Feminismus Giorgia Meloni in Italien, Liz Truss in Großbritannien: Jeder Wahlerfolg einer Frau ist ein Fortschritt, glaubt Hillary Clinton. Hat sie recht?
Auch eine „Destiny’s-Child-Feministin“? Giorgia Meloni
Foto: Antonio Masiello/Getty Images
Was waren das für schöne Wochen für den Feminismus! Erst wurde Liz Truss die dritte weibliche Premierministerin Großbritanniens, und jetzt soll Giorgia Meloni die erste weibliche Premierministerin Italiens werden. Erstere ist eine zutiefst unseriöse Person, die früher vor allem durch eine virale Wutrede über Käse bekannt wurde, bevor sie weltweite Anerkennung erlangte, weil sie dazu beitrug, die britische Wirtschaft in Rekordzeit zum Absturz zu bringen. Letztere ist die am weitesten rechts stehende italienische Regierungschefin seit 1945: eine Fanatikerin mit einer Geschichte von homophoben, einwanderungs- und wahlfeindlichen Ansichten, die eine postfaschistische Partei vertritt und sich nicht endgültig vom Faschismus distanziert hat.
Es geht nic
s geht nicht um ihre Politik oder ihren moralischen Kompass: Das Wichtigste an Truss und Meloni ist, dass sie Frauen sind. Ob es einem gefällt oder nicht, Repräsentation ist wichtig: Man kann nicht sein, was man nicht sehen kann. Kleine Mädchen können endlich in der Gewissheit aufwachsen, dass sie das Zeug dazu haben, den Pfundkurs auf ein Rekordtief zu drücken. Sie können nachts mit dem Wissen schlafen gehen, dass Autoritarismus nicht nur etwas für Jungs ist. Das ist doch ein Fortschritt und muss gefeiert werden, oder?Hillary Clinton scheint das so zu sehen. „Jedes Mal, wenn eine Frau an die Spitze eines Staates oder einer Regierung gewählt wird, ist das ein Fortschritt“, sagte Clinton diesen Monat einem italienischen Reporter in Bezug auf Meloni – über die sie, zugegebenermaßen, nicht viel wusste. Sie fügte einen kurzen Vorbehalt hinzu: „Dann muss diese Frau, wie ein Mann, danach beurteilt werden, wofür sie steht und was sie tut.“ Vermutlich hat Clinton Meloni nach diesem Interview gegoogelt, um zu sehen, wofür sie steht, und diese Äußerungen bereut.Identitätspolitik von rechtsIch würde gerne mehr Frauen in einflussreichen Positionen sehen, aber Repräsentation hat ihre Grenzen: Nur weil man eine Vagina und eine schicke Berufsbezeichnung hat, ist man noch lange kein feministisches Vorbild. Obwohl das natürlich davon abhängt, wie man „feministisch“ definiert. Truss hat gesagt, sie würde sich als „Destiny’s-Child-Feministin“ bezeichnen.Was sie meint, so stellte sie klar, ist, dass Frauen als „Individuen mit eigenen Fähigkeiten“ behandelt werden sollten, die vom Staat „ermächtigt“ werden, ihr Potenzial auszuschöpfen. Das klingt nach einer anderen Umschreibung für eigennützige Karrieristinnen.Es wäre schön zu glauben, dass jedes Mal, wenn eine Frau an die Spitze eines Staates oder einer Regierung gewählt wird, dies, wie Clinton meinte, einen Schritt nach vorn bedeutet. Leider ist der einzige Fortschritt auf der rechten Seite zu verzeichnen: Die Konservativen haben entdeckt, dass Frauen (insbesondere Mütter) und Minderheiten nützliche Aushängeschilder und Botschafterinnen sein können. Sie helfen dabei, autoritäre Agenden abzumildern und von Vorwürfen der Frauenfeindlichkeit, des Rassismus und der Homophobie abzulenken.Zahlreiche rechte Kommentatoren haben Liberalen vorgeworfen, sexistisch zu sein, weil sie Melonis Erfolg nicht beklatschen. Der konservative australische Sky-News-Moderator Chris Kenny wetterte, dass die „Feministinnen Australiens“ Melonis politischen Erfolg nicht „bejubeln“, weil sie „mehr linke Frauen in der Politik wollen; Frauen auf der rechten Seite scheinen für sie einfach nicht zu zählen“. Seltsam auch, dass Feministinnen sich mehr Frauen in der Politik wünschen, die für ihre Rechte eintreten, anstatt zu versuchen, sie loszuwerden, oder?Die Rechten beschweren sich gerne über Identitätspolitik, aber sie sind die wahren Meister darin. Wenn man einer Minderheit angehört oder eine Frau ist und das einzige Anliegen darin besteht, in der Politik voranzukommen, scheint es langsam so, als sei man besser dran, wenn man sich zynisch an die Rechte anhängt als an die Linke. Schließlich ist es viel einfacher, als Frau in die Politik zu gehen, wenn man sich darauf konzentriert, dass Frauen weniger Rechte haben sollten.Wetten, dass eine Frau, sollte sie jemals Präsidentin der USA werden, eher Republikanerin als Demokratin sein wird? Wenn der Faschismus nach Amerika kommt, so sagt der Volksmund, wird er in eine Flagge gehüllt sein und ein Kreuz tragen. So wie die Dinge laufen, fragt frau sich letztendlich, ob er in ein #girlboss-T-Shirt gehüllt sein wird und eine Handtasche trägt.Placeholder infobox-1