Schon im Sommer 2022 begannen pakistanische Behörden damit, Afghanen auszuweisen, die seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 illegal eingereist waren. Die Zahl der Flüchtlinge wurde seinerzeit auf etwa 250.000 geschätzt. Vergangenen Oktober dann kam es zu ersten Festnahmen, die etwa 1.400 Menschen betrafen, darunter in Karatschi und Hyderabad 129 Frauen und 178 Kinder, die bis dahin höchsten Zahlen, sagen Anwälte. Womöglich müssen sie sich korrigieren, denn derzeit werden fast jeden Tag um die 300 Personen in das Nachbarland zurückgeschickt.
Pakistan fühlt sich dazu berechtigt, da man niemals die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannt hat, mit der die Verpflichtung verbunden wäre, Menschen zu schützen, die vor
n, die vor ernsthaftem Schaden fliehen. Die in Karatschi ansässige Menschenrechtsanwältin Moniza Kakar meint, viele der festgenommenen oder abgeschobenen Afghanen hätten gültige Visa in ihren Pässen oder Aufenthaltsnachweise, die von der Polizei kurzerhand für ungültig erklärt würden, wenn es zu Verhaftungen komme. Kakars Kollege Umer Ijaz Gilani wertet die Ausweisung der Asylbewerber als „eindeutigen Verstoß gegen das Non-Refoulement-Prinzip“, das eine Rückführung von Geflüchteten in ein Land verbietet, in dem sie verfolgt werden könnten. Er verlangt von der Nationalen Menschenrechtskommission (NCHR), sie müsse mehr tun, um den erzwungenen Exodus zu stoppen. „Die NCHR hat die Zuständigkeit. Kommt sie der nicht energisch nach, ziehen wir vor das Oberste Gericht“, so der Anwalt, der gut einhundert Afghanen vertritt, die in Islamabad Asyl beantragt haben.Farah Zia, die Direktorin der Menschenrechtskommission, empört, dass Frauen und Kinder nicht verschont werden, „obwohl ihre Verletzlichkeit durch Geschlecht oder Alter klar auf der Hand liegt“. Im Dezember wurden Fotos von inhaftierten Minderjährigen in Karatschi publik. Die Behörden verteidigen ihr Vorgehen. Die Regierung gehe nur gegen illegale Einwanderer vor, die ohne gültiges Reisedokument leben, sagt ihr Sprecher Murtaza Wahab.Nida Amiri*, eine Asylbewerberin in Karatschi, erzählt von „schlaflosen Nächten“, seit die Abschiebungen begonnen hätten. Ihr Mann, einst hoher Regierungsbeamter in Kabul, verstecke sich in Afghanistan. Sie selbst habe die Stadt im Dezember 2021 verlassen und arbeite seither als Köchin. „Ich würde lieber in einem pakistanischen Gefängnis sterben, als nach Kabul zurückzukehren.“ Sie ist bei der Gesellschaft für Menschenrechte und Gefangenenhilfe (Sharp) registriert, die mit dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) zusammenarbeitet, um Asylfälle zu prüfen. Amiris 21-jährige Tochter Afshaneh Noor beschreibt ihr Leben in Pakistan als mühsam und gefährlich. Müsse sie nach Afghanistan zurück, sei das freilich schlimmer. Ihre 14-jährige Schwester und ihr neunjähriger Bruder dürften nicht mehr zur Schule gehen, weil die Mutter eine Internierung der Kinder fürchte. „Sie hat uns eingeschärft, dass wir die Karte mit der Sharp-Registrierung immer bei uns tragen und das Haus nicht verlassen, es sei denn, dies ist absolut notwendig. Wir beteuern gegenüber den Nachbarn, aus Chitral, einer Region im Norden Pakistans, zu stammen. Die grenzt an Afghanistan.“Schwarze AbayaNadera Najeeb*, Witwe und Mutter von sechs Kindern, gehört der Hazara-Gemeinschaft an, einer von den Taliban verfolgten Minderheit schiitischer Muslime. Sie ist im November mit fünf ihrer Kinder, zwei Söhnen und drei Töchtern, illegal nach Pakistan eingereist. Bevor sie ging, verheiratete sie ihre älteste Tochter mit dem Sohn einer Cousine und ließ sie in Kabul zurück. Najeeb, die in einer Fabrik in Karatschi arbeitet, hat begonnen, eine schwarze Abaya zu tragen – einen langen, lockeren Mantel, der ihren Kopf und ihr Gesicht bedeckt, sodass nur ihre Augen zu sehen sind. „Auf diese Weise kann niemand erkennen, dass ich Afghanin bin“, glaubt sie. „Ich habe diese schwierige Reise unternommen, um meine Kinder zu schützen. Wenn wir hinter Gittern landen und dann zurückgeschickt werden, war alles umsonst.“* Namen geändert, um Identitäten zu schützen