Die republikanischen Kräfte, die sich loyal zu Alassane Ouattara, dem international anerkannten Gewinner der Wahlen vom November, verhalten, durchlaufen derzeit die letzte Phase des gewaltsamen Showdowns in der ivorischen Hauptstadt. Berichten zufolge soll Laurent Gbagbo kurz vor der Kapitulation stehen. Bisher machte der Ex-Präsident keinerlei Anstalten, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen: 1990 wurde der liberische Autokrat Samuel Doe von Rebellen in Monrovia gefangenen genommen und zu Tode gefoltert; ein Jahr später floh der somalische Machthaber Siad Barre ins Exil, als eine Rebellion Mogadischu erreichte. Auch der zairische Despot Mobutu Sese Seko trat 1997 die Flucht an, als sich Rebellen Kinshasa näherten.
Die Samen der ivorischen Krise wurden bereits während der autokratischen Herrschaft Félix Houphouet-Boignys zwischen 1960 und 1993 gesät. Auch wenn der gegenüber vielen Einwanderern eine progressive Politik verfolgte und in seiner Heimatstadt Yamoussoukro mit der so genannten Basilika im Busch die größte Kirche der Welt bauen ließ, so ging es doch mit der Wirtschaft des Landes seit den frühen achtziger Jahren bergab. Houphouets Erben – Henri Konan Bédié, General Robert Guei und eben Gbagbo – sattelten auf eine fremdenfeindliche Politik der „Ivoirité“ um, die Ivorer mit Eltern verschiedener Nationalitäten benachteiligte und unter anderem dazu führte, dass der frühere Premier Ouattara von den Präsidentschaftswahlen 1995 und 2000 ausgeschlossen wurde. Die hieraus resultierende Entfremdung der Ouattara zuneigenden Wahlkreise im Norden des Landes mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung wurde dadurch verstärkt, dass Gbagbo 200 vornehmlich aus dem Norden stammende Soldaten aus dem Armeedienst entließ. Diese Spannungen kulminierten 2002 in einem Putschversuch von überwiegend aus dem Norden stammenden Offizieren – sie führten darüber hinaus zur Entstehung der Forces Nouvelles, den Vorgängern der Republikanischen Kräfte.
Kein Marsch auf Abidjan
Frankreich, das auch nach der ivorischen Unabhängigkeit 1960 weiter eine Militärbasis in der Elfenbeinküste unterhielt, schickte 4.600 Soldaten zur Überwachung eines Waffenstillstands und finanzierte den Einsatz 1.200 weiterer vorwiegend französischsprachiger afrikanischer Soldaten. Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates spielte es dann auch eine Schlüsselrolle bei der Implementierung der heute etwa 9.000 Mann starken UN-Friedenstruppe, die es den Franzosen erlaubte, ihr eigenes Engagement auf 900 Soldaten zurückzufahren. Sechs Jahre lang gelang es den Blauhelmen, Regierungssoldaten und Rebellen auseinander zu halten, bis es nach der Wahl im Vorjahr erneut zu Konfrontationen kam. Obwohl Gbagbo Paris immer wieder beschuldigte, hinter neokolonialen „Komplotten“ zu stehen, haben die Franzosen alles ihnen Mögliche getan, um die Rebellen von einem Marsch auf Abidjan abzuhalten.
Es ist eher ungewöhnlich, dass die republikanischen Streitkräfte Ouattara zu seinem demokratischem Mandat verhelfen: In anderen afrikanischen Ländern wie Kenia (2007) und Simbabwe (2008) endeten gefälschte Urnengänge in unschönen „Zwangsheiraten“, bei denen die betrügerischen Machthaber – Mwai Kibaki beziehungsweise Robert Mugabe – im Amt blieben. Wenn es den republikanischen Kräften wirklich gelingen sollte, ihre Ziele durchzusetzen und Ouattara zu seinem demokratischen Mandat zu verhelfen, könnte dies grundlegende Auswirkungen auf Wahlen in anderen afrikanischen Ländern haben. Ouattara wird sich dabei als gnädiger Staatsmann erweisen müssen, der nationale Wunden heilt, indem er einige von Gbagbos Unterstützern und Politikern aus dem Süden mit in die Regierung holt und eine wirklich durch und durch integrierte und repräsentative Armee aufbaut.
Mit einer Stimme
Wie schon während des Völkermordes 1994 in Ruanda, in der Demokratischen Republik Kongo und dem Sudan sind die UN-Blauhelme auch in diesem Fall zu Recht kritisiert worden, nicht mehr zum Schutz der Zivilbevölkerung unternommen zu haben. Die Regierungen, die Soldaten für ein solches Friedenskorps zur Verfügung stellen, scheuen meist davor zurück, diese allzu großen Gefahren auszusetzen.
In der Elfenbeinküste werden inzwischen beiden Seiten Gräueltaten zur Last gelegt. Gbagbo und Ouattara müssen sich daher im Klaren darüber sein, dass sie beide für die Kriegsverbrechen ihrer Soldaten zur Rechenschaft gezogen werden. Auch an der Haltung des Ouattara unterstützenden Frankreich bestehen ernsthafte Zweifel: Dessen bisherige, von Eigeninteresse geleiteten Interventionen in Afrika und ein anhaltender Beistand für autokratische Herrscher in anderen Ländern lassen das Land eher in der Rolle des Fuchses erscheinen, der einen Hühnerstall bewacht.
Auch den Nachbarländern kommt eine wichtige Rolle bei der Sicherung des Friedens zu. Allein wegen der mehr als 100.000 ivorischen Flüchtlinge, die nach Liberia, Mali und Ghana strömen, gilt es, Opferzahlen, wie es sie durch die Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone gab, zu vermeiden. Dort starben seinerzeit 300.000 Menschen – eine Million wurden zu Flüchtlingen.
Die Afrikanische Union sollte nun mithelfen, ein sicheres Geleit für Gbagbo auszuhandeln und Ouattara dazu drängen, Unterstützer seines Rivalen an einer künftigen Regierung zu beteiligen. Nigeria, Südafrika und Angola müssen mit einer Stimme sprechen, um sicherzustellen, dass eine Vereinbarung Bestand hat. Während dieser Krise hat Nigeria eine kriegerische Anti-Gbagbo-Haltung eingenommen, die auch jetzt noch das Leben Tausender Nigerianer, die in der Elfenbeinküste leben, gefährden könnte. Angola hingegen soll Gbagbo mit Geld und 300 Soldaten unterstützt haben. Der angolanische Schwanz wedelte dabei anscheinend mit dem südafrikanischen Hund, bis man in Pretoria zwar spät, aber dann doch seinen moralischen Kompass wiederfand und Ouattaras Sieg anerkannte. Nur durch innere Aussöhnung, regionale Übereinkunft sowie externe Hilfe kann ein dauerhafter Frieden gesichert werden.
Adekeye Adebajo ist geschäftsführender Direktor des Zentrums für Konfliktlösung (Centre for Conflict Resolution, CCR) im südafrikanischen Kapstadt und Autor des Buches: Der Fluch von Berlin. Afrika nach dem Kalten Krieg
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.