Als al-Jazeera und andere arabische Satelliten-Programme 1996 auf Sendung gingen, begannen die arabischen Nachrichtendienste umgehend damit, eine Atmosphäre des Zweifels um uns herum zu schaffen. Unter anderem verbreiteten sie das Gerücht, al-Jazeera sei von einem Offizier des Mossad, des israelischen Geheimdienstes, gegründet worden. Der Mann wohne im Sheraton-Hotel in Doha. Ganz offensichtlich hatten die Regimes zu viel Angst, um uns mit Tatsachen anzugreifen.
In den vergangenen Jahren haben arabische Administrationen damit begonnen, sich neuer Techniken zu bedienen und uns die Akkreditierung zu verweigern, so dass wir nicht mehr aus ihren Ländern berichten konnten. Das Regime in Tunis hat uns nie erlaubt, von tunesischem Boden aus zu berichten, und nahezu alle arabischen Länder, in denen es zu Unruhen und Aufständen kam, taten es ihm nach. Manchmal haben die Machthaber versucht, dies als Frage der nationalen Sicherheit zu verkaufen.
Al-Jazeera wurde behandelt wie eine Bedrohung, der man mit den stärksten Maßnahmen begegnen muss: Während der vergangenen Monate wurden in Ägypten, Libyen, dem Jemen, Jordanien und Syrien unsere Kameras konfisziert und unsere Reporter eingesperrt oder angegriffen. Einer unser Kameramänner kam in Libyen beim Beschuss durch Regierungstruppen ums Leben. Viele arabische Regimes blockierten die Übertragung unseres Programms. Als die ägyptische Revolution ihren Zenit erreichte, war Al-Jazeera in der gesamten Region für ein paar Stunden nicht zu empfangen.
Von Menschen für Menschen
Wäre dies alles 2007 geschehen, hätte die arabische Öffentlichkeit vielleicht nie davon erfahren. Aber die im Niedergang begriffenen Regimes verstanden nicht, dass man die Wahrheit durch das Zzurückhalten von Informationen und die Gängelung von Journalisten nicht länger unterdrücken kann. Sie haben nicht begriffen, dass im Zeitalter von Mobiltelefonen, integrierten Kameras und einem Hochgeschwindigkeitsinternet eine neue mediale Form geboren ist: Medien von Menschen für Menschen. Interaktive, Twitter und Facebook-Medien oder wie immer man sie nennen will: Sie versetzen die Menschen in die Lage, sich der Kontrolle des Staates zu entziehen und selbst die Stimme zu erheben.
Dieser außergewöhnliche Wandel, dieser historische Augenblick, ging an den altersschwachen Regimes komplett vorbei. Sie hatten gedacht, sie hätten es mit einer Bande von Kindern zu tun, die sich nur etwas abreagieren müssten, um dann wieder in ihr0 zielloses Leben zurückzukehren. Manchmal kann Unwissenheit eine schicksalshafte Rolle spielen.
Dieser historische Moment machte den Aufstieg von al-Jazeera möglich. Als die tunesische Revolution ausbrach, hatten wir dort keine Reporter und Kameramänner. Aber wir konnten auf ein Instrument zurückgreifen, das die Behörden nicht kontrollieren konnten: aktive junge Leute, die live von den Plätzen berichteten, Videos und Rufe nach Freiheit versendeten. Diese Berichterstattung durch die Bevölkerung hätte diese entscheidende Rolle nicht von sich zu spielen vermocht, aber indem sich die Menschen mit ihren Beiträgen an uns wandten, konnten wir diese Millionen Menschen erreichen.
Falsch deklariert
Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten. Wir versuchen, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die wir kennen. Doch in jüngster Zeit wurden unsere Telefonkontakte in Libyen und Syrien von den Geheimdiensten gekapert. Sie versuchten, uns Lügen zu verkaufen, um unsere Glaubwürdigkeit zu treffen. Danach wurden wir von den staatlichen Medien beider Länder angegriffen und des Betrugs bezichtigt. Einmal behauptete jemand, er sei von der jemenitischen Opposition, und es stellte sich heraus, dass es sich um den Medienreferenten des Präsidenten handelte. Und natürlich sind unter all den Leuten, die wir kontaktieren, immer einige dabei, die vielleicht unprofessionell sind und zu Übertreibungen neigen. Unsere Journalisten versuchen dieses Problem zu lösen, indem sie zwar alle möglichen Information aufnehmen, aber versuchen, sie mithilfe andere Quellen zu verifizieren.
Wenn wir Video-Material erhalten, müssen wir sicher sein, dass es aktuell ist. Viele Bürger, die sich auf Demonstrationen befinden, filmen jetzt zuerst eine aktuelle Tageszeitung oder ein Plakat, auf dem das aktuelle Datum zu sehen ist. Die einzigen Bilder, die wir falsch deklariert haben, waren Folterszenen aus einem Gefängnis, von dem uns gesagt worden war, es befinde sich im Jemen, dabei stammten die Bilder aus dem Irak. Wir entschuldigten uns umgehend bei unseren Zuschauern.
So sind die Menschen in der heutigen revolutionären Atmosphäre, in der so viel auf dem Spiel steht, unser größtes Kapital. Wir haben unsere Follower auf Twitter und Facebook, und wir haben die Menschen auf unserer Seite: Menschen, die demonstriert haben und ihr Leben auf’s Spiel setzten, um uns Bilder und Videos zukommen zu lassen. Wir können sie nicht im Stich lassen und erlauben, dass sich ihre glorreichen Revolutionen in ein Werkzeug von Diktatoren und Mördern verwandeln
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.