In der Arktis leben heute noch Wale, die vor der Veröffentlichung von Herman Melvilles Roman Moby Dick 1851 geboren wurden. Das hindert den Menschen allerdings nicht daran, jedes Jahr an die 300.000 Wale, Delfine und Tümmler zu töten. Die meisten werden nicht einmal gezielt getötet, sondern sterben eher zufällig, wenn sie als Beifang in die Netze und Fanggeräte geraten, die eigentlich für andere Fische bestimmt sind.
Unsere Ozeane und das Leben, das sie enthalten, stehen von mehreren Seiten unter immer größerem Druck: Überfischung, Zusammenbruch des Klimas, Ölbohrungen und Vermüllung mit Plastik – um nur einige der wichtigsten Bedrohungen zu nennen.
Da mir die Bewahrung der Meere sehr am Herzen liegt, war ich eine von fast drei Millionen Menschen, die im vergangenen Jahr die Greenpeace-Kampagne Protect the Antarctic unterstützten, die die Einrichtung eines 1,8 Millionen Quadratkilometer großen Schutzgebiets forderte. Das vorgeschlagene Schutzgebiet im Weddell-Meer wäre das größte geschützte Gebiet weltweit und ein sicherer Rückzugsort für Pinguine, Robben, Wale und andere Meeresbewohner gewesen und hätte dazu geführt, dass diese unberührten Gewässer für die Ölförderung und die Fischindustrie tabu wären. Diese historische Gelegenheit wurde jedoch traurigerweise vertan, als Mitglieder der Antarctic Ocean Commission aus China, Norwegen und Russland das Verfahren verschleppten und den Antrag blockierten.
Doch das war nicht das Ende des Kampfes. Anfang der Woche haben Regierungen bei den Vereinten Nationen in New York mit der Verhandlung des ersten Textentwurfs eines globalen Ozeanvertrages begonnen, der sich auf Gebiete jenseits nationaler Grenzen erstrecken soll. Diese gewaltige Meeresfläche macht fast 50 Prozent der Erdoberfläche aus. Wenn die Verhandlungen schief gehen, könnte der Vertrag viele der schlimmsten Praktiken, die sich negativ auf die Weltmeere auswirken, festschreiben. Wenn alles gut läuft, könnte er hingegen den Weg für die Schaffung eines Netzwerks aus Meeresschutzgebieten ebnen und 30 Prozent unserer Meereswelt für menschliche Aktivitäten sperren.
Neue Bedrohung: Tiefseebergbau
Von wissenschaftlicher Seite ist die Sache klar. Die Meere erwärmen sich und versauern immer stärker, was Korallenriffe und andere fragile Ökosysteme zerstört. Die Verschmutzung mit Plastik erstickt das Meeresleben, und 90 Prozent der großen Fische wie Haie, Schwertfische und Thunfische sind infolge des Fischfangs bereits aus unseren Ozeanen verschwunden. Der Mangel an effektiver Steuerung in den internationalen Gewässern hat sie für der Ausbeutung durch die Fischerei und die extraktiven Industrien wie die Öl- und Gasförderung ausgeliefert. Nun entsteht eine neue Bedrohung. Führende Wissenschaftler warnen davor, dass unsere Ozeane durch Tiefseebergbau schwere und irreversible Schäden davontragen. Unternehmen stehen Schlange, um auf dem Meeresgrund Metalle und Mineralien abzubauen.
Paradoxerweise setzt sich die britische Regierung zwar für den Schutz der Meere ein, ist aber gleichzeitig auch beim Wettrennen um die Ausbeutung der Tiefsee ganz vorne mit dabei. Das Vereinigte Königreich besitzt Lizenzen zur Erkundung größerer Gebiete des Meeresgrundes als jedes andere Land – mit Ausnahme von China. Es scheint, als hätten wir aus den durch die Öl- und Gasförderung verursachten Umweltschäden wenig gelernt. Noch nicht einmal 0,01 Prozent dieser internationalen Gewässer wurden bislang untersucht und erforscht, und dennoch wird dem Streben nach Gewinn der Vorrang vor Umweltschutz und der wissenschaftlichen Forschung eingeräumt.
Was wir wissen, ist, dass das Leben auf der Erde auf gesunde Meere angewiesen ist. Unser Schicksal und das unserer Ozeane sind eng und untrennbar miteinander verbunden. Meeresschutzgebiete würden einen Schutz für wildlebende Populationen und Ökosysteme gewährleisten und ihnen erlauben, sich zu erholen und zu gedeihen. Die weiterreichenden Vorteile würden sich auch in anderen Teilen der Ozeane bemerkbar machen, die auch in Zukunft Ernährungssicherheit und Lebensgrundlage für Millionen von Menschen bieten würden. Gesunde Meeren spielen zudem eine entscheidende Rolle bei der Verlangsamung der Klimakrise. Die mannigfältigen Lebewesen und Pflanzen in unseren Meeren entnehmen und speichern Kohlenstoff aus der Atmosphäre und schließen ihn unter Wasser ein. Beschädigte und ausgelaugte Ozeane werden die Klimakrise, der wir uns gegenübersehen, nur noch weiter verschärfen.
Es geht um die Zukunft der Menschheit
Wir brauchen einen starken weltweiten Ozeanvertrag, denn im Augenblick existiert keine einzige Regulierungsbehörde, die die Gesamtverantwortung für die effektive Verwaltung und den Schutz unserer Ozeane trägt. Lediglich 0,8 Prozent der internationalen Gewässer sind wirksam geschützt. Die Verwaltung ist auf mehrere Gremien verteilt, sodass das Meeresleben durch die sich immer weiter ausbreitenden menschlichen Aktivitäten gefährdet ist.
Wir haben die Lösungen. Wir müssen die Ursachen der Klimakatastrophe bekämpfen, aufhören, fossile Energieträger zu verbrennen und unsere Energieversorgung zu 100 Prozent auf Erneuerbare umstellen. Gleichzeitig müssen wir uns um unsere Ozeane kümmern, um die Folgen der Klimaerwärmung abzuschwächen. Greenpeace und andere Umweltorganisationen fordern zusammen mit Wissenschaftlern und einer wachsenden Zahl von Regierungen ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten, die bis 2030 mindestens ein Drittel der Weltmeere abdecken sollen. Ein weltweiter Ozeanvertrag ist der erste Schritt, um sicherzustellen, dass unser blauer Planet weiterhin das Leben von Milliarden von Menschen sichert.
Die Regierungen müssen diese Gelegenheit nutzen und ein neues Kapitel in der Meerespolitik schreiben, das Schutz und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt. Jetzt ist es an der Zeit, aus Ehrgeiz Taten folgen zu lassen, geopolitische Differenzen und wirtschaftliches Gewinnstreben hintenanzustellen und im Interesse künftiger Generationen zu handeln. Wir haben eine historische Chance, den Schutz der Meere für die kommenden Jahrzehnte zu stärken. Was diesen Monat in New York passiert, wird tiefgreifende Folgen für die Zukunft der Menschheit haben.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.