Tanzen Tanzen ist eine Form der Kommunikation. Ein Psychologe hat den "Tanz-Faktor" von 13.000 Menschen gemessen. Sein Ergebnis: Männer lassen es erst ab 65 richtig krachen
Die Weihnachtsfeier Ihrer Firma ist in vollem Gang. Sie haben ein paar Gläser Schampus geleert und sich an den Rand der Tanzfläche geschoben, wo Fred aus der Buchhaltung eine erstaunlich gute Figur macht, wie er da mit wilden Bewegungen herumstolziert. Ian aus der IT-Abteilung rockt die Tanzfläche, als wäre er allein auf der Welt. Warum sind die beiden so selbstbewusst, während Sie schüchtern von einem Fuß auf den anderen treten? Glaubt man dem Psychologen Dr. Peter Lovatt von der Universität Hertfordshire, dann ist das eine Frage es Alters, des Geschlechts und der Gene.
Lovatt – der auf dem Uni-Campus auch unter dem Namen Dr. Dance bekannt ist – hat soeben eine Forschungsarbeit über das allgemeine Tanzverhalten abgeschlossen. Er hat
n. Er hat dafür die Reaktionen von 13.700 Probanden auf ein Onlinevideo ausgewertet, das ihn, einen ehemaligen Berufstänzer, bei der Ausübung seiner Kunst zeigt. Lovatt demonstrierte unterschiedliche Tanzbewegungen und ließ diese dann bewerten. Er trug den Teilnehmern außerdem auf, sich vorzustellen, sie würden bei einer Hochzeit oder in einer Disco tanzen. Dann sollten sie ihm eine Einschätzung geben, wie gut sie sich dort im Vergleich mit einem Durchnittstänzer sehen.Die Analyse war Teil seiner Untersuchung des „Dance Confidence“ (DC) – des Faktors, der darüber entscheidet, ob man bei einer Party auf dem Barhocker festklebt oder die Tanzfläche stürmt. „Zuerst einmal kann ich Ihnen sagen, dass Sie nicht alleine sind, wenn Sie sich für einen überdurchschnittlich guten Tänzer halten“, sagt Lovatt. „Der durchschnittliche DC-Level lag um einiges höher als ich erwartet hatte. Das bedeutet, dass die meisten Teilnehmer dachten, sie seien bessere Tänzer, als andere Personen gleichen Alters und Geschlechts.“Die Resultate belegen auch, dass Männer und Frauen auf ganz unterschiedliche Weise DC entwickeln. Am stärksten war der Tanzfaktor bei Mädchen unter 16 Jahren ausgebildet. „In diesem Stadium tanzt man ausschließlich zum Spaß. Sie tanzen alleine, mit Freundinnen oder in offiziellen Tanzkursen und amüsieren sich dabei“, erklärt Lovatt. Aber nach dem 16. Geburtstag stellte er einen Einbruch fest. „Teenager tanzen in der Öffentlichkeit vor dem anderen Geschlecht und plötzlich spielt das Tanzen eine Rolle bei der Partnerwahl. Damit lässt sich erklären, dass die Mädchen nun beim Tanzen weniger selbstbewusst sind.“Allerdings nimmt der DC-Level bei Frauen dann bis zum 35. Lebensjahr wieder rapide zu. „Sie durchlaufen den Prozess der Partnerwahl und der Reproduktion und werden nach und nach selbstbewusster, was all die Verhaltensweisen betrifft, die diesen Prozess begleiten. Tanzen wird dann auch ein Mittel zur Entspannung“, so Lovatt. Doch ab 55 kehrt sich das Verhalten wieder um. „Von da an sinkt das Selbstbewusstsein beim Tanzen stetig. Kein Wunder, denn sie befinden sich in und nach der Meno-Pause, das Talent eines Tänzers hingegen wird mit der Balz in Verbindung gebracht.