Klimakiller Superreiche

Klimakrise Jets, Yachten und neuerdings Raketen: Zwischen Reichtum und CO2-Fußabdruck besteht ein direkter Zusammenhang. Trotzdem werden reiche Menschen strukturell begünstigt. Damit sollte klar sein, was gegen den Klimakollaps zu tun ist
Milliardäre leisten sich private Superyachten. Die stehen die meiste Zeit nur rum und produzieren trotzdem 7.000 Tonnen CO2 jährlich. Der Rest der Weltbevölkerung hat von dem Luxus nichts
Milliardäre leisten sich private Superyachten. Die stehen die meiste Zeit nur rum und produzieren trotzdem 7.000 Tonnen CO2 jährlich. Der Rest der Weltbevölkerung hat von dem Luxus nichts

Foto: Graeme Robertson/Getty Images

Dass unser gegewärtiges System an vielen Stellen nicht funktioniert, hat meistens damit zu tun, dass wir die Reichen begünstigen. Regierungen lassen zu, dass die Demokratie durch Lobbyist:innen unterhöhlt wird (dazu gehören auch Politiker:innen, die lukrative Interessen verfolgen); Deregulierung erlaubt es Unternehmen, Oligarchen und Vermietern, ihre Mitarbeiter:innen und Mieter:innen auszuquetschen und die entstehenden Kosten der Gesellschaft aufzubürden; die Rahmenbedingungen leisten der Profitmache während der Pandemie Vorschub; das anhaltende Streben nach Privatisierung schwächt Gesundheitsversorgung, Bildung und andere öffentliche Dienstleistungen: All das sind Symptome des gleichen Grundproblems.

Dasselbe gilt für das schlimmste Krise, in der wir stecken: die Zerstörung unserer Lebensgrundlage. Die Superreichen beanspruchen einen Löwenanteil des Raums auf und um unsere Erde, von dem wir alle abhängen. Es ist schwer zu verstehen, warum wir diesen Angriff auf unsere gemeinsamen Interessen tolerieren.

Das reichste ein Prozent der Weltbevölkerung (also diejenigen, die mehr als gut 152.900 Euro im Jahr verdienen) verursacht 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, doppelt so viel wie die ärmsten 50 Prozent. Im Durchschnitt stößt das reichste ein Prozent jedes Jahr über 70 Tonnen Kohlendioxid pro Person aus – 30 Mal mehr als wir uns erlauben können, wenn wir erreichen wollen, dass die globale Erwärmung 1,5 Grad nicht überschreitet. Während die Emissionen der globalen Mittelschicht dank der Dekarbonisierung der Wirtschaft voraussichtlich stark zurückgehen, wird die von den Reichsten ausgestoßene Menge kaum abnehmen. Das heißt, sie werden für einen noch größeren Anteil am gesamten CO2-Ausstoß verantwortlich sein. Um gute Erdbewohner zu werden, müssten sie ihren CO2-Verbrauch im Schnitt um 97 Prozent reduzieren.

Wir können uns die Reichen nicht leisten

Selbst wenn 90 Prozent der Bevölkerung überhaupt kein CO2 produzierten, würden die erwarteten Emissionen der reichsten zehn Prozent (diejenigen, die mehr als 48.400 Euro im Jahr verdienen) im Laufe der kommenden neun Jahre fast das gesamte globale CO2-Budget aufbrauchen.

Die unterschiedlich großen Auswirkungen der Einzelnen auf die Umwelt spiegeln die Ungleichheit innerhalb eines Landes wider. Kein Wunder, dass die wohlhabenden Menschen in den reichen Nationen so gerne versuchen, die Schuld auf China oder die Geburtenrate anderer zu schieben: Manchmal wirkt es, als würden sie alles versuchen, um nicht vor der eigenen Haustür kehren zu müssen.

Eine kürzlich durchgeführte Analyse des Lebensstils von 20 Milliardären kam zu dem Ergebnis, dass jeder von ihnen im Schnitt über 8.000 Tonnen CO2 produziert. Das ist 3.500 mal so viel, wie ihnen eigentlich zusteht, wenn wir das 1,5 Grad-Ziel einhalten wollen. Daran schuld sind hauptsächlich ihre Privatjets und Yachten. Eine einzige Superyacht, die permanent auf Abruf ist, wie das bei einigen der Milliardärsschiffen der Fall ist, erzeugt rund 7.000 Tonnen CO2 im Jahr.

