Hammond wurde am vergangenen Freitag vor dem Bundesgericht der Vereinigten Staaten in Manhattan zur Höchststrafe von 10 Jahren Haft plus drei Jahren kontrollierten Freigangs verurteilt. Er hatte sich für schuldig bekannt, mit seinem Hack gegen Strategic Forecasting Inc, bekannt als Stratfor, im Jahr 2011 gegen das Computer Fraud and Abuse Act (CFAA) verstoßen zu haben. In einem Interview, das er dem Guardian am vergangenen Donnerstag im Metropolitan Correction Center in New York wenige Stunden vor der Urteilsverkündung gab, erklärte Hammond, er rechne fest mit einer langjährigen Haftstrafe und habe sich bereits dieser abgefunden. Sie sei ein bewusster Versuch der US-Behörden, politisch motivierte Hacker abzuschrecken.
Die Staatsanwälte hätten „deutlich gemacht, dass sie anderen, die nach mir kommen, eine Botschaft senden wollen. Anonymous hat sie blamiert und nun glauben sie, sie müssten ihr Gesicht retten.“
Er könne sich sogar vorstellen, dass das FBI ihn zu Hacking-Angriffen auf Dutzende Websites ausländischer Regierungen angestiftet habe. Während seiner Zeit bei dem nur lose miteinander verbundenen Hacker-Kollektiv Anonymous, das mit WikiLeaks und anderen Gruppen zusammenarbeitet, die sich gegen überzogene und missbräuchliche staatliche Geheimhaltung richten, erhielt er oft Anweisungen von dem Anführer der Anonymous-Tochter Lulzsec, der im Netz unter dem Pseudonym „Sabu“ auftrat und sich als FBI-Informant entpuppte.
Hammond, der durch Gerichtsbeschlüsse darin eingeschränkt wird, was er in der Öffentlichkeit sagt, erklärte gegenüber dem Guardian, Sabu habe ihm eine Liste mit Zielen gezeigt, unter denen sich viele Seite ausländischer Regierungen befunden hätten und habe ihn aufgefordert, sich in deren Computersysteme einzuhacken. Er sei sich nicht sicher, ob Sabu im Auftrag des FBI oder anderer US-Behörden gehandelt habe, könne sich aber sogar vorstellen, dass das FBI Sabus Internet-Decknamen direkt benutzte, da der Kontakt zwischen den beiden Hackern immer über das Netz erfolgte und sie sich nie von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.
„Es ist schon irgendwie zum Lachen, dass sie mich dafür verurteilen, Stratfor gehackt zu haben, während ein FBI-Informant mir ausländische Ziele empfahl. Da stellt sich einem doch die Frage, wie wichtig sie es mit dem Schutz von Websites wirklich nehmen.“
In einem sicheren Besuchszimmer des Gefängnisses sagte der 28-jährige Chicagoer wenige Stunden vor der Urteilsverkündung: „Mir war von Anfang an klar, dass mich die Arbeit mit Anonymous mehrere Jahre Gefängnis kosten kann. Aufgrund der Art meiner Ziele war mir klar, dass ich eine Menge einflussreicher Leute verärgern würde.“
Bekleidet mit einem braunen Gefängnisoverall und einem langen, feinen Kinn- sowie einem Oberlippenbart (beide wollte er vor der Urteilsverkündung abrasieren), warf Hammond den Behörden vor, das CFAA für politische Ziele zu instrumentalisieren. „Sie erweitern die Definition des Geltungsbereiches des Gesetzes und setzten es insbesondere gegen politische Aktivisten ein.“
Erinnerung an Aaron Swartz
Er erinnerte an den Opern-Data-Aktivisten Aaron Swartz, der sich im Januar umbrachte, während er auf seine Verurteilung nach dem CFAA wartete. Er hatte Dokumente veröffentlicht, die eigentlich nur hinter der Paywall einer Online-Forschungsgruppe zugänglich waren. „Uns hat die selbe Bestie gebissen“. So Hammond. „Aaron hat nichts Illegitimes getan. Seine Anliegen waren rechtmäßig – Trotzdem haben sie ihn verfolgt, peitschten Anklagen gegen ihn durch und jetzt sehen Sie, was passiert ist.“
Hammond sitzt seit März 2012 in Haft, nachdem er in Chicago wegen des Verdachts verhaftet worden war, Millionen von Stratfor-Mails geleakt zu haben, die dann von WikiLeaks als die „Global Intelligence Files“ veröffentlicht wurden. Seine Strafe ist ein Indikator für die Aggressivität, mit der die Staatsanwaltschaft in den USA politische Hacker verfolgt – andere Anonymous-Mitglieder, die an der Aktion gegen Stratfor beteiligt waren, wurden in Großbritannien zu wesentlich kürzeren Haftstrafen verurteilt.
