Die USA können nicht florieren und eine lebendige Demokratie bleiben, wenn so wenige so viel und so viele so wenig haben. Viele meiner Kongress-Kolleg:innen ignorieren das Problem der Einkommens- und Vermögensungleichheit lieber. Dabei ist diese Ungleichheit eine der großen moralischen, wirtschaftlichen und politischen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind – und sie muss angegangen werden.
Die traurige Realität ist, dass wir uns schnell auf eine oligarchische Gesellschaftsform zubewegen. Während eine Handvoll Milliardäre über enormen Reichtum und Macht verfügen, haben arbeitende Familien so sehr zu kämpfen, wie wir es seit der Großen Depression nicht mehr erlebt haben. Die Corona-Pandemie hat diese Situation noch verschärft.
Die Hälfte der US-Bevölkerung hangelt sich heute von einer Lohn- oder Gehaltszahlung zur nächsten, 500.000 der Ärmsten sind obdachlos, Millionen fürchten sich vor Zwangsräumungen, 92 Millionen sind nicht oder nicht ausreichend versichert und viele Familien im ganzen Land sorgen sich darum, wie sie ihre Kinder satt kriegen. Dazu hat derzeit eine ganze Generation junger Menschen nach ihrem Studium unverschämt hohe Schulden und sieht sich der Realität gegenüber, dass ihr Lebensstandard niedriger sein wird als der ihrer Eltern. Am obszönsten aber ist die Tatsache, dass Amerikaner:innen mit niedrigem Einkommen eine Lebenserwartung haben, die fünfzehn Jahre niedriger liegt als die der Wohlhabenden. Armut in den USA ist zu einem Todesurteil geworden.
Die Schere zwischen Arm und Reich ist nichts Neues
Unterdessen hatten es die Leute an der Spitze nie so gut. Das oberste Prozent besitzt mehr als die unteren 92 Prozent zusammen, und die 50 wohlhabendsten Amerikaner:innen haben mehr als die untere Hälfte der US-Gesellschaft – immerhin 165 Millionen Menschen. Während Millionen Amerikaner:innen im Laufe der Pandemie ihre Arbeit verloren, wuchs der Reichtum von 650 Milliardären über das vergangene Jahr um 1,3 Billionen US-Dollar.
Dabei ist die zunehmende Schere zwischen den sehr reichen und allen Anderen nichts Neues. In den vergangenen vierzig Jahren gab es einen massiven Wohlstandstransfer von der Mittelschicht und Arbeiterfamilien hin zu den sehr Reichen in den USA. 1978 besaßen die obersten 0,1 Prozent rund sieben Prozent des Reichtums der Nation. 2019 – dem letzten Jahr, für das Zahlen vorliegen – waren es fast 20 Prozent.
Unglaublicherweise besitzen die beiden reichsten Leute in den USA, Jeff Bezos und Elon Musk, derzeit mehr als die unteren 40 Prozent aller Amerikaner:innen zusammen.
Wäre die Einkommensungleichheit in den letzten vier Jahrzehnten nicht in die Höhe geschnellt und einfach statisch geblieben, würde der durchschnittliche Arbeiter in Amerika jedes Jahr 42.000 Dollar mehr verdienen. Stattdessen bekommen die Chefs der Unternehmen heute mehr als das 300-fache ihrer durchschnittlichen Mitarbeiter, während der Durchschnittsarbeiter inflationsbereinigt pro Woche 32 Dollar weniger verdient als noch vor 48 Jahren. Mit anderen Worten: Trotz verbesserter Technologie und höherer Produktivität verlieren die einfachen Arbeiter:innen an Boden.
Kampf gegen mächtige Gegner
Einfach wird es nicht, die Einkommens- und Vermögensungleichheit anzugehen, weil wir uns dabei einige der mächtigsten und bestfinanzierten Bereiche im Land vornehmen müssen. Dazu gehören die Wall Street ebenso wie die Krankenversicherungsbranche, die Pharmaunternehmen, die Fossile-Brennstoffe-Industrie sowie der militärisch-industriellen Komplex. Aber es muss getan werden. Was Kongress und der Präsident in sehr naher Zukunft tun können.
Wir müssen den Mindestlohn vom derzeitigen Hungerlohn von 7,25 US-Dollar in der Stunde auf mindestens 15 US-Dollar anheben. Ein Arbeitsplatz sollte Arbeiter:innen aus der Armut herausholen, nicht darin halten.
Wir müssen es Arbeiter:innen leichter, nicht schwerer machen, einer Gewerkschaft beizutreten. Der massive Zuwachs an Vermögens- und Einkommensungleichheit kann direkt mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen der Gewerkschaften in den USA in Verbindung gebracht werden.
Investitionen in die Infrastruktur
Wir müssen Millionen gutbezahlter Jobs schaffen, indem wir unsere marode Infrastruktur wieder aufbauen – Straßen, Brücken, Kläranlagen, Abwasserkanäle, Rohrleitungen, Dämme, Schulen und bezahlbare Wohnungen.
Wir müssen den Klimawandel bekämpfen, indem wir unsere Energieversorgung neu einrichten: weg von fossilen Brennstoffen hin zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Dadurch würden auch Millionen gutbezahlter Arbeitsplätze geschaffen.
Und wir müssen tun, was praktisch jedes andere große Land tut, nämlich allen Menschen Gesundheitsversorgung als Grundrecht garantieren. Die Einführung von „Medicare for all“ – Krankenversicherung für alle – würde endlich die Absurdität beenden, dass wir pro Kopf zweimal so viel für Gesundheitsversorgung ausgeben wie Leute in anderen Ländern, während mehrere zehn Millionen Amerikaner:innen nicht oder nicht ausreichend versichert sind.
Die Reichen müssen ihren Anteil zahlen
Auch gilt es sicherzustellen, dass alle jungen Menschen in den USA unabhängig von ihrem Einkommen das Recht auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung haben – einschließlich eines Studiums. Und das bedeutet, öffentliche Colleges und Universitäten gebührenfrei zu machen und die Studien-Verschuldung für Arbeiterfamilien deutlich zu reduzieren.
Und ja, wir müssen dafür sorgen, dass die reichsten Leute und profitabelsten Konzerne in den USA beginnen, ihren gerechten Anteil an Steuern zu zahlen.
Eine zunehmende Einkommens- und Vermögensschere ist nicht nur eine ökonomische Frage, sondern berührt direkt das Fundament der US-amerikanischen Demokratie. Wenn die sehr Reichen noch mehr anhäufen, während der Lebensstandard von Millionen arbeitender Menschen weiter sinkt, sind die Konsequenzen abzusehen: Das Vertrauen in die Regierung und unsere demokratischen Institutionen wird bröckeln, während autoritäre Ideologien an Zulauf gewinnen. Das dürfen wir nicht zulassen.
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