Noch länger, noch blutiger

Syrien Kofi Annan gibt als UN-Emissär auf. Sein Friedensplan hatte nie eine reale Chance, den jetzigen Bürgerkrieg aufzuhalten, der wohl bis zum bitteren Ende ausgetragen wird
Kofi Annan zollt den Verhältnissen Rechnung
Kofi Annan zollt den Verhältnissen Rechnung

Foto: Sebastien Bozon / AFP / Getty Images

Kofi Annans Syrien-Mission wurde von Beginn an als aussichtslos beschrieben. Würde es, so fragte man, dem Friedensnobelpreisträger, dessen Karriere mit dem Genozid in Ruanda, dem Massaker von Srebrenica, mit Somalia und Darfur einige spektakuläre Fehlleistungen internationaler Friedenssicherung überstanden hatte, gelingen, in Syrien eine Waffenruhe zu überwachen? Ein Waffenstillstand, an dessen Einhaltung keine der beteiligten Seiten Interesse hatte? Sollte es ihm gelingen, mit Hilfe von 300 unbewaffneten Beobachtern?

Die Antwort ist erfolgt. Gegeben hat sie Kofi Annan mit seiner Ankündigung, als UN-Sonderbotschafter und Emissär der Arabischen Liga zurückzutreten. So sehr man sich auch bemüht, ein Szenario zu fabrizieren, in dem der Sechs-Punkte-Plan Annans für einen verhandelten politischen Übergang reanimiert werden könnte, lässt sich doch nur schwer die Schlussfolgerung vermeiden, dass Annans Rücktritt das Ende der Diplomatie in Syrien markiert.

Ganz oder gar nicht

Mancher war von Anfang an der Meinung, Annan, der zu den erfahrensten Diplomaten der Welt zählt, mache alles nur noch schlimmer. Der von ihm bemühte Waffenstillstand verschaffe den loyalistischen Truppen eine Atempause. Der intendierte politische Prozess wäre zudem geeignet, Baschar al-Assad einen politischen Freifahrtschein zu verschaffen. Der Annan-Plan, hieß es, sei beispielhaft für die Diskrepanz zwischen Erwartungen und deren Erfüllung, die Assad mit mörderischer Absicht ausnutze. Die misstrauisch von einer Hauptstadt zur nächsten taumelnde Diplomatie könne mit der Rasanz der Ereignisse in Syrien niemals mithalten, hieß es oft.

Tatsächlich hat die Assad-Regierung trotz ihrer Beteuerungen vom 27. März den Friedensplan nie implementiert, auch wenn eine Waffenruhe am 12. April dem Beschuss der zivilen Bevölkerung vorübergehend Einhalt gebot. Andererseits hat auch die Opposition niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, ihre Waffen niederzulegen. Das Verderben des Annan-Plans war gewiss nicht der Plan selbst. Denn eine wirkliche Alternative, mit der sich hätte verhindern lassen, dass ein brutal unterdrückter Aufstand sich in einen Bürgerkrieg wenden würde, gab es nie. Vielmehr lagen die Gründe für sein Scheitern beim Sicherheitsrat, der den Plan doch selbst verabschiedet hatte.

In einem in der Financial Times erschienen Kommentar schrieb Annan, seine Bemühungen seien torpediert worden. Durch die Spaltung der internationalen Gemeinschaft und durch Stellvertreterinteressen sei die gewalttätige Konfrontation noch angefeuert worden. Russland, China und der Iran hätten nicht erkannt, dass der Führung in Damaskus jede Legitimation abhanden gekommen sei. So hätten sie keinerlei Druck auf Assad ausgeübt, sein Amt abzugeben. Aber das, sagt Annan ganz unverblümt, müsse er „früher oder später“. Den USA, Großbritannien, Frankreich, Türkei, Saudi-Arabien und Katar hingegen sei es nicht gelungen, die Opposition auch nur in die Nähe dessen zu drängen, was sich als politischer Prozess bezeichnen ließe. Nicht nur sei die Opposition in sich gespalten – sie weigere sich auch, nur irgendein Element des existierenden Regimes als Teil eines Übergangsprozesses zu akzeptieren.

Gemeinsam haben die im Sicherheitsrat miteinander ringenden Blöcke das Ungeheuer genährt, das der von ihnen ernannte Gesandte zu bändigen versuchte. Völlig überflüssig war es da, wie Premier David Cameron nach Gesprächen mit Wladimir Putin härtere UN-Resolutionen zu fordern, nachdem Russland bereits dreimal von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht hat, um jedes Handeln zu blockieren.

Obama autorisiert die CIA

Kofi Annan prangert die Länder, von denen die Opposition mit Ausbildung und Ausrüstung versorgt wurde, ebenso an wie Russland. Sein Rücktritt bedeutet, dass die Anheizer des Krieges nun damit leben müssen, dass ihre Wünsche erfüllt werden. Sollte das die bewaffnete Lösung eines Konfliktes sein, der bereits 20.000 Menschenleben gekostet hat, kommen sie damit vielleicht noch gut davon. Möglicherweise wird es auch gar keine militärische Lösung geben.

Assads Truppen sind zweifelsohne schwächer, als noch vor einem Monat. Die Kämpfe, Überläufe und die wachsende militärische Stärke der Opposition haben an ihnen gezehrt. Aleppo mit seinen engen Straßen und offenen Versorgungssträngen der Opposition stellt für die Armee eine andere Herausforderung dar als Damaskus. Da ihr die Bodentruppen fehlen, um die Stadt zurückzuerobern, wird die Armee mit überwältigender Brutalität gegen die Basen der Aufständischen vorgehen. Auf ein Ende des Blutvergießen wird all dies jedoch nicht hinauslaufen. Annans Rücktritt als internationaler Gesandter wird nirgendwo zu einer Prüfung von Handlungsmotiven führen. Vielmehr hat Barack Obama insgeheim die CIA autorisiert, die Freie Syrische Armee zu unterstützen. Alle Seiten richten sich auf einen noch längeren, noch blutigeren Krieg ein.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Editorial | The Guardian

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