Lüstling mit Stil

John F. Kennedy Zum Glück gab es 1953 noch keine Handys. Als Schrift-Charmeur hatte JFK nämlich durchaus Niveau, wie die jetzt veröffentlichten Briefe an eine schwedische Geliebte zeigen

John F. Kennedy war selbstredend ein Lüstling allerersten Ranges und nicht weniger sexbesessen als Tiger Woods, Ashley Cole oder jeder x-beliebige prominente Widerling von heute. Aber im Vergleich mit den plumpen Avancen dieser Sportler kommen einem Kennedys Eroberungsfeldzüge sittsam, beflissen, ja beinahe romantisch vor. Seine waghalsigste Affäre war sicherlich die mit Judith Campbell Exner, der Mafiabraut, deren Bekanntschaft er durch Frank Sinatra machte; doch selbst ihr gegenüber verhielt er sich galant. Sie schrieb in ihrer Autobiografie, er habe ihr bei ihrem Treffen zugehört, „als sei jeder Nerv und jeder Muskel in seinem Körper in Aufmerksamkeit versetzt. Jack Kennedy war der beste Zuhörer der Welt.“ Selbst als sie sich später einmal wiedersahen, so Campbell Exner, habe er ein beinahe unersättliches Interesse an ihrer Person gezeigt.

In den jüngst veröffentlichten Briefen an eine 15 Jahre jüngere Schwedin, die er 1953 im Urlaub in Südfrankreich kennengelernt hatte, erweist er sich als ähnlich ergeben. Der damals 36-jährige Senator von Massachusetts war von der wunderschönen Gunilla von Post so hingerissen, dass er sie nach seiner Rückkehr in die Staaten aufspürte und ihr fortan Briefe nach Schweden schickte. Von Post, die heute 78 Jahre alt ist, hat elf dieser Briefe in den USA nun bei einer Auktion zum Verkauf angeboten. In einem der Briefe schreibt er, er werde von ihrem „schönen, beherrschten“ Gesicht heimgesucht. In einem anderen schreibt er „meine Pläne sind auch deine Pläne“ und nur einmal ist er kühn genug ihr vorzuschlagen, er könne „an Bord eines Bootes gehen und mit ihr als Crew zwei Wochen durch das Mittelmeer segeln“.

Eine SMS klingt nur selten romantisch

Woods und Cole hingegen bombardierten ihre Affären mit „Sex-SMS“, die keine Zweifel daran ließen, dass es ihnen allein um die sexuelle Befriedigung ging. In den SMS, die Tiger Woods an Jaimee Grubbs, eine seiner vielen Geliebten, schrieb, vereinbarte er entweder ein heimliches Stelldichein oder er verlangte nach Nacktfotos von ihr. Ashley Coles SMS, glaubt man zwei Frauen, mit denen er gelegentlich seine Frau betrog, sollen noch obszöner gewesen sein. Sie sollen Nahaufnahmen gewisser Körperteile des Fußballers enthalten haben, mit der Bitte um ähnlich intime Fotos der Frauen.

Weder Woods noch Cole hielten es für nötig, auch nur zu heucheln, es interessiere sie an den Frauen irgendetwas anderes als deren Sex-Appeal. Obwohl Kennedy nur einen Monat, bevor er Jacqueline Bouvier heiratete, damit begann, um von Post zu werben, und obwohl er auch nach der Hochzeit schändlicherweise damit fortfuhr, war er doch nicht so verdorben wie diese prominenten Sportler. Selbst als „Verteidiger der freien Welt“ erdreistete er sich nicht, eine derart monströse Arroganz an den Tag zu legen.

Nicht zuletzt ist wohl auch das Mobiltelefon mit schuld daran, dass heutzutage auf so grauenvolle Art gebalzt wird. Ein handgeschriebener Brief klingt selten tölpelhaft, und ebenso selten kommt es vor, dass eine SMS romantisch klingt. Briefe sind dazu da, dass man sie aufbewahrt und immer wieder liest. Bei SMS geht es darum, so schnell wie möglich auf den Punkt zu kommen. Doch ein paar Leute, die davon ausgingen, dass eine SMS so schnell gelöscht wird wie sie geschrieben wurde, mussten nun die schmerzhafte Erfahrung machen, dass dem nicht immer so ist.

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Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Alexander Chancellor | The Guardian

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