Die Spur des Models

Korruption Der ermordete Journalist Jan Kuciak hatte mutmaßliche Mafia-Verbindungen in die slowakische Politik untersucht
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico warnte auf einer Pressekonferenz davor, „eine Tragödie politisch auszunutzen“
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico warnte auf einer Pressekonferenz davor, „eine Tragödie politisch auszunutzen“

Foto: Vladimir Simicek/AFP/Getty Images

Der slowakische Investigativ-Journalist Jan Kuciak hatte bis zu seiner Ermordung am vergangenen Wochenende politische Korruption in Verbindung mit einer italienischen Mafiagruppe. Das geht aus der Veröffentlichung einiger Ergebnisse seiner „letzten Recherchen“ unter dem Titel Das Model, die Mafia und die Mörder hervor. Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova waren in der Nacht zu Montag erschossen in ihrer Wohnung in in Velka Maca, 65 Kilometer östlich von Bratislava, aufgefunden worden. Die Polizei geht von einen Zusammenhang mit seiner investigativen Arbeit aus.

Veröffentlicht hat die Recherchen das „Reportageprojekt für Organisiertes Verbrechen und Korruption“ (OCCRP) in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum für Investigativen Journalismus (CCIJ), dem Investigativen Berichterstattungszentrum Italien und Aktuality.sk, einem Team investigativer Reporter in der Slowakei, für das Kuciak arbeitete.

Demnach stand am Anfang des Enthüllungsprojekts die Frage, warum der slowakische Ministerpräsident Robert Fico die damals 27-jährige Maria Troskova als Assistentin angestellt hatte. Troskova, die zuvor als Oben-ohne-Model gearbeitet hatte und Miss-Universe-Kandidatin war, hatte relativ wenig politische Erfahrung vorzuweisen.

„Seine Presseabteilung weigerte sich, ihre Jobbeschreibung herauszugeben, um ihre Position in der Regierung offen zu legen. Auch teilte sie nicht mit, ob es in ihrem Fall eine Sicherheitsüberprüfung gegeben hatte“, heißt es in dem Bericht. Die Recherche nahm offenbar eine dramatische Wendung, als sich herausstellte, dass Troskova Geschäftspartnerin von Antonino Vadala war, einem 42-jährigen in der Slowakei lebenden Italiener, dem enge Verbindungen zur kalabrischen Mafia-Organisation `Ndrangetha vorgeworfen werden.

Der Verhaftung entzogen

Dem Bericht zufolge stellte die italienische Polizei 2001 auf Grundlage eines abgehörten Gesprächs einen Haftbefehl gegen Vadala aus: Vadala soll geplant haben, einen Drogendealer und Mörder in seinem Haus in Kalabrien zu verstecken. Die Anklage wurde fallengelassen, nachdem sich Vadala durch seinen Umzug in die Slowakei einer Verhaftung entzogen hatte.

Laut einem CCIJ-Reporter, der Kuciak kannte, sollen die Enthüllungen ergeben haben, dass Mitglieder des italienischen organisierten Verbrechens „mit regionalen Politikern ins Geschäft gekommen“ seien und faktisch ein Mafia-Syndikat gebildet haben sollen. Die Recherche soll an einem Punkt gewesen sein, die Kuciaks als „gefährliche Phase“ beschrieben haben soll, da er und seine Kollegen von der CCIJ mit Sitz in Prag sich darauf vorbereiteten, die zentralen Player zu konfrontieren. Dazu kam es aber bis zum Mord an Kuciak und Kusnirova nicht.

Für Aktuality.sk berichtete Kuciak regelmäßg über Steuerhinterziehung und er hatte die mutmaßliche Veruntreuung von EU-Geldern, die für die Ost-Slowakei bestimmt waren, durch die italienische Mafia im Visier.

Rücktritt eines Ministers

Der Tod des 27-jährigen Journalisten und seiner Lebensgefährtin haben die Slowakei schockiert. Präsident Andrej Kiska zeigte sich „erschüttert und erschrocken“ durch die „kaltblütigen Morde“. Eine Gruppe slowakischer Chefredakteure sagte, der Mord an Kusniak sei „gegen die Meinungsfreiheit und das Recht der Bürger gerichtet, die Mächtigen und Gesetzesübertreter zu kontrollieren“. Kulturminister Marek Madaric, der Ficos Partei angehört, trat am Mittwoch zurück. Reportern sagte er: „Nach dem, was passiert ist, kann ich mir nicht vorstellen, einfach ruhig in meinem Ministersessel sitzen zu bleiben.“

Fico dagegen warnte auf einer Pressekonferenz davor, „eine Tragödie politisch auszunutzen“, nachdem Oppositionspolitiker Mitgliedern seiner regierenden Partei Verbindungen zu den Morden vorgeworfen hatten. Fico nannte Troskova nicht namentlich, aber er warnte die Medien auf einer Pressekonferenz davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. „Sie bringen unschuldige Menschen in Zusammenhang mit einem Doppelmord. Das geht zu weit.“

Der Ministerpräsident musste sich aber auch Kritik dafür gefallen lassen, was ein Journalist auf der Konferenz als einen „vulgären“ Werbegag bezeichnete. Fico, Innenminister Robert Kalinak und Polizeipräsident Tibor Gaspar standen neben einem Tisch voller Geldbündel, der von einem maskierten und bewaffneten Polizeibeamten wurde: Fico hat eine Million Euro Belohnung für Informationen versprochen hat, die zur Verhaftung der Mörder führen.

Ein Redakteur der Tageszeitung Dennik N kritisierte vor allem, dass Fico die Kontrolle über die Untersuchung an sich gezogen hat: „Cash auf dem Tisch ist eine Sache“, sagte Filip Struharik,, „aber es ist auch seltsam, dass er sagt: 'wir' untersuchen das, 'wir' haben diese Hypothese, 'wir' verfolgen diese Spur. Da gibt es kein 'wir'; es muss eine unabhängige Untersuchung geben, insbesondere wenn Mitglieder aus dem Büro des Ministerpräsidenten mit diesen Geschichten über die italienische Mafia in Verbindung gebracht werden.“

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Geschrieben von

Christian Davies, Luke Harding | The Guardian

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