Es sind vier Memoranden der Bush-Regierung, die Barack Obama vergangene Woche samt detaillierter Beschreibung der CIA-Befragungsmethoden veröffentlichen ließ. Er versah die Aufzeichnungen mit der Bemerkung, dies bezeuge den Verlust „unserer moralischen Stellung“. Wenn jetzt auch noch eine mögliche Strafverfolgung angekündigt wird, belegt das eine Kehrtwende des Präsidenten, der sich zuvor geweigert hatte, wegen der Sache einen polarisierenden Parteienstreik vom Zaun zu brechen, weil der ihn bei seinen gewaltigen innen- und außenpolitischen Aufgaben behindern würde.
Auch lockert das Weiße Haus nun seinen Widerstand gegen eine unabhängige Untersuchung durch den Kongress. Obamas Pressesprecher Robert Gibbs meinte nur, der Präsident fände es gut, wenn sich die Erhebung an der 9/11-Kommission orientieren würde.
Obama riskiert damit möglicherweise massive Widerstände und wiederholt wohl deshalb, dass es keine Strafverfolgung von CIA-Agenten geben werde, die Terrorverdächtige in Guantánamo und Geheimgefängnissen rund um den Globus befragt hätten. Er halte es nicht für angemessen, jemanden strafrechtlich zu belangen, „der im Rahmen der vier Eckpunkte der Rechtsauffassung oder Anleitung, die vom Weißen Haus ausgegeben worden waren, solche Maßnahmen durchgeführt hat“. Die Entscheidung, was geschehen solle, liege beim Generalstaatsanwalt. Er wolle dem nicht vorgreifen. Obama nannte keine Namen, aber George Bushs Justizminister Alberto Gonzales und einige seiner Untergebenen könnten zu denen gehören, gegen die nun ermittelt wird.
Retourkutsche gegen Cheney
Noch keine drei Tage ist es her, dass Rahm Emanuel, der Stabschef des Weißen Hauses, zu verstehen gab, die Regierung habe kein Interesse daran, dass die Verantwortlichen für diese Politik zur Rechenschaft gezogen werden. Obamas Sinneswandel ist möglicherweise der Empörung vieler Liberaler über die Einzelheiten geschuldet, die zuletzt über die Verhöre der CIA publik wurden – dass ein Inhaftierter beispielsweise 183 mal dem Waterboarding ausgesetzt wurde. Der Schritt könnte aber auch aus bloßem politischem Kalkül erfolgt sein – eine Rache an Ex-Vizepräsident Cheney, der Obama am Montag in einem Interview mit Fox News wegen der Veröffentlichung der Protokolle kritisiert hatte. Cheney verlangte, es müssten nun auch Verhörprotokolle freigegeben werden, aus denen seiner Meinung nach der Wert der Informationen hervorgehe, die man durch die Verhöre erhalten habe. „Ich weiß aus den Berichten, die ich gelesen habe, was wir durch die Befragungen in Erfahrung gebracht haben und welche Konsequenzen dies für das Land hatte.“
Heftige Attacken
Was nun auch immer geschieht, von entscheidender Bedeutung jeder wie auch immer gearteten Untersuchung werden die Autoren der vier angeführten Memoranden sein, in denen die gesetzliche Grundlage für die Verhörmethoden niedergelegt wurde. Es handelt sich um Jay Bybee, den stellvertretenden Justizminister der letzten Bush-Administration, und den Juristen Steven Bradbury. Kritik für die Veröffentlichung der Memoranden kam nicht nur von Dick Cheney. Ein früherer Mitarbeiter im Pentagon und im Weißem Haus gab zu Protokoll: „Präsident Obamas Entscheidung, die Schriftstücke zu veröffentlichen, ist einer der gefährlichsten und verantwortungslosesten Schritte, die je ein amerikanischer Präsident in Kriegszeiten unternommen hat – und es ist nicht ausgeschlossen, dass infolge dieser Entscheidung Amerikaner sterben werden.“
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