Mit dem Versprechen, für Sicherheit im Süden der arabischen Halbinsel zu sorgen, riskiert der US-Präsident die Destabilisierung einer ganzen Region. Afghanistan und Irak lassen grüßen. Obama mag vieles sein, ein Lawrence von Arabien ist er gewiss nicht. Nach dem vereitelten Anschlag des „Unterhosenbombers“ von Detroit versprach der Chef des US-Zentralkommandos David Petraeus, man werde Jemen mehr als zuvor beistehen. Man werde jemenitische Sicherheitskräfte trainieren und ausrüsten, nachrichtendienstliche Erkenntnisse austauschen und verstärkt zusammenarbeiten, um al-Qaida zu schlagen.
Assistenz bei Luftschlägen
Wie Präsident Karsai in Afghanistan ist auch Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh weder der verlässlichste noch enthusiastischste Verbündete, den man sich vorstellen kann. Seine Herrschaft wird von mächtigen Stämmen im Norden und Süden bedroht. Dagegen stellt der Al-Qaida-Ableger keine vergleichbare Gefahr dar. Saleh fürchtet mehr, als Marionette der Amerikaner gebrandmarkt zu werden. So ist seit dem vereitelten Anschlag von Detroit aus Regierungskreisen in Sanaa zu hören, die Terrorismusgefahr werde übertrieben. Außenminister Abubakr Qirbi sagt, man habe nicht die Absicht, gemeinsame Operationen mit den USA zu starten. Unabhängige Experten betonen unterdessen, die Probleme des verarmten Landes seien ökonomischer, nicht islamistischer Natur. Die Millionen aus den USA wären besser im Gesundheitswesen, in der Erziehung und bei der von Arbeitsplätzen investiert als beim Militär.
Wie vor ihm schon Pakistans Präsident Zardari, dessen Regierung durch US- Militärschläge im eigenen Land destabilisiert wurde, hat auch Saleh gute Gründe, das Ausmaß der tatsächlichen Kooperation mit den Amerikanern herunterzuspielen. Tatsächlich assistierten US-Kräfte bei den Luftschlägen gegen mutmaßliche Lager von al Qaida am 17. Dezember, bei denen mutmaßlich viele Zivilisten getötet wurden. Möglicherweise waren die Amerikaner sogar direkt an diesen Angriffen beteiligt.
Geflecht von Intrigen
Auch der US-Alliierte Saudi-Arabien ist militärisch im Jemen aktiv. Das ruft ein weiteres Gespenst aus der Ära von George W. Bushs wach: Egal, ob sie mit Spezialeinheiten der Armee, paramilitärischen Kräften der CIA oder mit Zivilisten im Jemen agieren – die Amerikaner könnten in einen Stellvertreterkrieg mit Riads Erzfeind Iran hineingezogen werden. Teheran hat schiitische und al Qaida nahestehende sunnitische Aufständische im Irak mit Geld und Ausrüstung unterstützt. Gleiches wird ihm im Blick auf die Minderheit der schiitischen Houthi-Rebellen im Jemen vorgeworfen.
Nach Berichten arabischer Medien trafen sich iranische Revolutionsgarden und die libanesischen Hisbollah im November heimlich mit Führern der Houthi, um über eine Eskalation des Grenzkonfliktes zwischen Jemen und Saudi-Arabien zu sprechen. Der arabische Nachrichtenkanal al-Arabija berichtete am 26. Oktober, die jemenitische Marine habe ein Schiff mit iranischer Besatzung aufgebracht, das Panzergranaten für jemenitischen Rebellen transportiert habe.
Ein direktes Eingreifen der USA in dieses Geflecht der Intrigen kann sich für den Westen politisch nur schädlich auswirken. Mit Iran um die Vorherrschaft im Jemen zu streiten, dürfte dem wichtigeren Ziel des Westens, ein Abkommen über das iranische Nuklearprogramm zu erreichen, kaum förderlich sein. Zugleich könnte sich ein verstärktes Engagement Saudi-Arabiens im Jemen negativ auf Riads Bemühungen um die für ein Friedensabkommen zwischen Israelis und Palästinensern unverzichtbare Versöhnung von Fatah und Hamas auswirken.
Rückzug nach Somalia
Es befinden sich etwa 200.000 somalische Bürgerkriegsflüchtlinge im Jemen. Eine unbekannte Zahl hat sich bislang al Qaida angeschlossen, blieb im Land oder kehrte nach Somalia zurück. Ein denkbarer neuerlicher Antrag der USA und Großbritanniens, das Mandat für eine UN-Mission in Somalia zu erhalten, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Dies wiederum würde im Fall einer amerikanischen Befriedung des Jemen unweigerlich dazu führen, dass al Qaida sich in das weitgehend unregierte Somalia zurückziehen würde.
Die Londoner Jemen-Konferenz am 28. Januar wird möglicherweise die Richtung weisen, welche Schritte die USA an der neu eröffneten arabischen Front im „Kampf gegen den Terror“ als nächstes unternehmen. Obama könnte sich, obwohl die oppositionellen Republikaner mehr wollen, für einen zurückhaltenden und teilweise verdeckten Einsatz entscheiden. Das Ganze steht aber auf des Messers Schneide. So, wie die Dinge stehen, bräuchte es nicht viel, um eine massive amerikanische Intervention zu provozieren und eine Neuauflage der „Operation Wüstensturm“ stünde uns bevor.
Übersetzung: Holger Hutt
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