. Bedeutsamer ist das Verhalten einflussreicher Leute, die behaupten, die Beweise zu akzeptieren. Vergangene Woche hat die ehemalige irische Präsidentin Mary Robinson sich einer Forderung angeschlossen, die einige von uns seit Jahren erheben: Das einzig wirksame Mittel, den Zusammenbruch des Klimas zu verhindern, besteht darin, fossile Brennstoffe in der Erde zu belassen. Jeder Minister wird Ihnen das auf die ein oder andere Weise eingestehen, wenn Sie privat mit ihm reden und ihn diesbezüglich ins Gebet nehmen. Aber keine Regierung dieser Welt handelt danach.
Zeitgleich mit Erscheinen des neuen Klima-Berichts hat das britische Wirtschaftsministerium seine Fenster im Erdgeschoss mit einem riesigen Plakat zugeklebt: „Gas und Öl aus dem Vereinigten Königreich: Energie für Großbritannien. Dieses Jahr haben wir 13,5 Milliarden Pfund in die Gewinnung von britischem Öl und Gas investiert, mehr als in jeden anderen Sektor.“
Deutlicher geht es nicht. Nur ein Beispiel dafür, wie Regierungen an der Katastrophe mitwirken, die sie offiziell beklagen. Sie stimmen zu, dass etwas getan werden müsse, um die Katastrophe abzuwenden und fördern gleichzeitig die Industrieren, die sie verursachen.
Es spielt keine Rolle, wie viele Windmühlen oder Sonnenkollektoren man baut, wenn man nicht gleichzeitig die Produktion fossiler Brennstoffe reduziert. Wir brauchen ein internationales Programm, dessen Ziel es ist, die meisten Kohle-, Öl- und Gasreserven unter der Erde zu belassen, während wir neue Energiequellen erschließen und die unglaubliche Menge reduzieren, die wir verschwenden.
Aber weit davon entfernt versuchen Regierungen überall noch immer, jeden Tropfen ihrer eigenen Reserven auszuquetschen und sich den Zugang zu denen anderer Länder zu sichern. Während die leichter erschließbaren Vorkommen geleert werden, beuten Energieunternehmen die entlegensten Winkel des Planeten aus, schmieren und schikanieren Regierungen, um bislang neue Gebiete ausbeuten zu können, von der Tiefsee bis zur schmelzenden Arktis.
Und die Regierungen, die sie gewähren lassen, vergießen klebrige schwarze Tränen über den Zustand des Planeten.
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