Es ist Mittwoch und die 31-jährige Maria Nunes stochert in den von ihrem Mann gegrillten Sardinen herum und lacht über eine Bemerkung ihres Freundes Carlos, der ihr gegenüber am Tisch sitzt. Die Gruppe von Exilportugiesen ist in der Associação Portuguesa zu ihrem allwöchentlichen gemeinsamen Abendessen zusammengekommen und unterhält sich über Themen aus der Heimat. Alle acht sind in Portugal geboren und leben heute in Mosambik.
Das südafrikanische Land, bekannt für seine Garnelen-Currys, die sanften Strände am Indischen Ozean und die regionale Ausprägung des Jazz, erfährt gegenwärtig einen Schub an ausländischen Investitionen. Viele Ausländer kommen in das Land, seit im Norden der ehemaligen portugiesischen Kolonie Kohlevorkommen entdeckt wurden, die urbanen Zentren sich entwickeln, das Bauwesen boomt und Europa weiter in die ökonomische Krise abgleitet.
Die freischaffende Grafikdesignerin Maria und ihr Ehemann Ricardo sind 2006 nach Maputo gezogen und waren seitdem nur kurz in Angola, wo Ricardo als Tiefbauingenieur zu tun hatte. Die beiden lieben Maputo und sagen, sie hätten es zu ihrer Wahlheimat gemacht, weil es so portugiesisch sei. „Es kommen täglich jede Menge neue Leute hier an“, sagt Maria. „Noch vor vier Jahren war es hier völlig ruhig, aber vor zwei Jahren hat sich alles geändert. Jede Woche sehe ich neue Leute in den Restaurants und Clubs.“ Sie schüttelt den Kopf vor Erstaunen. „Meine Heimatstadt ist sehr klein und liegt am Ende der Welt, aber trotzdem sind bereits drei oder vier Leute von dort hier.“
Architekten und Ingenieure
Es gebe im Internet ein Forum von Tausenden in Mosambik lebenden Auslandsportugiesen und solchen, die die Übersiedlung planen. „Jeden Tag sucht jemand, der hierherkommen will, nach einem Job.“ In Maputo werde es zunehmend schwieriger, Arbeit zu finden. Ihr Freund Carlos Quadros, ein Umweltingenieur aus Lissabon, sagt: „In Portugal stehen die Dinge nicht so gut, das Land befindet sich in der Krise. Arbeit gibt es überhaupt keine. Und wenn man etwas bekommt, ist die Bezahlung mies. Und es wird noch schlimmer kommen.“ In Mosambik gebe es mehr Möglichkeiten, es hänge aber von der Branche ab. Auf Architekten, Ingenieure oder Leute mit anderen technischen Fähigkeiten warteten jede Menge Jobs.
In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der portugiesischen Einwanderer in Mosambik Generalkonsulin Graça Gonçalves Pereira zufolge um 30 bis 40 Prozent angestiegen. Da Portugiesen sich nicht bei der Botschaft anmelden müssen, fehlen konkrete Zahlen, es dürfte sich aber um mehrere Zehntausend Menschen handeln. „Es ist kein Wunder, dass jetzt mehr Leute hierherkommen, schließlich ist es ganz normal, dass man sich nach etwas Besserem umsieht. Portugiesen sind schon immer ausgewandert, das ist seit dem 16. Jahrhundert Tradition“, sagt sie.
Viele der Ankömmlinge hätten bereits unterschriebene Zeitverträge mit portugiesischen Firmen in der Tasche, die in Mosambik investiert haben. Die meisten würden nach Ablauf ihres Vertrages wieder gehen. Luis Carvalho stimmt dem zu. Er sitzt in seinem weißgetünchten Restaurant in der belebten Avenida Julius Nyerere. „Die neuen Portugiesen bleiben ein paar Monate hier, dann hauen sie wieder ab. Von 100, die kommen, sind 50 binnen drei Monaten schon wieder verschwunden.“ Sein Restaurant O’Porto bietet „Nouvelle Cuisine aus Portugal“ und bewirtet überwiegend reiche Mosambikaner und portugiesische Migranten.
Carvalho sagt, viele der neuen Einwanderer kämen mit unrealistischen Erwartungen an das, was sie in Mosambik erreichen können. Sie wollen gleich ganz oben anfangen und gut bezahlte Arbeitsplätze haben. „Einige finden Arbeit, andere geben auf. Manche können sich auch einfach nicht an die mosambikanische Art gewöhnen.“ Für Carvalho ist das Leben in Mosambik das, was man daraus macht: Er sieht es als eine große Chance. „In Portugal ist das anders, dort ist bereits alles erfunden. In Afrika hat man noch Möglichkeiten.“
Weine auf dem iPad
Nuna Pestana, der Besitzer des etwas traditionelleren familienbetriebenen Restaurante Taverna, das in der gleichen Straße liegt, sagt, er habe sich in das Land verliebt. „Die Sonne fühlt sich hier so an wie nirgendwo sonst. Das Tageslicht, die Leute...“ Trotz seiner Liebe zur neuen Heimat bewirtet Pestana in seinem Restaurant auch die, die Heimweh nach Europa haben.
Taverna ist ein bescheidenes Etablissement, dort stehen rustikale Holzbänke, und auf den Tischen liegen karierte Tischdecken. Trotzdem ist es eines der teuersten Restaurants der Stadt. Serviert wird traditionelle portugiesische Küche. Das Geschäft läuft nicht sonderlich gut. Nunas ausführliche Weinliste wird Stammkunden auf dem iPad präsentiert – das gibt es in Mosambik sonst nirgends. Von den 960 Weinen stammen 85 Prozent aus Portugal.
„Diese Woche kamen 15 Portugiesen zum Essen. Sie waren zu Besuch, um sich Mosambik anzusehen und die Geschäftsmöglichkeiten auszuloten“, sagt Pestana. In den vergangenen Monaten hätten mindestens zehn portugiesische Restaurants eröffnet.
In der Associação Portuguesa ist die Gruppe mittlerweile mit dem Essen fertig. Maria schüttelt den Kopf. „Das ist nicht mein Land“, sagt sie. „Ich liebe es, aber meine Familie ist weit weg.“ Sie lerne zwar mosambikanische Tänze, ihre Kleidung kaufe sie aber in Portugal. Zu Weihnachten würden sie jedes Jahr nach Hause fahren.
Maria und Ricardo sind frisch verheiratet und wollen europäische Pässe für ihre Kinder. „Vielleicht werden wir unser Leben in Mosambik verbringen, aber sterben werden wir als Portugiesen“, sagt Ricardo.
Nastasya Tay arbeitet als freie Reporterin und Produzentin im südlichen Afrika, unter anderem für AP, BBC und den Guardian
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