“Ganz anders verhält es sich hingegen mit den Jungs. Vor ihrem 16. Lebensjahr ließen sich bei ihnen keine besonders hohen DC-Werte feststellen. Dafür stiegen sie Jahr für Jahr kontinuierlich bis zum besten Mannesalter an, um dann kurz niedriger zu werden, nur um dann mit 65 einen gewaltigen Sprung zu tun. „Dieser Anstieg lässt sich damit erklären, dass der DC-Wert der Frau so rapide abgefallen ist. Die Männer fühlen sich nun weniger eingeschüchtert durch das Selbstbewusstsein der Frauen. Auch gibt es Studien, die belegen, dass Optimisten seltener unter lebensbedrohlichen Krankheiten leiden als Pessimisten. Also wäre es möglich, dass unter den Teilnehmern meiner Studie mehr Optimisten waren, da sie ihre pessimistischen Zeitgenossen überlebt haben.“Aber es sind nicht nur die Gene, die dafür sorgen, dass es uns in den Beinen juckt. „Man tanzt zum einen, um soziale Kontakte zu knüpfen und um einen Partner zu finden“, meint Lovatt. „Und das Tanzen ist gut für die Gesundheit, die Fitness und um soziale Kontakte zu knüpfen. Manche tanzen, weil sie dazu gezwungen werden und es gibt Tänze wie den Haka-Tanz der Maori, mit dem man Stärke und Furchtlosigkeit demonstriert.“Lovatt meint aus eigener Erfahrung sagen zu können, dass sich durch das Tanzen ein neues Selbstbewusstsein gewinnen lässt, das dann auch Auswirkungen auf andere Lebensbereiche haben kann. Er selbst litt in seiner Schulzeit unter einer enormen Leseschwäche, ging ohne Abschluss ab und konnte nicht lesen bis er 23 war. „Ich habe es mir dann selbst beigebracht, als ich als Tänzer in Theatern arbeitete. Um mich herum waren all diese talentierten Leute, da war es mir peinlich, dass ich nicht lesen konnte. Also setzte ich mich hin und lernte es sehr langsam.“Vom Analphabeten zur Post-Doc-Stelle in CambridgeUnd dann machte Lovatt sein Abitur, er studierte Psychologie und Englisch, erwarb einen Doktortitel und bekam eine Postdoc-Stelle an der Universität von Cambridge. Heute verbindet er das Tanzen mit seiner Forschungsarbeit über das Tanzen an der Universität von Hertfordshire, wo er Psychologie und Performing Arts lehrt.In seinem Tanzlabor auf dem Campus hat er noch ganz andere interessante Beobachtungen gemacht. „Schöne Frauen, die mit guten Genen gesegnet sind und symmetrische Gesichtszüge haben, entscheiden sich instinktiv für Männer, die über die gleichen genetischen Merkmale verfügen“, berichtet er, „und das auch dann, wenn ihnen ein Film gezeigt wird, in dem sie die Männer tanzen sehen, aber ihre Gesichtszüge nicht erkennen können. Frauen hingegen, die genetisch nicht auffällig sind, finden alle Männer grandios.“Er ist der Ansicht, dass seine Forschungsergebnisse für alle eine frohe Botschaft enthalten: „Sie bedeuten, dass man den passenden Partner am besten für sich gewinnt, wenn man sich entspannt und sich ganz natürlich zum Rhythmus der Musik bewegt.“Frauen beeindrucken originelle BewegungenLovatt hat auch einen Tipp für alle Männer, die möchten, dass ihnen die Frauen diese Weihnachten zu Füßen fallen (anstatt über sie zu stolpern): „Ich habe herausgefunden, dass Frauen bei Männern auf der Tanzfläche die mittelgroßen, komplexen Bewegungen am anziehendsten finden. Wenn eine Frau auf der Suche nach einem attraktiven, dominanten Mann ist, dann wird sie einen auswählen, der sich sehr ausladend und kompliziert bewegt. Wenn sie einen attraktiven, aber unterwürfigen Mann sucht, dann wird sie sich einen aussuchen, der kleinere, aber durchaus auch originielle Bewegungen macht.“ Kleine, langweilige Bewegungen sollte man unterlassen, denn sie werden als unattraktiv, unterwürfig und feminin wahrgenommen. Allerdings sollte man deshalb nicht gleich in die nächste Tanzschule rennen. „Tanzstunden sind ein wenig wie eine Schönheitsoperation“, meint Lovatt. „Sie verbergen den wahren Ausdruck unserer Gene.“
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