Nicht die Bohne

Ernährung Der Anbau von Soja hat massive Folgen für die Umwelt - aber andere als vermutet. Schadet Tofu dem Planeten also mehr als Fleisch? Eine kleine Abrechnung

In letzter Zeit sehen sich Vegetarier und Veganer zunehmend Vorwürfen ausgesetzt, sie schädigten mit ihrem Tofu- und Sojamilch-Konsum die Umwelt, da für den Soja-Anbau große Waldgebiete gerodet werden müssten.

Aber zunächst einmal möchte ich anmerken, dass 90 Prozent der 39 Millionen Tonnen Soja, die jedes nach Europa importiert werden, als Tierfutter Verwendung finden. Rinder, nicht Veggie-Burger haben also die meisten Sojabohnen auf dem Gewissen. Zweitens erlaubt uns zumindest Tofu, Nahrungseiweiß direkt aus dem Genuss vegetarischer Nahrung zu gewinnen, während es einer Menge von acht bis 16 Pfund Sojabohnen bedarf, um ein Pfund Rindfleisch zu produzieren, was extrem ineffizient ist.

Hierbei handelt es sich allerdings um einen Pyrrhus-Sieg, denn wir alle hängen zunehmend von der weltweiten Sojaproduktion ab. Es gibt sogar Bestrebungen, die Sojaproduktion auf den Bioenergie-Sektor auszuweiten. Weltweit wurden im Verlauf der vergangenen beiden Jahrzehnte 300 Millionen Hektar Regenwald gerodet, um Sojapflanzen anbauen zu können. Mittlerweile nimmt die Sojaproduktion allein in Brasilien eine Fläche von 20,5 Millionen Hektar ein, 1940 waren es gerade einmal 704 Hektar. Wieviel mehr kann der Planet verkraften?

Die Macht der Soja-Barone

Das ist genau die Frage, die der Runde Tisch für Verantwortlichen Sojaanbau beantworten möchte. Hier treffen sich internationale Sojaunternehmen wie Unilever, Monsanto und Carrefour, um Bedingungen für die Ausweitung der Sojaproduktion zu vereinbaren, die in Bezug auf das Ökosystem, die Artenvielfalt und die Landrechte keinen allzu großen Schaden anrichten sollen. Aber wie die Kritik großer Umweltschutzorganisationen am jüngsten Programm des Runden Tisches, welches auch Gen-Soja als Teil der Lösung betrachtet, zeigt, ist es mit dem Bemühen um Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit des Runden Tisches nicht weit her.

Schließlich liegt die Macht nach wie vor in den Händen der Soja-Könige (die neuen Ölbarone) und einigen transnationalen Agrarunternehmen. Es gibt riesige Monokulturen mit nur einer handvoll Arbeitern auf 1.000 Hektar, die die Pflanzen mit Substanzen einsprühen, welche die Artenvielfalt verringern und den Boden erodieren lassen. Auch wird viel von der Sojapflanze vergeudet, da nur das Öl der Bohne für den Export ausgepresst und die Hülse verworfen wird. Wie sollten die Hersteller also auch fragen: Verwenden Sie die ganze Bohne und nichts als die Bohne?

Einfluss nehmen kann man hierauf lediglich mittels seines eigenen Soja-Konsums. Das US-amerikanische Cornicopia-Institut veröffentlichte vor kurzem den Bericht "Behind the Bean", ein nicht gerade erheiternder Blick hinter die Kulissen der Soja-Eiweiß-Industrie, der aber eine gute Übersicht über die verschiedenen Produkte enthält. Die Untersuchung zeigt, dass „natürliches“ Soja oft unter Einsatz von Hexan gewonnen wird, einem neurotoxischen, petrochemischen Lösungsmittel. Es ist also auch aus eigenem Interesse ratsam, sich an biologisch angebautes Soja zu halten, das nicht aus Regenwaldregionen stammt und im Rahmen von Fruchtfolge-Zyklen angebaut wird.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Lucy Siegle, The Guardian | The Guardian

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