Nachspiel zum Dubai-Attentat

Großbritannien Die britische Regierung lässt sich den Gebrauch britischer Pässe beim Anschlag auf einen Hamas-Führer in Dubai nicht bieten und weist einen israelischen Diplomaten aus

Es gab in der Geschichte der britisch-israelischen Beziehungen nur wenige Fälle, in denen es zur Ausweisung eines Diplomaten kam. Dazwischen gingen stets einige Jahre ins Land. Zuletzt wurde 1988 nach einer ganzen Reihe von Provokationen ein israelischer Diplomat des Landes verwiesen. Damals hatte ein Mossad-Agent einen Umschlag mit acht gefälschten Pässen in einer deutschen Telefonzelle liegen lassen, ein Jahr später war ein israelischer Doppelagent mit sechs Koffern voller Waffen und Sprengstoff in der englischen Stadt Hull aufgeflogen. Die Affäre wurde schnell totgeschwiegen. Dieses Mal allerdings ging die Ausweisung mit einer so nie dagewesenen öffentlichen Erklärung des britischen Außenministers David Miliband einher.

Der ging beinahe so weit, der israelischen Regierung die Beteiligung an einer kriminellen, terroristischen Verschwörung vorzuwerfen. Miliband sagte, angesichts der außerordentlichen Qualität der Fälschungen sei es „höchst wahrscheinlich“, dass die gefälschten Pässe das Werk eines staatlichen Geheimdienstes seien. Dies und die Untersuchungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörde zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Soca) gäben starken Grund zu der Annahme, dass Israel für den Missbrauch der britischen Pässe verantwortlich sei, so Miliband. Daraus lassen sich eindeutige Rückschlüsse ziehen. Wenn die israelische Regierung für die gefälschten Pässe verantwortlich ist, dann ist sie auch für den Mord an Mohmoud al-Mabhouh, dem Gründer des militärischen Flügels der Hamas, in Dubai verantwortlich.

Abdullah interveniert

Milibands Rede hat die Kluft vertieft, die sich zwischen den USA und Israel aufgetan hat, seit ein Baustopp in Ost-Jerusalem von israelischer Seite offiziell abgelehnt wird. Israels Premier Netanjahu hatte bereits davor gewarnt, die Friedensverhandlungen könnten sich weiter hinziehen, sollten die Palästinenser ihre „unvernünftige und unangemessene“ Forderung nach einem vollständigen Ende des Siedlungsbaus nicht fallen lassen. Erst Anfang der Woche hatte er erklärt, das jüdische Volk habe Jerusalem vor 3.000 Jahren aufgebaut, und so stehe es ihm frei, dort auch heute zu bauen. Die knapp 250.000 Juden, die hinter der Trennungslinie lebten, seien ein „wesentlicher und nicht abtrennbarer“ Bestandteil des modernen Jerusalem.

Der jordanische König Abdullah, dessen Königreich neben Ägypten der einzige arabische Staat ist, der ein Friedensabkommen mit Israel geschlossen hat, ließ inzwischen wissen, die Souveränität der heiligen Stadt sei eine rote Linie, die Israel nicht überschreiten dürfe. Israels Erklärung zu Ost-Jerusalem verurteilde die Gespräche zum Scheitern, bevor sie überhaupt erst beginnen.

Beispiellose Arroganz

Die Ereignisse in London und Washington brandmarken Israel als arroganten Staat, der über das Ziel hinausschießt. Die Pass-Fälschungen sind das Werk eines Staates, der glaubt, er könne gleichzeitig Immunität genießen und die Werte eines gesetzestreuen Staates verkörpern, wenn er den Mord an seinen Feinden plant. Netanjahus Verlautbarungen im Vorfeld des Treffens mit Präsident Obama gerade erst in Washington brandmarken ihn als einen Politiker, der meint, er könne sich offen dem Willen des engsten militärischen Alliierten widersetzen. Doch Hillary Clinton hat deutlich darauf hingewiesen, dass der fortwährende Siedlungsbau in Ost-Jerusalem Amerikas Möglichkeiten untergräbt, im Friedensprozess eine entscheidende Rolle zu spielen. Sie hätte kaum deutlicher davor warnen können, dass die Chancen Amerikas, die arabischen Staaten von einer Anerkennung Israels zu überzeugen, von Monat zu Monat schwinden. Netanjahu hat in beiden Fällen nicht erkannt, dass er den Boden aushöhlt, auf dem er steht.

Er wird sich mit den Konsequenzen einer ideologischen Haltung in der Ost-Jerusalem-Frage auseinandersetzen müssen, die alle anderen Akteure außen vor lässt. In Ost-Jerusalem wie auch im Rest der Westbank, wo sich die Anzahl jüdischer Siedler seit Unterzeichnung der Oslo-Abkommen 1993 mehr als verdoppelt hat, nimmt Israel das mögliche Ergebnis einer Einigung vorweg, indem es vor Ort Fakten schafft. Unter diesen Umständen ist ein Abkommen mit den Palästinensern ein Ding der Unmöglichkeit.

Übersetzung: Christine Käppeler

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Guardian-Editorial | The Guardian

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