Oh Nein! Meine Eltern sind bei Facebook

Generationenkonflikt Bis gestern war meine Welt als soziale Netzwerkerin in Ordnung. Aber jetzt bin ich plötzlich mit meinem Vater und meiner Mutter befreundet - und traumatisiert

Als ich mir vor zwei Jahren schließlich doch ein Profil bei Facebook anlegte, stellte ich eine strikte Regel auf: Ich würde als Facebook-Freunde nur Leute akzeptieren, die auch im wirklichen Leben meine Freunde waren. Das brachte mich gestern Abend in ein Dilemma, als die gänzlich unerwartete Meldung auf meinem Bildschirm auftauchte: „Ron Freeman und Helen Freeman haben Dich als Freundin auf Facebook geaddet.“ Gütiger Gott, es ist soweit – meine Eltern sind bei Facebook!

Den Computer einzuschalten ist seitdem zum Alptraum geworden. „Ron Freeman ist verheiratet“, war die fröhliche Meldung, die am frühen Morgen erwartete. Das war gut zu wissen.

Eigentlich sind die Facebook-Aktivitäten meiner Eltern bislang recht vorhersehbar. Mein Vater hat sich ein Profil-Foto ausgesucht, auf dem er wie der amerikanische Außenminister aussieht. Meine Mutter ist zwar auch auf Facebook eine verheiratete Frau, muss sich aber erst noch mit dieser neumodischen Digitalkamera-Geschichte zurechtfinden und bleibt einstweilen fotolos.

Aber etwas sehr seltsames geht dennoch vor sich. Innerhalb von 12 Stunden nach ihrem Beitritt hatte meine Mutter 32 Freunde und mein Vater 25, die meisten von ihnen waren mir völlig unbekannt. Wie war das möglich?

Zu erkennen, dass deine Eltern ein geheimes Leben führen, von dem du keine Ahnung hast, ist sicherlich eine der traumatischsten Erfahrungen des Erwachsenwerdens. Schlimmer noch, sie sind bereits mit alten Freunden der Familie auf Facebook befreundet, die sich während meiner ganzen Zeit bei Facebook nie die Mühe gemacht haben, mit mir in Kontakt zu treten. Wenn das so weitergeht, wird meine Mutter spätestens am Mittwoch beliebter sein als ich. An dem Tag, an dem sie sich gegeseitig anstubsen, werde ich Drew Barrymore anrufen und sie um die Nummer des Anwalts bitten, der ihr geholfen hat, ihre Eltern scheiden zu lassen.

Also gut, ich habe sie als Freunde akzeptiert. Es schien mir angemessen. Aber ich habe sie mit einem „Limited Profile“-Tag versehen, so dass sie wenig mehr als mein Foto zu sehen bekommen. Sie scheinen das bis jetzt noch nicht bemerkt zu haben.

Ich hingegen überprüfe alle paar Stunden ihre Profile, um zu sehen, was sie machen. Und eben dies stellte sich als das Deprimierendste überhaupt heraus: Anscheinend fesselt mich das Leben meiner Eltern mehr als sie das meine.


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Hadley Freeman, The Guardian | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden