Am Freitagnachmittag waren die Gebäude rund um das Krankenhaus in Beit Hanun noch weitgehend intakt. Nach einer Nacht intensiven Bombardements und Granatbeschusses durch die israelische Armee steht das Hospital in Gaza-Stadt am Samstagmorgen in einem Meer aus Schutt. Die Wände sind voller Einschusslöcher. Die Skyline ist zerklüftet. Bei zwei Minaretten fehlen die Spitzen, die Grabsteine auf dem Friedhof zerbrochen, Häuser, Büros, Apartmentblocks und Geschäfte eingestürzt.
Während der zwölfstündigen Waffenruhe am vergangenen Samstag kehren Tausende Palästinenser in ihre zerstörten Viertel zurück, um zu sehen, ob noch etwas zu retten ist. Sie kommen zu Fuß und in Autos, in Begleitung von Planierraupen und Krankenwagen.
nkenwagen. Deren Mannschaften haben nachmittags bereits 85 Leichen aus den Trümmern geborgen, viele sind bereits teilweise verwest. Mancherorts wurden ganze Blocks dem Erdboden gleichgemacht. Am Eingang zu Beit Hanun kommen wir an Mohammad Shaweish vorbei. Er sitzt in einem pinkfarbenen Zimmer, dessen Wand zur Straße hin aufgerissen wurde, auf einem Rohrsessel. Ein Strommast liegt verkohlt am Boden und schwelt vor sich hin. Seine Familie hatte hier in vier Wohnungen gelebt. Alle sind schwer beschädigt. „Wir sind vor einer Woche geflohen und haben in einer Schule der UNO Zuflucht gesucht. Als die Feuerpause begann, sind wir zurückgekommen“, sagt er, während er in das Haus eines Verwandten klettert, um Töpfe und Pfannen aus der Küche zu holen.Wo sich israelische Panzer und Planierraupen einen Weg bahnten, führen nun sandige Wege durch Parks und Gärten. Aufgeworfene Erdhügel zeigen, von wo die Panzer geschossen haben. In der Nähe des Krankenhauses führt ein Mann ein Pferd aus den Trümmern. Es wurde von einem Granatsplitter getroffen. Anderswo kommen wir an toten Eseln und Rindern vorbei. Ihre Kadaver sind verbrannt, die Mägen aufgebläht. Während die Menschen den Schutt nach ihren Habseligkeiten durchsuchen und was sie finden, in Taxis, auf Rikschas und Eselskarren packen, stehen die israelischen Panzer da und warten. Als eines der Fahrzeuge ruckartig zum Leben erwacht, löst das auf der Straße eine kurze Panik aus, Autofahrer wenden. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand, der nicht von hier geflohen ist, überleben konnte. Einigen ist es dennoch gelungen. „Es war eine schreckliche Nacht. Die Mörsergranaten schlugen ganz in der Nähe ein“, sagt Hanan al-Zaanin, die mit vieren ihrer Kinder vor ihrem Haus steht.Wir fahren in die Sikka Street, nahe des Grenzübergangs Erez. Auf der einen Seite sieht man die Sandböschung der israelischen Grenze, vorne verläuft die Mauer. Hier sitzen weitere Familien in den Trümmern ihrer Häuser und graben nach Überresten. Zoheir Hamad steht mit seiner Frau Umm Fadi bei ihrem Haus, von dem nicht viel mehr als ein paar Wände stehengeblieben ist. Ein wenig weiter steht ein beschädigtes israelisches Minenräumgerät auf der Straße, das bei einer Explosion verbogen und auseinandergerissen wurde. Ein Mann geht vorbei. Er hat ein Maschinengewehr in ein Tuch eingewickelt und trägt es im Arm wie ein Baby. „Wir sind weggegangen, als der Krieg begann“, sagt Zoheir. „Jetzt konnten wir zum ersten Mal zurückkommen.“Riesige BombenkraterSelbst an Orten, an denen es nachweislich zu Kämpfen gekommen ist, fällt es schwer, die Rechtfertigung der Israelis für das Ausmaß der Zerstörung nachzuvollziehen. „Es gibt keine Anhaltspunkte für unnötige Zerstörung“, sagte etwa der Abgeordnete Ofer Shelah von der Partei Yesh Atid. Israelische Truppen hätten es mit einem Feind zu tun, der sich unter der Zivilbevölkerung eingrabe, sich unter oder in den Wohnhäusern verstecke. Noch schlimmer als in Beit Hanun ist die Zerstörung in Shujai’iya im Osten von Gaza-Stadt. Die Zerstörung scheint sich auf drei Gebiete zu konzentrieren – Mansoura Street, Baltaji Street und Nazaz Street. In einem Ruinenfeld, groß wie zwei Fußballfelder, treffen wir drei Brüder. Sie stehen da, wo sich früher ein vierstöckiges Gebäude befand, in dem sie mit ihren Familien lebten. Gleich neben ihnen tut sich ein Bombenkrater auf, zehn Meter im Durchmesser und sechs Meter tief.Der 35-jährige Schreiner, Alaa Helou, zeigt mit der Hand auf die Trümmer. „Wir sind gekommen, um uns unser Haus anzusehen. Wir dachten, es wäre vielleicht von einer Granate beschädigt worden. Aber es ist überhaupt nichts übrig geblieben.“ Wenn es etwas noch Schrecklicheres gibt als diese Bilder der Zerstörung, dann wird es in den Gesichtern der Menschen in Beit Hanun und Shujai’iya sichtbar.