Wie ein tosender Strudel, der von entgegengesetzten Strömungen aufgewühlt wird, nimmt die Krise am Golf fast täglich an Intensität und destruktiver Kraft zu. Am Sonntag erklärte Donald Trump, die USA seien „locked and loaded“, bereit, auf die Angriffe auf die saudische Öl-Raffinerie zu reagieren, in die seiner Meinung nach der Iran involviert war. Doch Warnglocken, wie die, die auf See bei Nebel vor gefährlichen Felsen warnen, ertönen schon seit Monaten – und wurden weitgehend ignoriert. Nun wird die Rechnung für diese politische Unbekümmertheit fällig, die in Menschenleben und Petrodollars zu begleichen ist.
Es ist einfach und bequem, die Schuld allein beim Iran zu suchen, wie amerikanische und britische Vertreter dies für gewöhnlich ohne schlüssige Belege zu tun pflegen. Dabei sind es vielmehr wiederholte Fehleinschätzungen des Westens und der Regionalmächte, die uns unaufhaltsam in diesen Strudel hineingezogen haben.
Wie kann eine Katastrophe verhindert werden? Wer kann verhindern, dass es zu einem größeren Krieg kommt, der schnell Staaten der Region wie Israel und Saudi-Arabien erfassen und US-amerikanische, britische und vielleicht sogar russische Streitkräfte miteinbeziehen könnte? Hinweise lassen sich in den Fehlern finden, die an diesen Punkt geführt haben. Antworten, wenn sie existieren, wird nur eine besonnene Staatskunst liefern können, wie sie bislang noch nirgends zu sehen war.
Ein dummer Fehler
Das bringt uns als erstes zu Trump und dem Iran. Das Regime in Teheran gilt in den USA seit der Islamischen Revolution von 1979 als Bedrohung. Aber Trump war es, mit seiner unübertroffenen Fähigkeit, schlechte Situationen noch schlechter zu machen, der am achten Mai des vergangenen Jahres das Atomabkommen mit Iran aufkündigte bzw. die Aussetzung von Wirtschaftssanktionen nicht verlängerte und damit die gegenwärtige Krise herbeiführte. Seine Feindseligkeit hat die iranische Bevölkerung getroffen – nicht aber dessen Regime.
Trump zog den Rat seines mittlerweile in Ungnade gefallenen nationalen Sicherheitsberaters John Bolton den Bitten von Angela Merkel und Emmanuel Macron vor, und beging damit einen dummen Fehler. Auch seinem Kumpel Boris Johnson, der damals noch britischer Außenminister war, setzte er eine Galgenfrist. Dieser flog dann noch in letzter Minute nach Washington. An diesem Tag begann ein verheerender Konflikt mit Europa über Iran.
Irans reizbare und zersplitterte Führung sammelte sich, geeint durch Trump. Nun wird der Kampf von militärischen und religiösen Hardlinern geführt – ein Kampf, bei dem es aus ihrer Sicht gegen einen durch die USA herbeigeführten Regimewechsel geht – gegen ihre Feinde, in erster Linie die Saudis und Israelis.
Alte geopolitische Bruchlinien
Alte geopolitische Bruchlinien wurden fahrlässig vertieft und angeheizt. Jeder vernünftige politische Ansatz würde sich um einen Ausgleich der regionalen Ansprüche zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitischen Saudis bemühen. Doch der Westen – der seit Jahrzehnten die Augen vor gnadenloser Autokratie, legalisiertem Frauenhass und religiöser Bigotterie verschließt – hat Riad und seinem verderblichen Reichtum unaufhörlich umworben.
Auch hier sprang Trump erneut ein, um für Schockmomente zu sorgen. Er begnügte sich nicht damit, die Allianz mit den Saudis während seines ersten Staatsbesuchs zu festigen, sondern machte Kronprinz Mohammed bin Salman gleich zu seinem neuen besten Freund. Als der in Ungnade gefallene Journalist Jamal Khashoggi von saudischen Agenten ermordet wurde, gab Trump seinen Verteidiger. Er versucht sogar, Salman Atomtechnik zu verkaufen. Was würden Sie denken, wenn Sie an der Stelle der Iraner wären?
