In der Serie Mad Men besitzt die Figur der Betty Draper alles, was sich eine Frau in den frühen Sechzigern nur wünschen konnte: einen gutaussehenden, erfolgreichen Ehemann, ein hübsches Haus in einem Vorort von New York, zwei wilde Kinder und eine Menge angenehmer Zeitvertreibe – Reiten, Kindergeburtstage, Kaffeeklatsch mit den Nachbarinnen. Schüchtern, ein wenig spröde und unbeschreiblich schön, so verkörpert Betty Draper genau das, was Betty Friedan einst den „Weiblichkeitswahn“ nannte: die Freuden einer nicht berufstätigen Frau, die ihre Kinder zum Zahnarzt kutschiert, neue Lampenschirme auswählt, die farblich zu den Vorhängen passen und sich ordentlich in Schale wirft, wenn ein Abendessen mit den Kunden und Kollegen der Werbeagentur ihres Mannes ansteht. Betty Draper ist der Inbegriff dessen, was für die amerikanische Frau in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg das perfekte Leben sein sollte.
Doch etwas ist faul an dieser Idylle. Betty liegt nachts wach. Sie trinkt schon am Nachmittag. Eine verdrossene Furche gräbt sich in ihre hübsche Stirn. Sie fühlt sich unwohl, trübsinnig und beunruhigt. Um diese scheinbar grundlose, schwer erklärbare Unzufriedenheit loszuwerden, wendet sie sich an einen Psychiater – der ihr nicht zuhört. Er muss es nicht, denn Betty ist nicht die erste, die mit solchen Problemen zu ihm kommt.
Als Betty Friedan 1963 Der Weiblichkeitswahn schrieb, lebte sie selbst in einem Vorort und zog ihre Kinder groß. Friedan schickte damals einen Fragebogen an ihre ehemaligen Studienkolleginnen von der Eliteuniversität – und war von dem Ergebnis überrascht. Die meisten ihrer Kommilitoninnen waren wie sie selbst überqualifizierte Hausfrauen geworden. Keine von ihnen schien wirklich glücklich zu sein. Und so machte Friedan sich daran zu erforschen, weshalb die Rolle der exklusiven Hausfrau und Mutter, die als das weibliche Ideal der Nachkriegsjahre galt, tatsächlich eine gefährlich bequeme Falle war. In ihrem bahnbrechenden Werk Der Weiblichkeitswahn ermutigte sie Frauen dazu, sich weiterzubilden und eine ernsthafte Karriere anzustreben.
Heutzutage schreiben sich sowohl in Amerika als auch in Großbritannien mehr Frauen als Männer an den Universitäten ein. Der Begriff Karrierefrau hat schon lange den frigiden, trockenen Beiklang verloren. In den westlichen Ländern ist es normal, dass eine Frau arbeitet. Ist Der Weiblichkeitswahn heute also nur noch ein verstaubtes, historisches Artefakt?
Frauen können mehr als Rotznasen putzen
Selbstredend ist „nur“ das falsche Wort im Zusammenhang mit diesem Buch, das nicht nur ein historisches Dokument ist, sondern den Lauf der Geschichte veränderte. Dass es für uns heute selbstverständlich ist, dass Frauen studieren, beruflich erfolgreich sind und ein eigenes Einkommen haben, ist nicht zuletzt Betty Friedans Verdienst. Sie hat die Annahme in Frage gestellt, dass Frauen von Natur aus häusliche Wesen sind, die zufrieden damit sind, die Möbel zu polieren, den Sonntagsbraten in die Röhre zu schieben und Rotznasen zu putzen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass man Frauen, die nicht damit zufrieden waren, ans Haus gefesselt zu sein, behandelte, als sei etwas nicht in Ordnung mit ihnen. Und so ist vielleicht der beste Beweis für die radikale Wirkung von Friedans Text, dass er uns heute überholt vorkommt.
