Dafür, dass es sich bei den pakistanischen Taliban oder Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) um eine regional sehr begrenzt operierende islamistische Miliz handelt, schafft es die Gruppe häufig in die internationalen Schlagzeilen. Sie wurde 2007 mit dem Ziel gegründet, den bunt-gemischten Haufen extremistischer Gruppen zu vereinen, die in den unwegsamen Gebieten entlang der pakistanischen Grenze zu Afghanistan operieren.
Seitdem ist sie neben erbitterten internen Konkurrenzkämpfen in der Hauptsache damit beschäftigt, ihre unbarmherzige Herrschaft über die Enklaven gegen die pakistanischen Sicherheitskräfte zu behaupten und außerhalb der Grenzgebiete immer verwegenere und mörderischere Terroranschläge zu begehen. Mit einem Schlag von international
ernationaler Dimension wurde sie erst einmal in Verbindung gebracht – es ging um dem Plan, eine Bombe auf dem New Yorker Times Square zu zünden.Der jüngste Anschlag nun – das Massaker an einer Schule in Peschawar, das mindestens 141 Menschen, davon 132 Kinder, das Leben kostete – kann als „Erfolg“ an den verschiedenen nationalen Fronten verbucht werden und erregt gleichzeitig die Aufmerksamkeit der gesamten Weltöffentlichkeit – auch wenn dieser Aspekt wahrscheinlich keine herausgehobene Rolle gespielt haben dürfte.TTP steht seit einigen Monaten stark unter Druck. Es gab eine Reihe interner Abspaltungen. So machte sich etwa der einflussreiche Mehsud-Stamm wieder völlig selbstständig. Einige der Renegaten lehnen die brutale Gewalt ab, die schon seit langem zu einem vermeintlichen Markenzeichen der Bewegung geworden ist. Sprecher Mohammed Khurasani, der sich im Namen der Gruppe zu dem Blutbad vom Dienstag bekannte, macht seinen Job erst seit ein paar Wochen, seitdem sein Amtsvorgänger zu einer Abspaltung übergewechselt ist, die dem Islamischen Staat Loyalität gelobt hat.Sicherheitsverantwortliche und Experten wissen, dass Spaltungen und die damit einhergehende Infragestellung des Führungsanspruchs oft zu einer Brutalisierung führen, weil die verbliebenen Anhänger glauben, sie müssten ihre Schlagkraft und Entschlossenheit unter Beweis stellen.Gewalt, selbst wenn sie auf Ziele wie Schulen gerichtet ist, gilt als probates Mittel, in den Gebieten, die eine Gruppe für sich reklamiert, die eigene Autorität wieder herzustellen.Ziel mit gewaltiger psychologischer WirkungSeit Juni stehen die TTP erneut sehr konkret Druck. Die pakistanische Armee ist in die Stammesregion Nord-Wasiristan eingerückt, in der Dutzende Gruppen ihre Stützpunkte haben. Die jüngste Offensive gilt als Höhepunkt jahrelanger Bemühungen, die Militanten aus ihren Hochburgen zu vertreiben. Über tausend Kämpfer der Bewegung wurden Schätzungen zufolge im Laufe dieser Offensive bislang getötet.Da der jüngste Anschlag nur etwas mehr als 30 Kilometer von der Grenze entfernt stattfand, könnte man sich die Frage stellen, ob die pakistanischen Taliban unter Beweis zu stellen versuchen, dass sie auch über die Grenzen Pakistans hinaus handlungsfähig sind. Auszuschließen ist das nicht. Khurasani, der Sprecher, sagte über die Motivation allerdings nur, es habe sich bei der Operation um einen Racheakt für die Kinder gehandelt, die bei einer Offensive der Armee getötet worden seien.Schulen stehen allerdings schon seit langem im Fadenkreuz. Militante Islamisten haben in den vergangenen fünf Jahren allein in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa bereits über tausend Lehrgebäude zerstört. Sie symbolisieren die Autorität der Regierung und gelten als unislamisch. Die jüngst betroffene Schule liegt am Rande eines Armeestützpunktes in der Provinzhauptstadt Peschawar. Viele Kinder von Armeeangehörigen gehen hier zur Schule. Sie ist ein weiches Ziel mit einer gewaltigen psychologischen Wirkung.Selektive HaltungDen Hintergrund bildet der anhaltende Machtkampf zwischen den Generälen der Armee und der gewählten Regierung Pakistans. Premierminsiter Nawaz Sharif und Armee-Chef Raheel Sharif sind beide nach Peschawar geflogen und haben erklärt, sie wollten das Vorgehen der Sicherheitskräfte persönlich überwachen.Was in Washington und anderswo schon lange große Sorgen bereitet ist Pakistans „selektive“ Haltung zu militanten Islamisten. Von der afghanischen und indischen Regierung kommen immer wieder Vorwürfe, Pakistan biete Militanten Unterschlupf, die für eine Reihe von Anschlägen in den Nachbarländern verantwortlich gemacht werden. Als vergangenen Monat Sonderzüge für Anhänger der in Pakistan ansässigen Gruppe Lashkar-e-Taiba bereitgestellt wurden, die hinter den Anschlägen in Mumbai im Jahr 2008 stecken, war die Empörung in Dehli groß. Die Gruppe wird auch für einen Anschlag verantwortlich gemacht, der in diesem Jahr in Herat verübt wurde. Die Führung der afghanischen Taliban und andere aufständische Gruppen operieren schon seit langem von Pakistan aus.Offizielle Vertreter Pakistans weisen solche Behauptungen zurück und machen inoffiziell häufig ihrerseits ihre Nachbarn für die anhaltende Gewalt in Pakistan verantwortlich. Obwohl der TTP-Führer Mullah Fazlullah sich im Nordosten Afghanistans aufhält, sind einige in der Führung der pakistanischen Sicherheitskräfte der Überzeugung, dass sein Kampf von Dehli aus unterstützt wird.Sowohl Indiens Premier Narendra Modi als auch der neue afghanische Präsident Ashraf Ghani haben den Anschlag vom Dienstag umgehend verurteilt. Doch die vergiftete Atmosphäre und das gegenseitige Misstrauens machen eine wirkliche Verbesserung der Beziehungen zwischen den drei Ländern schwierig. Daran können die standardisierten Beileidsbekundungen nach dem jüngsten Anschlag nichts ändern. Es gibt auch nicht viele, die glauben, der Abzug der amerikanischen Kampftruppen aus Afghanistan könne zur Verbesserung der Lage beitragen. Vielmehr ist die Angst stark verbreitet, dass die Militanten, die bislang in den Gefechten mit den Amerikanern gebunden waren, sich neue Ziele suchen werden.