Das Versagen der US-amerikanischen und britischen Staatschefs, unter anderen, Salmans katastrophalen Krieg im Jemen zu stoppen, markierte eine weitere Stufe in dieser Abwärtsspirale. Sie ignorieren Kriegsverbrechen sowie die den UN zufolge schlimmste humanitäre Katastrophe und versorgen Riad weiter mit Waffen, Ratschlägen und diplomatischer Rückendeckung.
Als der Bürgerkrieg im Jemen 2015 begann, gab es kaum Belege für eine aktive militärische Unterstützung der Houthi-Rebellen durch den Iran. Nun allerdings, als opportunistische Reaktion auf die Zermürbung durch die USA, liefern Teherans Revolutionsgarden anscheinend – direkt oder indirekt – die Drohnen, Raketen und Haftminen, mit denen saudische Ölfelder, Flugplätze und Tankschiffe angegriffen werden.
Was für ein Ergebnis. Was, wenn wir US-Chefdiplomat Mike Pompeo zu diesem bemerkenswerten Eigentor befragen könnten: Hey, Mike, wie machen Sie aus einer Meinungsverschiedenheit einen Krieg? Seine Antwort: Man stößt und drängt seinen Gegner einfach in eine Ecke, aus der er nicht mehr entkommen kann. Was dachten Trump, Bolton und CIA-Direktorin Gina Haspel würde passieren, wenn die USA das Anreicherungsabkommen aufkündigen? Was passiert ist: Der Iran nimmt genau diejenigen Aktivitäten wieder auf, vor denen sie solche Angst hatten.
Gefahr eines allgemeinen Großbrandes
Oder hier eine Frage an einen weiteren wohlbekannten internationalen Staatsmann: Israels Premier, Benjamin Netanjahu. Versucht der Iran bereits, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen, wie Sie behaupten – oder garantiert Ihre Taktik der Druckausübung mehr oder weniger, dass er dies tun wird? Wenn er es tut, dann haben wir dies mit Sicherheit zu großen Teilen Ihrem endlosen Säbelrasseln zu verdanken. Wie macht das Israel sicherer?
Diese Gefahr eines allgemeinen Großbrandes, die entweder absichtlich oder durch schiere Unfähigkeit herbeigeführt wurde, überschattet nun die gesamte Region. Im Namen der Abwehr des Iran führt Israel fast täglich verdeckte Militäroperationen gegen Teherans Verbündete im Libanon, im Irak und in Syrien durch – wo beschämenderweise noch immer ein Bürgerkrieg tobt.
Es wird noch schlimmer. Berichte aus Kuweit besagen, die Drohnen, die die saudische Raffinerie beschossen, hätten das Land überflogen, was darauf hindeutet, dass sie von Stützpunkten schiitischer Milizen im Irak kamen. In diesem sich entwickelnden Regionalkrieg stehen Israel und die Saudis im Grunde genommen auf derselben Seite. Die irakische Regierung möchte eigentlich nichts mit der Sache zu tun haben, aber dank des Vakuums, das die Amerikaner nach der Besatzung von 2003 bis 2011 hinterlassen haben, übt Teheran in Bagdad erheblichen Einfluss aus.
Das allerletzte, was die Iraker wollen, ist, dass die Amerikaner zurückkommen und ihr Territorium für eine größere iranische Belagerung benutzen. Doch genau das hat Trump im vergangenen Jahr vorgeschlagen, und dieses Szenario kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. So ergreift die Vernunft die Flucht und der Mahlstrom baut sich immer weiter auf. Was jetzt dringend gebraucht wird, sind kompetente Regierungschefs, die wissen, wie man einen Sturm beruhigt, bevor alle in ihn hineingezogen werden.
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