Doch trotz allem bekommen Frauen auch heute im Schnitt ein geringeres Gehalt als Männer – oft auch dann, wenn sie genau den gleichen Job erledigen. In Führungspositionen findet man noch immer weit weniger Frauen als Männer, in Sachen Haushaltsführung und Kindererziehung sieht es weiterhin genau umgekehrt aus. Mit Produkten, die auf ein unerreichbares Ideal von Weiblichkeit zugeschnitten sind – von Diätgetränken über Anti-Aging-Kosmetik bis zu Schönheitsoperationen – lässt sich nach wie vor ein großer Reibach machen. Und überfliegen Sie doch nur einmal die Reihen der Spitzenkräfte bei G20-Gipfeln, im US-Kongress oder im britischen Parlament und zählen Sie die weiblichen Köpfe – keine Sorge, Sie werden ziemlich schnell fertig sein.
In Sachen Sex wurde die einengende Moral der Fünfziger zwar abgeschafft, stattdessen hat man als Frau nun aber immer zu wollen. Früher durften alleinstehende Frauen mit keinem, heute sollen sie mit allen – in der Tat eine zweifelhafte Form von Freiheit.
Erfülltes Berufsleben oder freudlose Notwendigkeit
Zugegeben, Friedan hatte überhöhte und privilegierte Vorstellungen davon, wie erfüllend ein Beruf für Frauen ist. Bei Walmart an der Kasse zu sitzen ist vermutlich nicht weniger monoton und nervtötend, als einen Küchenfußboden zu schrubben. Für viele Frauen bedeutet ihre Arbeit heute nichts anderes als eine freudlose Notwendigkeit. Eine Frau, die acht Stunden am Tag für eine Hotline telefoniert, hat womöglich das Gefühl, sich ausnahmsweise kreativ zu betätigen, wenn sie ihrer Familie am Wochenende einen Kuchen bäckt.
Und so betrachten immer mehr Frauen in letzter Zeit die Rolle der Hausfrau und Mutter als legitime Alternative. Na schön: Sofern der Mann bereit ist, allein den Ernährer zu spielen, steht es jeder Frau offen, sich dem Weiblichkeitswahn wieder hinzugeben. Dann aber ist Friedans Warnung auch heute noch so relevant wie in den Fünfzigern: Gehen Sie wenigstens sehenden Auges ihrem Schicksal entgegen.
Verwöhnt und scheinbar grundlos deprimiert, ist Betty Draper von der Welt, in der wir Karrierefrauen zuhause sind, ausgeschlossen. Sie versteht kaum etwas von dem, was ihr Mann den ganzen Tag in der Madison Avenue so treibt. Sie liebt ihre Kinder, aber sie ist einsam, ziellos und von der Frage gequält, wozu diese angeblich so glückselig machende Häuslichkeit eigentlich dienen soll. Jeder Frau, die ernsthaft die neue Wahlfreiheit zwischen einem Hausfrauen- und Mutterdasein und einer anspruchsvollen beruflichen Karriere prüft, kann ich da nur empfehlen, sich alle alten Folgen der Serie Mad Men genau anzusehen, bevor sie sich entscheidet.
In der Werbeagentur Sterling Cooper hätte man angesichts der Entscheidung des Barbie-Herstellers Mattel sicher nach den Whiskeygläsern gegriffen und dicke Rauchwolken ausgestoßen: Don Draper, in der Erfolgsserie Mad Men der Inbegriff aller männlichen Werte, die vor der sexuellen Revolution galten, wird zu einer Barbie-Puppe.
Und nicht nur er: Draper, seine Frau Betty, sein Chef Roger Sterling und die Sekretärin Joan Holloway werden demnächst für 74,95 Dollar (rund 54 Euro) als Barbie-Puppen verkauft. Mattels Vizepräsidentin Stephanie Cota erklärte gegenüber der New York Times: Die Puppen verköpern die Serie auf grandiose Weise. Soll wohl heißen: Angesichts der Tatsache, dass in der New Yorker Werbeagentur Sterling Cooper der Alkohol fließt, Kette geraucht wird und Seitensprünge an der Tagesordnung sind, zielt Mattel mit den Puppen auf den erwachsenen Sammlermarkt ab und nicht auf die kleinen Mädchen, die Barbies klassische Gefolgschaft ausmachen. Die Puppen sollen im Sommer in die Läden kommen, wenn in Amerika die vierte Staffel startet.
Paul Harris
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