Als Gabrielle Hamilton hochschwanger mit ihrem zweiten Sohn war, las sich ihre To-do-Liste so: dem Brunch-Team sagen, dass die Vinaigrette zu viel Säure hat; weiße Servierteller abholen; Baby kriegen; Granatapfelsirup-Rezept verfeinern. Eigentlich hatte die Besitzerin und Küchenchefin des hochgelobten New Yorker Restaurants Prune vorgehabt, die Geburt ihren natürlichen Lauf nehmen zu lassen. Doch dann kündigten in ihrem Team plötzlich zwei Köche. Hamilton ließ einleiten. In ihrer Autobiografie Blood, Bones and Butter schreibt sie, sie habe das Gefühl gehabt, dass „das Einzige, was ich kontrollieren konnte, die Geburt meines Sohnes war. Man braucht nur Hormone nehmen, und schon scheint der Zeitpunkt einer Geburt leichter planbar als der Dienstplan für ein paar Hilfsköche“.
In ihrem Buch zeichnet Hamilton ihren Karriereweg nach – angefangen bei den Kindheitserinnungen an den Duft röstenden Lamms im ländlichen Pennsylvania über ihre Teenagerjahre als rotznäsige, koksende Kellnerin und ihre Zeit als stramm marxistische und feministische College-Abbrecherin bis hin zur Eröffnung des Prune. Im vergangenen Jahr wurde sie als beste Küchenchefin New Yorks geehrt.
Doppelt so hart, doppelt so schnell
Sie beschreibt aber auch die Besonderheiten, die es mit sich bringen, als Frau einer Küche vorzustehen. Auf dem Weg zu einer Podiumsdiskussion zum Thema fragt sie sich, warum diese „zehrende, polarisierende Diskussion“ eigentlich immer noch geführt wird. Immerhin komme es in der Küche auf Leistung an. „Da gibt es nichts, was Frauen nicht tun könnten. Anders als beim Sumo-Ringen kommt es ja nicht auf körperliche Größe an.“ Dann kommt ihr allerdings der „Zweitjob“ in den Sinn, den sie in männerdominierten Küchen zu erledigen hatte. Nämlich „ständig zu versuchen, meinen Platz unter diesen Kerlen zu finden“, wie sie es beschreibt. „Sollte ich pinkfarbene Clogs oder schwarze Arbeitsschuhe mit Stahlkappen tragen? Doppelt so hart, doppelt so schnell und doppelt so gut arbeiten oder mich dem herrschenden Arbeitstempo anpassen? Fluchen wie ein Chef oder kichern wie ein Mädchen? Unterdessen musste die Petersilie geschnitten werden, und die Kalbskoteletts brannten an.“
Während das Kochen am heimischen Herd trotz aller löffelschwingenden Männer immer noch in erster Linie mit Frauen assoziiert wird, sind Spitzenpositionen unter Berufsköchen fast nur von Männern besetzt. In Großbritannien sind weniger als 20 Prozent der Berufsköche Frauen. In Deutschland stellen Frauen in der Breite die Mehrheit. Nach Angaben des Gaststättenverbands Dehoga arbeiten 239.000 Frauen als Köchinnen, männliche Köche gibt es 214.000. Anders sieht es bei den Spitzenhäusern aus. In Deutschland sind nur sechs Prozent aller Spitzengastronomen weiblich. In Großbritannien erhielten 2011 elf Frauen Michelin-Sterne, was als ein großer Sieg der Emanzipation gefeiert wurde – auch wenn insgesamt 143 Restaurants diese Auszeichnung tragen.
Eine klebrige Mischung
Wenn man mit Chefköchinnen spricht, wird schnell klar, warum sie in ihrem Beruf erfolgreich sind. Sie sind alle sehr direkt, bodenständig und hochmotiviert von ihrer Liebe zum Essen. Anna Hansen, die das vielgerühmte Londoner Restaurant The Modern Pantry führt, erzählt, dass sie als Auszubildende sogar an ihren freien Tagen zur Arbeit kam. Die Gründe für das Ungleichgewicht der Geschlechter werden in den Gesprächen aber ebenso schnell deutlich: Es ist eine klebrige Mischung aus Küchen-Machismo, notorisch langen Arbeitszeiten, wohlmeinendem Sexismus und einer Kultur, die Frauen immer noch als geborene Köchinnen, Männer aber als geborene Chefköche sieht.
