Das British Fashion Council, das die fünftägige Fashion Week in London organisiert, hat sich dieses Mal für einen besonderen Auftakt entschlossen: Statt eines Catwalk-Spektakels im Zeichen der hippen, jungen Designer aus Großbritannien wählte es "Esthetica", ein Vorzeigeprojekt ethischer Designermode. In dieser Saison feiert die Initiative ihr sechstes Jubiläum und hat sich inzwischen soweit etabliert, dass sie nun auch die Unterstützung der britischen Regierung genießt. So nahm das britische Ministerium für Umwelt, Ernährung und Langwirtschaft das Ereignis zum Anlass, seinen "Sustainable Clothing Action Plan", einen Aktionsplan für mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche vorzustellen, der kurz auch unglamourös Scrap (Abfall) genannt wird.
Unter Beteiligung führender Köpfe aus der gesamten Branche wurden verschiedene Maßnahmen erdacht, angefangen in der Entwurfsphase, über Herstellung und Verkauf bis hin zur Entsorgung.
Viele sollen in Kürze umgesetzt werden und dazu beitragen, den Schaden für die Umwelt, den die Wegwerfmode verursacht, deutlich zu verringern.
Lord Hunt, der im Umwelt- und Ernährungsministerium (Defra) für Nachhaltigkeit zuständig ist, gab zu Protokoll, er sei „ sagenhaft gespannt“ darauf, den Aktionsplan auf der Modewoche in der britischen Hauptstadt vorstellen zu können. Er stand in einem zerknitterten Anzug hinter einem Rednerpult auf dem Laufsteg, erinnerte an Auftritte eines peinlichen Onkels und verriet voller Begeisterung: „Ich kann mir keinen Ort vorstellen, der sich besser eignen würde, unseren Plan aus der Taufe zu heben.“
Auf der Esthetica, die vor drei Jahren vom British Fashion Council mit dem Ziel gegründet wurde, ethische Mode moderner zu machen und ihr so mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, sollen gleichgesinnte Designer-Labels vernetzt werden. Die siebenunddreißig Designer, die bei der Präsentation vertreten waren, mussten sich wenigstens einem der drei Esthetica-Prinzipen verschrieben haben, also entweder ökologisch hergestellte, Fair Tade- oder Recyclingmode herstellen.
Peter Ingwersen, Gründer des Labels Noir, dem exklusivsten der diesjährigen Esthetica-Teilnehmer, sagt: „Wir alle wollen der Industrie und den Designern zeigen, dass Sexiness, Luxus, Mode, unternehmerische Verantwortung und Ethik harmonisch miteinander zu vereinbaren sind, ohne dass der Stil darunter zu Leiden hat.“
Die Noir-Kollektion dieser Saison liefert den Beweis, dass ethische Mode keineswegs zwangsläufig altbacken sein muss und schickte die Models in eleganten Modellen über den Laufsteg, die alle das gewisse Etwas hatten. Das Spektrum der verwendeten Materialien und Farben reichte von schwarzem Leder bis zu marineblauer Seide, Details wie antikgoldene Pailletten und freiliegende Reißverschlüsse rundeten das zurückhaltend-dezente Gesamtbild ab.
Die Londoner Fashion-Week feiert dieses Jahr ihr 25-jähriges Bestehen, in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage wollte man auf verschwenderische Partys allerdings verzichten. Stattdessen waren die Veranstalter bestrebt zu betonen, dass die Mode auch inmitten einer Rezession von Bedeutung sei. Im Vorfeld veröffentlichten Zahlen zufolge bringt das Mode-Ereignis der Stadt über Direkteinnahmen wie Übernachtungen und Verzehr 20 Millionen Euro ein. Zusätzlich wird dort Kleidung im Wert von 100 Millionen Euro bestellt.
Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson hatte ebenfalls im vorhinein angekündigt, rund 40.000 Euro zur Verfügung zu stellen, um die Top-Einkäufer der Welt dazu zu bewegen, der Veranstaltung beizuwohnen. Es hatte zunächst Befürchtungen gegeben, die Einkäufer aus den USA würden kürzer treten, die Londoner Modewoche links liegen lassen und stattdessen von den Shows in New York direkt nach Mailand fliegen. Zu dieser Sorge hatte weiterhin beigetragen, dass das Event sich dieses Jahr über weniger Tage erstreckte, an denen allerdings mehr Veranstaltungen stattfanden.
Johnson sagte: „Die Mode hat, wie jede andere Kreativindustrie, einen wichtigen Anteil an Londons wirtschaftlichem Erfolg. Wir müssen unbedingt alles in unserer Macht Stehende tun, sie zu unterstützen.“ Die Gelder, die er bewilligt, kamen von der London Development Agency und wurden eingesetzt, die Flüge der 30 wichtigsten Einkäufer zu bezuschussen.
Trotz des ernsten Themas und dem gestrafften Zeitplan zeigte Hilary Riva, die Hauptgeschäftsführerin der Modewoche sich optimistisch: „Es wäre naiv zu sagen, dass die Rezession uns nicht betreffen würde. Aber den Londoner Designern standen nie große Budgets zur Verfügung und überhaupt erwächst Kreativität aus den Umständen, unter denen die Designer arbeiten. Wir sind immer arm gewesen.“
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