Träume. Jeder weiß zwei Dinge über sie. Nämlich 1.) Die Träume anderer Leute sind langweilig. Und 2.) Das hält die Leute nicht davon ab, sie einem zu erzählen. Und während sie also drauflosplappern, sie hätten geträumt, sie bauten mit irgendeinem Fernsehmoderator zusammen eine Windmühle, dessen Hände aber aus Kerzen gemacht seien, oder ihre kleinen Kinder würden eines Tages in einem Land leben, in dem man nicht nach seiner Hautfarbe, sondern nach seinem Charakter beurteilt wird, fällt es schwer, nicht selbst einzuschlafen – und von einer Zukunft zu träumen, in der die Erzählung des Gegenübers vorüber ist.
Aber vielleicht werden die Leute ihre Träume in Zukunft überhaupt nicht mehr erz
mehr erzählen müssen, sondern sie einfach auf dem iPhone vorspielen. Moran Cerf von der New York University hat im Wissenschaftsjournal Nature einen Artikel veröffentlicht, in dem er behauptet, man werde bald in der Lage sein, ein Gerät herzustellen, das unsere Träume aufnehmen und später wieder abspielen kann. In Wirklichkeit ist die Sache wesentlich unspektakulärer als es auf den ersten Blick scheint. Es wird kein Zaubergerät geben, das man sich ins Ohr steckt, damit es die wildesten Träume direkt auf eine Blu-Ray Disc überträgt.Was Cerf vorschlägt, ist lediglich eine Methode, die Träume anderer Leute noch langweiliger zu machen als sie ohnehin schon sind. Es ist ein Unterfangen, das ganz und gar von Neuronen abhängt: Nachdem er die Gehirne von Leuten studiert hatte, die elektronische Implantate trugen, entdeckte Cerf, dass bestimmte Gruppen von Neuronen „aufleuchteten“, als er die Testpersonen nach bestimmten Dingen wie Marilyn Monroe oder dem Eiffelturm fragte. Dies genügt ihm für die Behauptung, wenn man die Gehirntätigkeit im Schlaf protokolliere und dann die generierten Muster auswerte, müsste es möglich sein herauszufinden, ob jemand von Filmsternchen oder Bauwerken geträumt hat. Mit anderen Worten: Er hat das Zeug isoliert, aus dem Träume gemacht sind und macht daraus Markierungen auf einer Grafik. Das ist hervorragend, wenn man von nichts anderem als von Schaubildern träumt, für alle anderen aber wenig aufregend.Weihnachtsmann, gekreuzigtNicht dass Träume überhaupt zu guten Filmen taugen würden. Denn erstens mangelt es der Handlung meist an Kontinuität: In einem Augenblick hilft man den Leuten aus der Sitcom Robin’s Nest in einer Weltraumstation dabei, den Weihnachtsmann zu kreuzigen, und als nächstes versucht man Botticelli zu beeindrucken, indem man den Mount Everst mit bloßen Zähnen erklimmt. Und außerdem sind Träume, wie bereits erwähnt, oft genug schlichtweg uninteressant. Einmal habe ich geträumt, ich sähe mir im Fernsehen eine Katzenfutterwerbung mit einem überraschend guten Jingle an – davon braucht die Welt nun wirklich keine Sicherungskopie.Es gibt den berühmten Fall Samuel Coleridges, der einst das Heldengedicht Kubla Khan in voller Länge träumte und nach dem Aufwachen sofort damit anfing, es Zeile für Zeile aufzuschreiben. Leider wurde er hierbei von einem Mann aus dem nahe gelegenen Dorf Porlock gestört, der ihn eine Stunde lang behelligte, nach der Coleridge sich dann an nichts mehr erinnern konnte, so dass es nicht nach dem Originalplan vollendet wurde. Dies wäre wohl ein seltener Fall gewesen, in dem sich eine Aufzeichnung gelohnt hätte. Aber Coleridge ist seit Jahren tot.Da dürfte es vielversprechender sein, wenn irgendein einfallsreicher Psychopath den Traumrekorder an Twitter anschließt und es somit möglich macht, Live-Traum-Tweets von Kanye West zu erhalten, die ungefähr 50 Prozent mehr Sinn ergeben als Kanye West im Wachzustand. Sicher nur noch eine Frage der Zeit.Traumprotokolle von ScheidungsrichternWelchen praktischen Nutzen sollte aber ein solcher Traumrekorder überhaupt haben, wenn man den Unterhaltungsfaktor einmal beiseite lässt und den Fortschritt für die „Wissenschaft“ der Traumdeutung vernachlässigt? Sechs Monate nach der Einführung eines verlässlichen Traumrekorders würden wir uns mit Sicherheit in einem Alptraum-Szenario wieder finden, in dem Traumprotokolle von Scheidungsrichtern und Terroristenfahndern studiert werden müssen.Von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zu einem System, mit dessen Hilfe bestimmte Dinge und Vorstellungen von außen in Träume eingepflanzt werden können. Dieses In-Dream-Product-Placement sähe in etwa folgendermaßen aus: Wenn Sie das nächste Mal den Mount Everst mit den bloßen Zähnen erklimmen, verspüren sie den großartigen Geschmack von Colgate-Zahncrème im Mund. Vielleicht sind die Träume aber auch wesentlich weniger subtil und man träumt nur noch von einem riesigen Mund, der immer wieder „DIÄT COLA“ schreit, bis man tränengebadet aufwacht und sofort mit zitternden Händen nach einer Diät-Cola greift, ohne recht zu wissen, warum.Tatsächlich. So wird es kommen.