Nur den Kopf gestoßen

Irak Ein Untersuchungsausschuss des Unterhauses befasst sich mit dem Tod eines Irakers, der 2003 in Basra an den Misshandlungen durch britische Soldaten starb

Es ist der frühere Unteroffizier Donald Payne der während der öffentlichen Untersuchung zu Protokoll gibt, den Angehörigen seiner 2003 in der irakischen Hafenstadt Basra stationierten Einheit sei befohlen worden, Gefangene zu treten und zu schlagen. Payne gab zu, sich selbst an unmotivierter Gewalt beteiligt zu haben, während er die Stunden beschrieb, die dem Tod eines jungen Portiers aus einem Hotel in Basra am 15. September 2003 vorausgingen. Den Gefangenen seien in Haft zumeist Kapuzen übergezogen worden, man habe sie einem längeren Schlafentzug ausgesetzt.

Sehr schießfreudig

Eine „ganz offensichtlich unmenschliche Behandlung“, stimmt Payne zu, als er danach gefragt wird. Er berichtet dann, wie er Oberstleutnant Jorge Mendonca, dem kommandierenden Offizier seines Regiments, von den Umständen erzählt habe, unter denen der Portier Mousa zu Tode kam. Mendonca habe ihm erwidert, sollte das bekannt werden, sei es mit seiner Karriere vorbei. „Ich hatte den Eindruck, er würde versuchen, sich zur Not auch auf meine Kosten abzusichern“, ssagt Payne und beschreibt weiter, wie Mendonca in einer Situation seine Pistole entsichert, über den Mund eines Gefangenen gehalten und damit gedroht habe, „ihm das Gesicht wegzublasen“.
„Ich hatte den Eindruck, der Oberstleutnant war sehr schießfreudig. Er benahm sich, als gehöre er einer Spezialeinheit an.“ Mendoncas Anwalt, Tim Langdale, wirtf Payne daraufhin vor, Lügen über seinen Klienten zu verbreiten. Der Ex-Unteroffizier pariert diese Attacke mit dem Hinweis, er habe über die Behandlung von Gefangenen seinerzeit im Irak auch mit anderen Offizieren seines Queen`s Lancashire Regiment gesprochen und erfahren, diese Leute würden in Haft gehalten, „weil sie Informationen geben könnten ...“

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Gerard Elias fragt dann, ob es einen ausdrücklichen Befehl gab, Gefangene unter Druck zu setzen. Dazu Payne, das wisse er nicht. Doch habe er gesehen, wie alle Mitglieder seiner Einheit „energisch auf die Gefangenen eingetreten“ hätten. In einer schriftlichen Erklärung fügt er später hinzu: „Des Weiteren habe ich am Morgen des 15. September 2003 beobachtet, wie Leutnant Rodgers einen Benzinkanister vor den Jungen gestellt hat, ihn dann mit Wasser übergossen und ein Zündholz entfacht hat.“ Der Iraker sei daraufhin ausgerastet.

Als Payne vor dem Untersuchungsausschuss gefragt wird, warum er nichts zu Rodgers gesagt habe, gitb es die Antwort: „Weil er ein Offizier war.“ Dann schildert Payne die letzten Augenblicke im Leben des Portiers Mousas. Er habe entdeckt, dass es diesem gelungen sei, sich seiner Plastikhandschellen zu entledigen. Er habe ihm daraufhin das Knie in den Rücken gesetzt, um ihn unter Kontrolle zu halten. „Ich hörte, wie sein Kopf gegen die Wand schlug.“ Er habe nach einem Arzt gerufen und einem Offizier gemeldet, was passiert war. Payne vor dem Ausschuss: „Ich hielt ihn fest – und dann war er tot. Ich konnte es nicht glauben. Er hatte sich doch nur den Kopf gestoßen.“

Zum Oberst befördert

Mousas Vater Daoud, ein irakischer Polizeioberst, verlässt den Raum in Tränen aufgelöst, als er mitanhören muss, wie die Gefangenen im Gefängnis von Basra angeschrieen, misshandelt und verspottet wurden. Der Untersuchungskommission wird ein Video vorgeführt, auf dem Payne dabei zu sehen ist, wie er Mousa und andere mit Kapuzen gefesselte Iraker durch Obszönitäten beleidigt und schreit, sie seien „Affen“.

Insgesamt mussten sich sieben Soldaten einschließlich Oberstleutnant Mendoncas vor einem Kriegsgericht für die Umstände verantworten, die zu Mousas Tod führten. Bei allen außer bei Payne konnten die Vorwürfe ausgeräumt werden: Er wurde als erster Soldat der britischen Armee wegen Kriegsverbrechen im Irak verurteilt.

Als Payne vor dem Untersuchungsausschuss gefragt wird, ob er etwas über den konkreten Fall hinaus sagen wolle, bekommt man zu hören: „Ich möchte mich nur für mein entsetzliches Verhalten entschuldigen.“
Jorge Mendonca wurde nach dem Vorfall zum Oberst befördert, bevor er 2007 aus der Armee ausschied. Vom Vorwurf der Vernachlässigung seiner Dienstpflichten hatten ihn die Richter zuvor freigesprochen. Der britische Verteidigungsminister stimmte inzwischen zu, den Familien von Mousa und neun anderen, zu Unrecht verhafteten Irakern eine Entschädigung in Höhe von 2,83 Millionen Pfund Sterling zu zahlen. Die Untersuchung des Unterhauses dauert an.

Übersetzung: Holger Hutt

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Geschrieben von

Richard Norton-Taylor, The Guardian | The Guardian

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