Missing Link

Recht auf Vergessen Google setzt den Rotstift an: Das Unternehmen löscht den ersten Wikipedia-Link. Dessen Grüder Jimmy Wales sorgt sich um die Informationsfreiheit
Jimmy Wales: "Niemand hat das Recht, mithilfe des Gesetzes Wikipedia-Autoren davon abzuhalten, wahrheitsgetreue Dinge zu schreiben"
Jimmy Wales: "Niemand hat das Recht, mithilfe des Gesetzes Wikipedia-Autoren davon abzuhalten, wahrheitsgetreue Dinge zu schreiben"

Foto: MANDEL NGAN/AFP/GettyImages

Im Rahmen des neuen EU-Rechts auf Vergessenwerden wird Google für mehrere Suchbegriffe den Link aus der Ergebnisliste streichen, der zu einem Wikipedia-Artikel führt.

Bislang ist nicht bekannt, wer den Antrag auf die Entfernung des Links beantragt hat und vielleicht wird man es auch nie erfahren. Wie andere Anbieter kann Google lediglich den Link aus seinen Suchergebnissen löschen, die Wikipedia-Seite existiert auch weiterhin.

Im Mai beschied der Europäische Gerichtshof EU-Bürgern das Recht, bei Suchmaschinenbetreiben zu beantragen, Links zu bestimmten Seiten aus der Trefferliste zu streichen, die bei einer Suchanfrage zu ihrem Namen erscheint, wenn sie die betreffenden Seiten bzw. Informationen über sie für überholt oder übertrieben halten.

Google hat bereits mit der Umsetzung der Entscheidung begonnen und zehntausende von Links aus Ergebnislisten entfernt. Die Liste der betroffenen Seiten reicht von der BBC bis hin zur Boulevardzeitung Daily Express. Ein Artikel, den man jetzt nicht mehr angezeigt bekommt, wenn man den Namen Adam Osborne in die Suchmaschine eingibt, stammt aus dem Jahr 2009 und berichtet darüber, dass der Bruder des amtierenden britischen Schatzkanzlers George Osborne zum Islam übergetreten ist.

Jimmy Wales, der die Wikipedia 2001 mitgegründet hat, die mittlerweile die am sechsthäufigsten besuchte Seite überhaupt ist, sagte gegenüber dem Observer: „Das ist völlig verrückt und muss wieder in Ordnung gebracht werden.“

Wales gehört zu dem zehnköpfigen Gremium, das Google zusammengestellt hat, um zu beraten, wie es mit den Löschungen umgehen soll. Der Ausschuss soll zum ersten Mal am neunten September in Madrid zusammenkommen und danach noch in weiteren europäischen Städten tagen, um eine Richtlinie für Google und andere Suchmaschinenbetreiber zu erarbeiten.

Der Anstoß zu der neuen Regelung kam durch einen Präzedenzfall. Der Spanier Mario Costeja González wollte, dass der Link zu einem Artikel aus dem Jahr 1998 aus den Suchergebnislisten zu seiner Person gelöscht wird, in dem über die Zwangsräumung seiner Wohnung berichtet wurde.

„Ich finde, es sollte keine Möglichkeit geben, wahrheitsgetreue, nicht diffamierende Informationen, die auf legale Weise beschafft wurden, zu zensieren“, so Wales. „Niemand hat das Recht, mithilfe des Gesetzes Wikipedia-Autoren davon abzuhalten, wahrheitsgetreue Dinge zu schreiben oder Google davon abzuhalten, wahrheitsgetreue Informationen zu veröffentlichen. Ebenso wie Google sollte Wikipedia gute Arbeit leisten und das tun wir auch.“

Dem Suchmaschinenbetreiber zufolge kamen mit 17.500 die meisten Anträge bislang aus Frankreich, gefolgt von 16.500 aus Deutschland, 12.000 aus dem Vereinigten Königreich, 8.000 aus Spanien, 7.500 aus Italien und 5.500 aus den Niederlanden.

Insgesamt hat Google bis zum 18. Juli 91.0000 Anträge erhalten, die insgesamt 300.000 Seiten betreffen. Der für Datenschutz zuständige Anwalt des Unternehmens, Peter Fleischer, erklärte, etwa 32 Prozent davon habe man abgelehnt, in 15 Prozent der Fälle um weitere Informationen gebeten und 53 Prozent der Verweise entfernt.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Juliette Garside | The Guardian

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