Lichtverschmutzung: Sterne könnten in 20 Jahren unsichtbar sein
Astronomie Der zunehmende Einsatz von Beleuchtungen aller Art mithilfe von LEDs führt zu einer dramatischen Aufhellung des Nachthimmels. Wissenschaftler vermuten, dass die meisten der großen Sternbilder in 20 Jahren nicht mehr zu erkennen sein werden
Am vergangenen Wochenende strahlte die Sonne über den Hügeln von Herefordshire. Der Sommer hatte Einzug gehalten und der Himmel war wolkenlos – Bedingungen, die einst rabenschwarze Nächte mit leuchtenden Sternen, Meteoriten und Planeten ankündigten.
Doch es sollte nicht sein. Der Nachthimmel war weniger schwarz als dunkelgrau, und nur eine Handvoll Sterne schimmerte vor diesem Hintergrund. Die Milchstraße, die einst über den Himmel glitzerte, war nicht zu sehen. Der Beginn des Sommers hatte wieder einmal einen Fluch der modernen Zeit offenbart: die Lichtverschmutzung.
Der zunehmende Einsatz von Leuchtdioden (LED) und anderen Beleuchtungsarten führt zu einer dramatischen Aufhellung des Nachthimmels, wie Wissenschaftler festgestellt haben. Der wahllose
en. Der wahllose Einsatz von Außenbeleuchtung, Straßenbeleuchtung, Werbung und beleuchteten Sporteinrichtungen blendet jetzt unsere Sicht auf die Sterne.Im Jahr 2016 berichteten Astronomen, dass die Milchstraße für ein Drittel der Menschheit nicht mehr sichtbar war, und die Lichtverschmutzung hat sich seither erheblich verschlimmert. Man schätzt, dass die meisten der großen Sternbilder in 20 Jahren nicht mehr zu erkennen sein werden. Der Verlust, sowohl kulturell als auch wissenschaftlich, wird gravierend sein.„Der Nachthimmel ist Teil unserer Umwelt, und es wäre ein großer Verlust, wenn die nächste Generation ihn nicht mehr zu sehen bekäme, genauso wie es wäre, wenn sie kein Vogelnest mehr sehen würde“, sagte Martin Rees, Astronomer Royal. „Man muss kein Astronom sein, um sich für dieses Thema zu interessieren. Ich bin kein Ornithologe, aber wenn es in meinem Garten keine Singvögel gäbe, würde ich mich verarmt fühlen.“Rees ist Mitbegründer der parteiübergreifenden parlamentarischen Gruppe für den dunklen Himmel, die kürzlich einen Bericht vorgelegt hat, in dem eine Reihe von Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung gefordert wird. Dazu gehören Vorschläge zur Ernennung eines Ministers für den dunklen Himmel, zur Einrichtung einer Kommission für den dunklen Himmel und zur Festlegung strenger Normen für die Dichte und Richtung der Beleuchtung.Die Einführung eines sorgfältig ausgewählten Pakets von Planungsvorschriften zur Kontrolle von aufdringlichem Licht – unterstützt durch rechtliche Handhabe und Strafen bei Nichteinhaltung – könnte einen großen Unterschied machen, betonte der Ausschuss. Die Alternative wäre, den nächtlichen Himmel zu verlieren, der „prangt mit Funken ohne Zahl“, um Shakespeares Julius Cäsar zu zitieren.Andere Farben gegen Lichtverschmutzung: Rot-orange statt blau-weißForschungen des Physikers Christopher Kyba vom Deutschen Zentrum für Geowissenschaften haben ergeben, dass die Lichtverschmutzung den Nachthimmel zuletzt um etwa zehn Prozent pro Jahr aufhellt, eine Zunahme, die dazu führen könnte, dass in einer Generation nur noch die hellsten Sterne zu sehen sind. Ein Kind, das an einem Ort geboren wird, an dem heute 250 Sterne nachts sichtbar sind, wird mit 18 Jahren nur noch etwa 100 sehen können.Der Blick auf einen Nachthimmel, der von einer glitzernden Milchstraße durchzogen ist, ist zu einer Pracht eines anderen Zeitalters geworden, so Kyba gegenüber dem Observer. „Vor ein paar Generationen wären die Menschen noch regelmäßig mit dieser glitzernden Vision des Kosmos konfrontiert worden – aber was früher universell war, ist heute extrem selten. Nur die reichsten und einige der ärmsten Menschen der Welt erleben das noch. Für alle anderen ist es mehr oder weniger verschwunden.“ Dennoch könnte die Einführung einer bescheidenen Anzahl von Änderungen an der Beleuchtung eine beträchtliche Verbesserung bewirken, argumentierte Kyba. Dazu würde gehören, dass die Außenbeleuchtung sorgfältig abgeschirmt wird, nach unten gerichtet ist, ihre Helligkeit begrenzt wird und sie nicht überwiegend blau-weiß ist, sondern rote und orangefarbene Anteile hat. „Solche Maßnahmen hätten eine enorme Wirkung“, fügte er hinzu.Das Problem ist, dass die Lichtverschmutzung von der Öffentlichkeit noch immer nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Professor Oscar Corcho von der Universidad Politécnica de Madrid hat es so formuliert: „Die negativen Folgen der Lichtverschmutzung sind in der Bevölkerung so unbekannt wie die des Rauchens in den 80er Jahren.“Lichtverschmutzung belastet Gesundheit von Mensch und TierDennoch besteht jetzt dringender Handlungsbedarf. Abgesehen von den astronomischen und kulturellen Auswirkungen hat die Lichtverschmutzung auch schwerwiegende ökologische Folgen. Meeresschildkröten und Zugvögel orientieren sich am Mondlicht. Die Lichtverschmutzung verwirrt sie und führt dazu, dass sie den Weg verlieren. Insekten, eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel und andere Tiere, werden von künstlichem Licht angezogen und sterben sofort, wenn sie mit der Lichtquelle in Berührung kommen.Die Argumente gegen Lichtverschmutzung gehen noch weiter. Die bläulichen Emissionen von LEDs enthalten fast kein rotes oder nahinfrarotes Licht, so Prof. Robert Fosbury vom Institut für Augenheilkunde am University College London (UCL). „Wir werden von rotem und infrarotem Licht ausgehungert, und das hat ernste Folgen“, sagte er. „Wenn rötliches Licht auf unseren Körper scheint, stimuliert es Mechanismen, die unter anderem hohe Zuckerspiegel im Blut abbauen oder die Melatoninproduktion ankurbeln. Seit der Einführung von Leuchtstoffröhren und später von LEDs ist dieser Teil des Spektrums aus dem künstlichen Licht verschwunden, und ich denke, dass dies eine Rolle bei der Welle von Fettleibigkeit und dem Anstieg der Diabetesfälle spielt, die wir heute beobachten.“Die UCL-Forscher bereiten sich darauf vor, zusätzliche Infrarotlampen in Krankenhäusern und Intensivstationen zu installieren, um zu sehen, ob sie sich auf die Genesung von Patienten auswirken, die sonst kein Licht aus diesem Teil des Spektrums erhalten würden.„Es wird eine große Anstrengung nötig sein, um das Gesicht des Planeten zu verändern und LEDs zu einer freundlicheren Beleuchtung zu machen“, so Fosbury. Es wird eine große Aufgabe sein, aber wir müssen es tun, weil es eine sehr schädliche Wirkung auf die menschliche Gesundheit hat“.
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