Hansen glaubt nicht, dass weibliche Köche die Anerkennung erhalten, die ihnen zusteht. „Die Leute sind von männlichen Chefköchen fasziniert, nicht von weiblichen, denn die machen ja nur, was man von Frauen ohnehin erwartet: kochen. Bei Männern wird das als was Außergewöhnliches wahrgenommen. Oft gilt Essen immer noch als weibliche Domäne, aber sobald es dabei etwas zu gewinnen gibt, kommen plötzlich die Jungs ins Spiel.“
Manche Küchen sind berüchtigt für die angespannte Atmosphäre, die dort herrscht. Als die bekannteste Chefköchin Großbritanniens – Angela Hartnett, die heute das Michelin-Stern-ausgezeichnete Murano in London führt – Mitte der Neunziger in einer Küche anfing, die unter Kollegen „Vietnam“ genannt wurde, gab es Wetten, dass sie es nicht länger als eine Woche aushalten würde. Sie hielt durch. „Manchmal kam man sich wirklich vor wie im Krieg, weil man so angeschrien wurde“, sagt sie.
Clare Smyth – Chefköchin im Gordon Ramsay, dem einzigen von einer Frau geführten britischen Restaurant, das drei Michelin-Sterne vorweisen kann – hat in 17 Jahren nur einen halben Tag krankheitsbedingt gefehlt. Früher habe sie immer das Gefühl gehabt, sich beweisen zu müssen: „Wenn ich müde war oder mich geschnitten habe, dachte ich immer, man würde das darauf zurückführen, dass ich eine Frau bin. Ich war morgens die Erste und abends die Letzte, aber ich glaube, dass ich mir diesen Druck ganz allein auferlegt habe.“
Sie hat früh für sich beschlossen, dass sie schnell Erfolg haben muss, um später eine Familie haben zu können. „Frauen haben keine Wahl“, sagt sie. „Wenn man beides haben will, muss man es in jungen Jahren erreichen. Wenn ich eine Familie habe, will ich auch das gut machen. Ich will meine Kinder nicht die ganze Zeit irgendwo abgeben und 90 Stunden die Woche arbeiten.“
So richtig dreckig reden
Keine der Frauen, mit denen ich gesprochen habe, hatte ein Problem damit, einem Team mit vielen Männern vorzustehen. Geht es in der Prune-Küche etwa auch so machomäßig zu wie in anderen, von denen Hamilton in ihrem Buch erzählt? Sie sagt, sie schreie und brülle nicht, sie stöhne nur. „Und ich glaube, ich mache mehr anzügliche Witze als sonst jemand. Wir reden gerne so richtig schön dreckig, sticheln und ziehen uns gegenseitig auf. Dabei geht die Arbeit gleich leichter von der Hand.“
Als sie 2002 Chefköchin im renommierten Connaught wurde, konnten manche Kunden es nicht fassen. Die Atmosphäre sei damals schon noch machomäßiger gewesen als heute, räumt sie ein: „Von einem Fleischer hieß es, er benehme sich unmöglich. Ich sagte: ‚Nein, George doch nicht. Der ist doch die Höflichkeit in Person.‘ Sie sagten mir: ‚Ja, das stimmt. Wenn du da bist, schon. Aber sobald du ihm den Rücken zudrehst, kommen ihm die ekelhaftesten Dinge über die Lippen.‘“
Star-Köchin Angela Hartnett glaubt aber, es habe ihrer Karriere eher genutzt, eine Frau zu sein. So werde eher über sie berichtet. Während andere Chefs versuchen würden, diesen Ausnahmestatus zu erhalten, nutzt sie ihn, um die Aufmerksamkeit auch auf andere großartige Köchinnen zu lenken. Gordon Ramsay – Besitzer des Restaurants, dessen Küche sie damals „Vietnam“ nannten – hat einmal behauptet, Frauen könnten ums Verrecken nicht kochen. Was sagt Hartnett dazu? Sie lacht, wie sie es in der Vergangenheit schon so oft über irgendwelchen Macho-Blödsinn getan hat. „Er hat es wohl gesagt“, sagt sie. „Aber ich glaube nicht, dass er es auch gemeint hat.“
Kira Cochrane schreibt für den Guardian über GesellschaftsthemenÜbersetzung: Zilla Hofman/Holger Hutt
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