Bill Gates, der sich selbst als Klimaschützer geriert, besitzt keine Yacht. Dennoch hat er einen geschätzten CO2-Fußabdruck, der 3.000 mal größer ist als der eines guten Erdbürgers, und zwar vor allem wegen seiner Flugzeuge und Hubschrauber. Er behauptet zwar, „grünes Kerosin“ zu kaufen, aber so etwas gibt es nicht. In großem Umfang eingesetzt, würden Biotreibstoffe für Flugzeuge eine Umweltkatastrophe auslösen, weil für einen einzigen Flug bereits enorm viel Pflanzenmaterial benötigt wird. Dessen Anbau müsste entweder die Lebensmittelproduktion oder wilde Ökosysteme verdrängen. Andere „grüne“ Flugzeugtreibstoffe sind bisher nicht verfügbar.

Vom Privatjet in die Rakete

Bill Gates versucht, solche Konflikte durch den Kauf von Emissionszertifikaten zu lösen. Aber alle verfügbaren Möglichkeiten, der Erdatmosphäre Kohlendioxid zu entziehen, müssen jetzt genutzt werden, um die Auswirkungen der ganzen Menschheit zu verringern. Warum sollten sie von denen abgegriffen werden, die wie Kaiser leben wollen?

Von Vielfliegern bekommen wir häufig zu hören, wir sollten die Klimaauswirkungen des Fliegens vernachlässigen, da sie „nur ein paar wenige Prozent“ ausmachen. Aber die Auswirkungen bleiben nur deshalb relativ niedrig, weil Fliegen auf sehr wenige beschränkt ist. Fliegen ist für den Großteil der Treibhausgasemissionen der Superreichen verantwortlich. Deshalb produzieren das reichste Prozent rund die Hälfte aller weltweiten Flugemissionen. Wenn alle so leben würden wie sie, wäre das Fliegen die größte aller Ursachen für den Klimakollaps.

Und doch kennen die Superreichen in ihrer Kohlenstoff-Gier keine Grenzen: Einige von ihnen hoffen jetzt darauf, ins All zu reisen, wobei jeder Weltraumtourist in zehn Minuten soviel CO2 ausstoßen würde wie 30 durchschnittliche Menschen in einem ganzen Jahr. Die Superreichen behaupten, sie schafften Wohlstand. Aber ökologisch gesehen schaffen sie keinen Reichtum. Sie nehmen ihn allen anderen weg.

Wer zahlen kann, darf auch entscheiden

Das große Geld kauft heute alles, selbst den Zugang zu Konferenzen, die diese Missstände beheben sollen. In gewisser Hinsicht war Glasgow der exklusivste aller Klimagipfel. Delegierte aus armen Ländern wurden von einer unbarmherzigen Kombination verschiedener Faktoren abgeschreckt: sehr komplizierte Visabestimmungen, nicht eingehaltene Versprechen, Corona-Impfstoffe bereitzustellen, sowie horrende Kosten für die Unterbringung, weil die britische Regierung es versäumt hatte, die lokalen Preise zu begrenzen oder Zimmer zur Verfügung zu stellen. Selbst wenn die Delegierten ärmerer Staaten diese Hürden nehmen konnten, wurden sie häufig von den Verhandlungsräumen ausgeschlossen und waren so nicht in der Lage, die Gespräche zu beeinflussen.

Im Gegensatz dazu wurde mehr als 500 Lobbyisten fossiler Brennstoffe Zugang gewährt. Das waren mehr als die Delegationen jener acht Staaten zusammengenommen, die von der Klimaerwärmung bereits jetzt stark gezeichnet sind: Pakistan, Bangladesch, die Philippinen, Mosambik, Myanmar, Haiti, Puerto Rico und die Bahamas. Die Täter werden gehört, die Opfer ausgeschlossen.

Ein oft zitierter wahrer Satz eines unbekannten Autors lautet: „Es ist einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus.“ Ein Grund dafür ist die Schwierigkeit, Kapitalismus zu fassen. Die meisten Menschen haben Probleme damit, ihn zu definieren und seinen Verfechtern ist es zumeist gelungen, seine wahre Natur zu verschleiern. Fangen wir also damit an, uns etwas vorzustellen, das leichter zu verstehen ist: das Ende konzentrierten Reichtums. Unser Überleben hängt davon ab.

Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass die wichtigsten Umweltmaßnahmen Vermögenssteuern sind. Um einem Kollaps des ökologischen Systems vorzubeugen, muss man extremen Reichtum zum Aussterben zu bringen. Es ist nicht die Menschheit als Ganze, die der Planet nicht verkraftet. Es sind die Ultra-Reichen.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Carola Torti
Geschrieben von

George Monbiot | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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