Milk it like Beckham

Transfertaktik Anstoß später: Warum Cristiano Ronaldo in Manchester sein kommerzielles Potential nicht abrufen konnte und was sich die Unterhaltungsmarke Real Madrid von ihm verspricht

Dass Cristiano Ronaldo Old Trafford verlassen will, hat laut Berichten aus der Wirtschaft nicht zuletzt mit seinem Frust über die Weigerung Sir Alex Fergusons zu tun, die Spieler von Manchester United zur Ausbeutung ihres kommerziellen Potentials zu motivieren. Das lässt an David Beckham denken, dessen Entscheidung, 2003 zu Real Madrid zu gehen, von Fergusons Ansicht beeinflusst war, sein Profil außerhalb des Spielfeldes lenke die Aufmerksamkeit zu sehr von der Mannschaft ab.

Am Samstagabend gestand Ferguson ein, dass er einen aussichtslosen Kampf gekämpft habe, um Ronaldo vor den Fängen Reals zu bewahren. „Er wollte weg, so einfach ist das. Es war klar, dass er früher oder später gehen würde. Wir können froh sein, dass wir ihn so lange halten konnten.“

Mary-Ellen Field, eine führende Expertin für Verkaufs- und Lizenzrecht sagte gegenüber Observer Sport, dass Ronaldos 93 Millionen-Euro-Transfer ihm eine unglaubliche Fülle kommerzieller Möglichkeiten eröffnen werde, die ihm vorher versperrt waren. Im Laufe der kommenden zehn Jahre könne er „mindestens 95,5 Millionen“ durch Werbeverträge verdienen. „An Fergusons Einstellung, die private Vermarktung lenke den Spieler vom Spiel ab, ist schon etwas dran. Aber die Spieler verpflichten sich in den Verträgen mit den Werbeträgern meist nur zu einer Jahresarbeitszeit von maximal 20 Tagen. Wenn man eine Marke aufbaut, egal ob das eine Person ist oder ein Produkt, dann steigt ihr Wert mit der Menge an positiver Aufmerksamkeit, die diese Marke erhält. Es wäre sowohl für den Verein als auch für den Spieler gut gewesen, so viel positive Aufmerksamkeit zu bekommen wie möglich.“

Ein Duft namens Ronaldo

2002 unterschieb United einen auf 13 Jahre angelegten Vertrag mit Nike über 337 Millionen Euro, der dem Unternehmen gestattet, das gesamte, weltweite Lizenz- und Einzelhandelsgeschäft des Vereins zu kontrollieren. Field ist der Ansicht, dass es für beide Seiten von Vorteil gewesen wäre, wenn Ronaldo beispielsweise sein eigenes Parfum hätte entwickeln können. Für David Beckham war sein Basic Instinct äußerst lukrativ. Obwohl Ronaldo aber sowohl der Weltfußballer als auch Europas Fußballer des Jahres ist, besitzt er im Augenblick lediglich einen Vertrag mit Castrol. Beckham hingegen arbeitet mit Armani und Adidas zusammen. „Die Sache hat keinen Haken. Der Spieler freut sich über seine Verträge und der Verein kann die Produkte verkaufen und für sich einen Teil des Kuchens abschneiden – die Verkäufe im Internet sind gewaltig“, sagt Field.

Wenn man Ronaldos gegenwärtigen kommerziellen Wert von 20 Millionen Euro zu seinem Grundgehalt bei Madrid hinzurechnet – ein Fünf-Jahres-Vertrag, der ihm mindestens 50 Millionen Euro einbringen sollte – könnte er mit dem richtigen Management 200 Millionen zusammenbekommen, bis er 34 und somit so alt ist wie Beckham heute. Beckham ist gegenwärtig etwas über 140 Millionen wert.

Real Madrid ist mehr eine Unterhaltungsmarke als ein Fußballverein

Simon Chadwick, Professor für Strategien und Marketing im Sport-Geschäft an der Coventry University: „Bei United legt man, angetrieben durch Ferguson, mehr Wert auf die Leistung des Spielers auf dem Platz. Die Leute, mit denen ich bei Real regelmäßig spreche, sehen in Madrid viel mehr eine Unterhaltungsmarke als einen Fußballverein.“ Madrids Präsident Florentino Pérez sagte, der Deal mit Cristiano Ronaldo werde durch „die Steigerung des ökonomischen Werts des Vereins“ finanziert werden. Diese soll durch Ronaldo und dem zweiten Neuzugang des Vereins, Kaká erreicht werden. Beide sollen vor allem auf dem asiatischen Markt, der starke Zuwächse verzeichnet, aggressiv beworben werden. Wie dies mit Beckham gemacht wurde, als Real ihn unter Vertrag nahm. In Madrid schätzt man, dass während der vier Jahre von Beckham im Bernabeu-Stadion die Trikot-Verkäufe um 137 Prozent gestiegen waren. Und anders als bei United werden Ronaldo und Kaká bei Real dazu ermutigt, ihre individuellen kommerziellen Aktivitäten über die Geschäfte des Vereins hinaus zu entwickeln, um ihre Profile global zu erweitern.

Überraschenderweise hat Ronaldo seinen Namen noch nicht als Handelsmarke eintragen lassen, was Beckham und die meisten anderen hoch profilierten Sport-Stars, schon zu einem frühen Zeitpunkt der Karriere taten. Im vergangenen Juli unterschieb Ronaldos Agent Jorge Mendes bei der US-amerikanischen Agentur, die auch Steven Spielberg, Brad Pitt und Beckham unter Vertrag hat, für ihn aber noch keinen Deal an Land gezogen hat.

Negative Reaktionen auf seinen Wechsel zu Real sind Ronaldo gleichgültig, sie spornen ihn lediglich noch mehr an. „Ich liebe es, wenn die Leute mich verhöhnen. Ich liebe es, den Hass in ihren Augen zu sehen und ihre Beleidigungen zu hören. Das macht mir nichts aus“, sagte er in einem Interview mit dem französischen Magazin So Foot, das er gab, bevor sein Wechsel zu Madrid bekannt wurde, und das diesen Monat veröffentlicht werden soll. „Es stimmt, dass viele Leute mich hassen, aber es gibt sogar noch mehr, die mich lieben und unterstützen. Schlecht fühle ich mich nur, wenn ich schlecht spiele, was zum Glück aber sehr selten passiert.“

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Jamie Jackson, The Observer | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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