Hammond betonte, dass er persönlich in keiner Weise von der Veröffentlichung der Stratfor-Mails profitiert habe, die die Überwachung von politischen Aktivisten (unter anderem auch Anoynmous-Mitgliedern, Occupy-Leuten und Menschen, die sich im sich für die Entschädigung der Opfer der Giftgas-Katastrophe im indischen Bhopal einsetzen), offengelegt hat. „Uns ging es bei dem Hack gegen Stratfor in erster Linie darum, herauszufinden, was private Sicherheits- und Nachrichtendienste so treiben, obwohl keiner von uns eine Vorstellung davon hatte, welches Ausmaß diese Aktivitäten haben.“
Hammond beharrt darauf, dass er nie in das Computersystem von Stratfor eingebrochen wäre, wenn Sabu ihn nicht dazu animiert hätte. Sabus wirklicher Name lautet Hector Xavier Monsegur. Er wartet selbst auf seine Urteilsverkündung und hat sich in 12 Anklagepunkten in Zusammenhang mit Hacking schuldig bekannt. „Ich hatte noch nie etwas von Stratfor gehört, bis Sabu mir einen weiteren Hacker vorstellte, der mir davon erzählte. Ohne Sabu hätte ich den Stratfor-Hack nie gemacht.“
Dass Monesgur FBI-Informant war, entdeckte Hammond am Tag nach seiner eigenen Verhaftung. Als er die Strafanzeige gegen sich las, entdeckte er Zitate, die einem CW für “co-operating witness” – ein kooperierender Zeuge – zugeschrieben wurden. Sie enthielten Einzelheiten, die nur von Sabu stammen konnten.
„Klar, dass ich bin betrogen fühlte. Obwohl ich wusste, dass so etwas passiert. Mich überraschte, dass Sabu mit so vielen strategischen Zielen zu tun hatte, sie identifizierte und mir Informationen über sie gab.“
Heute glaubt Hammond, dass Sabu zum Teil deshalb so großes Interesse an ihm hatte, weil er Zugang zu modernsten Instrumenten hatte, wie dem, das unter dem Namen PLESK bekannt ist und es ihm ermöglichte, Internetsysteme zu hacken, die von vielen ausländischen Regierungen benutzt werden. „Es steht außer Frage, dass FBI und NSA selbst in der Lage sind, andere Länder zu hacken. Doch wenn eine neue Schwachstelle in der Internetsicherheit auftritt, haben Hacker manchmal Zugang zu sehr nützlichen Instrumenten, die den Mitteln der Dienste voraus sind“.
Modell des dezentralisierten Widerstandes
Wenn er auf seine eigene Arbeit mit Anonymous zurückblickt, sagt der Chicagoer heute, es habe ihn gereizt, mit Anonymous zusammenzuarbeiten, weil er dies als ein „Modell des dezentralisierten, führerlosen Widerstandes“ gesehen habe. Der Fokus seiner Hacker-Tätigkeit wurde zum Teil durch den Einfluss der Occupy-Bewegung immer politischer, die im September 2011 an der Wall Street begann und sich von dort im ganzen Land ausbreitete.
Chelsea Manning, die US-Soldatin, die früher den Namen Bradley trug und eine gewaltige Menge an Staatsgeheimnissen an WikiLeaks weitergeleitet hatte, verbüßt gegenwärtig eine 35 -jährige Haftstrafe. Sie habe einen großen Einfluss auf ihn gehabt, sagt Hammond. Manning habe ihm gezeigt, „dass mächtige Institutionen – ob militärische oder private Nachrichtendienste – in unzählige Aktivitäten beteiligt sind, von denen die Öffentlichkeit überhaupt keine Ahnung hat und die allein durch Whistleblower und Hacker offengelegt werden können.
Hammond hat sich oft als Anarchist bezeichnet. Auf der linken Schulter trägt er ein Tattoo mit dem Anarchie-Zeichen und de Worten „Freiheit, Gleichheit, Anarchie“. Ein weiteres Tattoo auf seinem linken Unterarm besteht aus den chinesischen Zeichen für „Führer“ oder „Armee“ und ein drittes auf seinem rechten Unterarm stellt einen Gleitflieger dar, der für die Open-Source-Bewegung der Hacker steht und aus der Computersimulation Game of Life stammt.
Er sagt, er wolle seine Zeit im Gefängnis dafür nutzen, „zu lesen, zu schreiben, zu trainieren und Sport zu treiben – Selbstdisziplin zu trainieren, damit ich nach meiner Entlassung mehr bewirken kann.“ Er könne nicht sagen, wie er denken werde, wenn er entlassen wird. Er bezweifelt aber, dass er wieder zum Hacken zurückkehren wird. „Ich denke, meine Tage als Hacker sind vorbei. Das sollen jetzt andere machen.“
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