Krise wieder im Aufwind

Zinsschübe Nach drei Monaten einer relativen Stabilisierung an den Aktienmärkten zeichnen sich in der Eurozone erneut Turbulenzen ab, die an bekannte Muster erinnern

Eigentlich war es schon immer klar, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die offenen Wunden der Währungsunion mit ihrer Politik der billigen Kredite bestenfalls notdürftig mit einem großen Heftpflaster versorgen, aber nicht heilen kann. Seit Beginn der Schuldenkrise Ende 2009 hat sich ein klares Muster herausgebildet: Krise – Reaktion – Aufschub – Fortsetzung der Krise. Die jüngste Erholung wirkte zwar erstaunlich robust, aber es war schon immer ein Trugschluss, die EZB könne alle Probleme der Währungsunion lösen, indem sie den europäischen Banken langfristig – das heißt, für drei Jahre – billiges Geld leiht.

Das gegenwärtige Auflodern der Krise hat vor allem drei Gründe: Zunächst einmal zeichnet sich eine gefährliche Verteuerung spanischer Staatsanleihen durch ein Steigen der Zinsen auf sechs Prozent ab, was offenbar mit der schwachen Nachfrage bei den Anleihe-Auktionen der vergangenen Woche zu tun hat. Gleichzeitig erklären die Angst vor Ansteckung und eine wachsende Opposition gegen Mario Montis Arbeitsmarktreformen, warum die italienische Börse einen solchen Dämpfer erhält, dass der Handel mit den Aktien schwer angeschlagener Banken zeitweilig ausgesetzt werden muss. Ein zweiter Faktor sind die politischen Risiken. In Griechenland wird Anfang Mai gewählt und die Unterstützung für die beiden großen Spar-Parteien schwindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Griechen einer Regierung das Vertrauen schenken, die die Bedingungen des Bailouts ablehnt, ist groß.

Auch über den Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen machen sich die Analysten Sorgen. Die Umfragen sehen am Ende François Hollande vorn. Der möchte im Fall seiner Wahl den bisher in jedem Detail peinlich genau ausgehandelten Europäischen Fiskalpakt in entscheidenden Punkten umschreiben.

Hoch gefährliche Mischung

Das bedeutet, derzeit blicken die Märkte nach Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland und sehen dort angesichts der wachsenden Ablehnung der Sparmaßnahmen das Potenzial für Generalstreiks und soziale Unruhen. Da ein solcher Ausblick kein Vertrauen hervorruft, stehen den europäischen Märkten bestenfalls zwei weitere Monate voller Turbulenzen und Unsicherheit bevor.

Wahrscheinlich dauert diese Periode noch viel länger. Die Probleme, die vergangene Woche erneut zutage traten, haben ihren tieferen, strukturellen Grund darin, dass die Einheitswährung den Ländern des Südens keine Möglichkeit lässt, ihre Wettbewerbsnachteile gegenüber den starken Kernländern durch Abwertung ihrer Landeswährung auszugleichen, so dass ihnen nur die Möglichkeit der „internen Abwertung“ bleibt: Sie können ihre Wettbewerbsfähigkeit nur steigern, indem sie Löhne, Renten und öffentliche Ausgaben drücken. Für diese drakonischen, zutiefst unpopulären Maßnahmen haben die Technokraten in Rom und Athen freilich kein Mandat. Die Sparmaßnahmen treiben Europa weiter in die Rezession und erschweren die Bewältigung der Schuldenkrise, anstatt sie zu erleichtern. Eine toxische und hochgefährliche Mischung.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Larry Elliott | The Guardian

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