Liebe so ein Leiden

Sadomasochismus Nervtötend erzählt Angelina Jolie in „Unbroken“, wie Louis Zamperini sein Martyrium überlebte
Ausgabe 03/2015

Er war der blutjunge Langstreckenläufer, der für das US-Olympiateam bei den Hitler-Spielen 1936 in Berlin glänzte, im Zweiten Weltkrieg als Flieger einen Absturz überlebte, wochenlang in einem Rettungsboot auf dem Pazifik trieb und dann dem sadistischen Kommandanten eines japanischen Kriegsgefangenenlagers in die Hände fiel.

Davon erzählt Angelina Jolie in Unbroken ohne so überflüssigen Schnickschnack wie Charakterzeichnung oder Tempowechsel. Tatsächlich ging Lou Zamperinis Geschichte nach dem Krieg noch weiter. Er suchte seine Peiniger auf, um Frieden mit ihnen zu schließen, doch dieser ebenso bemerkenswerte zweite Akt seiner Biografie wird nur im Abspann erwähnt – unter den Fotos der realen Personen, die wie üblich weit weniger attraktiv waren als ihre Darsteller.

Regisseurin Jolie setzt allein auf permanente und dabei seltsam undifferenzierte Action, auf Gut gegen Böse, auf stumpfsinnig ausgedehnte Quälereiszenen und auf eine Palette wohlbekannter Kriegsfilmmomente, in denen vor allem die hohlwangige Schönheit des Helden zur Geltung kommt.

Licht und Schatten interessieren Jolie nicht besonders, auf schauspielerische Nuancen oder unvorhersehbare Figurenentwicklung legt sie keinen Wert. Unbroken ist schlicht zusammengezimmert, und entsprechend unerschütterlich gibt der britische Shootingstar Jack O’Connell den Zamperini. So wirkt das Ganze wie die Eposvariante einer Kopf-hoch-Postkarte, es fallen Sätze wie „Halt durch, dann kommst du durch“, und pedantisch werden Zamperinis Qualen im Krieg mit Misshandlungen verbunden, die er in seiner Jugend zu erdulden hatte.

Zu Beginn des Films ist Louis ein Teenager in Bedrängnis, der seine läuferischen Fähigkeiten entdeckt, als er vor der Polizei wegrennen muss. Als Athlet kriegt er die Kurve, wobei ihm sein nobler älterer Bruder das nötige Selbstvertrauen beibringt: „Ich bin nichts, lass mich doch.“ – „Du musst nur an dich glauben!“ – „Ich glaube nicht an mich.“ – „Aber ich!“ Und so weiter. Schon bald saust Louis durchs Olympiastadion, und seine Trainer sind Typen mit Strohhüten, wohl inspiriert von Ian Holm als Sam Mussabini in Die Stunde des Siegers von 1981.

Im Ernst. Ohne Witz

Diese glorreichen Momente werden in Rückblenden von Lous Kriegseinsatz als Kampfflieger aus erzählt, der seinerseits damit endet, dass er und ein paar Kameraden ewig in einem Boot auf dem offenen Meer dümpeln. Es folgt der Horror des Kriegsgefangenenlagers, in dem Lou sich weigert, in einem grottigen Propagandaradioprogramm zu behaupten, er werde gut behandelt. Seine unbeugsame Redlichkeit ruft den höhnischen Lagertyrannen auf den Plan. Er lässt Lou eine sadistische Sonderbehandlung angedeihen.

Diese Szenen erinnern stark an Die Brücke am Kwai (1957), und auch Clint Eastwoods Kriegsdiptychon Flags of Our Fathers/Letters from Iwo Jima (2006) hat Spuren hinterlassen. Bizarrerweise stammt das Drehbuch zu Unbroken von den Coen-Brüdern. Sie müssen das Honorar eingestrichen und ihre Autorenpersönlichkeiten verleugnet haben. Unbroken sieht so aus, als hätten Zucker, Abrahams & Zucker, die Schöpfer so sagenhafter Persiflagen wie Airplane! Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug, es mal mit einem bierernsten Film versucht – die gleichen klischeehaften Momente, bloß ohne die Gags. In Airplane! standen die Passagiere Schlange, um eine hysterische Frau zu ohrfeigen; in Unbroken werden die Kriegsgefangenen gezwungen, Louis ins Gesicht zu schlagen. Kein Scherz.

Mit ihrem in Bosnien angesiedelten Regiedebüt Liebe in Zeiten des Krieges verschaffte sich Angelina Jolie vor drei Jahren einigen Respekt. Unbroken ist dagegen anspruchslos, ohne Reiz und uninteressant.

Peter Bradshaw ist der Filmkritiker des Guardian
Übersetzung: Michael Ebmeyer

Unbroken Angelina Jolie USA 2014, 137 Min.

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Geschrieben von

Peter Bradshaw | The Guardian

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