In Russland sind Frauenrechtsaktivistinnen empört über einen Gesetzesentwurf, der im Fall der Verabschiedung häusliche Gewalt entkriminalisieren würde. „Maßvolle“ Gewalt in der Familie wäre dann keine Straftat mehr, die mit einer Haftstrafe geahndet wird, sondern würde zur Ordnungswidrigkeit erklärt, für die nur ein Bußgeld vorgesehen ist. Die Initiatoren begründen den Entwurf mit der Überzeugung, er entspreche den „traditionellen Werten“ des Landes und verhindere, dass der Staat sich über Gebühr in Familienangelegenheiten einmische.
Aktivistinnen halten dem entgegen, ein solches Gesetz würde besonders verletzliche Familienmitglieder ihres rechtlichen Schutzes berauben und Gewalt in der Familie zum Normalfall erklären. Der Entwurf stammt von der ultrakonservativen Abgeordneten Jelena Misulina, die auch schon hinter dem umstrittenen Gesetz zum Verbot „homosexueller Propaganda“ stand. In der Duma erklärte sie, in „traditionellen russischen Familien“ basiere „das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern auf Autorität“. Es sei lächerlich, jeden „Klaps“ für kriminell zu erklären.
Das Unterhaus billigte den Entwurf in dieser Woche in zweiter Lesung. Er muss drei Lesungen passieren, bevor er in das Oberhaus kommt und dann vom Präsidenten unterzeichnet werden muss. Als Wladimir Putin im Dezember auf das Vorhaben angesprochen wurde, sagte er, es sei besser, keine Gewalt anzuwenden. Der Unterschied zwischen einem Klaps und einem Schlag sei „zu gering“. Er sagte aber auch, dass es unzulässig sei, „ohne Not in Familienangelegenheiten einzugreifen“. Der Gesetzeszusatz würde jede Gewalt legalisieren, die keinen ernsthaften medizinischen Schaden verursacht.
Schätzungen zufolge sterben in Russland jährlich 10.000 Frauen an den Verletzungen, die ihnen ihre Ehemänner zugefügt haben. Aktivistinnen werfen der Polizei vor, die Fälle oft nicht ernst zu nehmen. Die Einstellung ändert sich zwar langsam, aber viele tun das Thema immer noch ab und zitieren das russische Sprichwort „Wenn er dich schlägt, liebt er dich“.
Die Frauenrechtsaktivistin Alena Popowa, die den Widerstand gegen das Gesetz koordiniert, sagt, die geplante Änderung untermauere die Botschaft, Gewalt in der Familie sei akzeptabel. Das werde dazu führen, dass sie zunehme.
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