Diese Land gibt ein Fünftel seines Haushaltes für die Armee aus. Das waren 2008 nach offiziellen Angaben fünf Milliarden Dollar, eine atemberaubende Summe, wenn man bedenkt, wie viele Pakistani sich nicht ausreichend ernähren können. In diesem Jahr dürfte dieses Budget noch sehr viel höher liegen. Seit der Staatsgründung sind die Streitkräfte praktisch niemandem Rechenschaft schuldig, die hier zitierten Zahlen waren die ersten, die jemals veröffentlicht wurden.
Friedensverträge mit den Taliban
Die pakistanische Armee verfügt über 650.000 aktive Soldaten und 500.000 Reservisten sowie eine angeblich ausgesprochen hohe Loyalität zum Oberkommando. Da kann es kaum verwundern, wenn bislang nahezu alle demokratisch gewählten Präsidenten irgendwann von der Armee zum Rücktritt gezwungen und Pakistan 34 von den 62 Jahren seiner staatlichen Existenz von einem General regiert wurde.
Nur, wie lässt es sich dann erklären, dass es einem Haufen gerade einmal mit dem Nötigsten bewaffneter Aufständischer gelingen konnte, große Teile des Landes zu überrennen?
Ein Teil der Antwort ergibt sich aus dem Umstand, dass die Armee für einen konventionellen Krieg gegen den Erbfeind Indien und nicht für einen Aufstand ausgerüstet ist, wie ihn die Taliban im Westen Pakistans proben. Die Operationen von regulären Armeeeinheiten in den Stammesgebieten waren so ungenau, dass dadurch Tausende Zivilisten ihr Leben oder ihre Existenzgrundlage verloren. Man geht davon aus, dass fast eine Million Menschen vertrieben wurden.
„Kollateralschäden stärken immer die Taliban, sie verschaffen ihnen mehr Unterstützung“, sagt ein Journalist in der Nähe des Swat-Tals, der ungenannt bleiben möchte. Und die Versuche, den von Angriffen der Regierungstruppen verwüsteten Gemeinden beim Wiederaufbau zu helfen, sind zumeist sehr begrenzt und schlecht koordiniert. Infolgedessen haben die Armee und die Behörden vor Ort in den vergangenen Jahren kleinlaut Friedensverträge mit den Taliban geschlossen, auch wenn die selten Bestand hatten. Stets nutzten die Taliban die Feuerpausen, um sich neu zu formieren und wieder mit Waffen zu versorgen.
Auch halten sich hartnäckige Zweifel an der Entschlossenheit der Armee, die Taliban zu bekämpfen. Dieser Eindruck wurde verfestigt, als in der Vorwoche lediglich ein leicht bewaffneter Trupp Paramilitärs losgeschickt wurde, um die Taliban wieder aus der südlich von Swat gelegenen Buner-Region zu vertreiben, obwohl dieses Gebiet nicht übermäßig weit von Islamabad entfernt liegt.
Gewiss fällt dabei ins Gewicht, dass viele der an den Operationen der Armee beteiligten Soldaten Paschtunen wie die Taliban sind. Kein Wunder, wenn das Oberkommando bei dem Gedanken an einen Frontalangriff aus Angst vor mangelnder Geschlossenheit der eigenen Reihen nervös wird. Auch wenn man weit von einem Aufruhr entfernt ist, haben sich doch viele Soldaten geweigert, gegen ihre Stammesbrüder zu kämpfen, und sind desertiert.
Dies alles hielt die Armee nicht von in höchstem Maße destabilisierenden Operationen in den von paschtunischen Gemeinden bevölkerten Grenzregionen ab. Menschen, die aus dem Swat-Tal geflohen sind, erzählen, sie hätten sich des Gefühls nicht erwehren können, mehr im Visier der Armee als der Taliban gewesen zu sein. Einige führten dies auf die Angst der Armee vor Vergeltungsaktionen der Taliban zurück. Andere wiederum glaubten, sie seien beschossen worden, weil sie die nationalistische Paschtunen-Partei Awami National unterstützen, die in der Nordwest-Region die Regierung stellt. Es ist schwer, den Wahrheitsgehalt solcher in Pakistan weit verbreiteten Gerüchte zu beurteilen. Aber muss man das überhaupt, um zu verstehen, warum die pakistanische Armee beim Kampf gegen die Taliban versagt?
Intriganten, Strippenzieher, Makler
Die Geschichte der strategischen Inkompetenz dieser Streitkräfte reicht zurück bis ins Jahr 1948, als es zum ersten Krieg mit Indien kam. Damals strömten bewaffnete Stammesmitglieder aus den Regionen, die sich heute gegen den pakistanischen Staat erheben, in das von Indien kontrollierte Kaschmir ein. Nachdem sie die dort stationierten indischen Soldaten überrannt hatten, gab es eine Orgie von Vergewaltigungen und Plünderungen, bei denen die pakistanische Armee tatenlos zusah.
1965 befand man sich wieder im Krieg mit Indien und verlor trotz der besseren Ausrüstung mehr Panzer und Territorium als der Gegner. Der Tiefpunkt kam 1971 mit dem Krieg, der zur Unabhängigkeit Bangladeschs führte, als es zu regelrechten Vernichtungsaktionen gegen die indigene bengalische Bevölkerung kam. 1999 dann entwarf ein General namens Pervez Musharraf den taktisch brillanten, aber strategisch beinahe selbstmörderischen Plan der Invasion Kargils, eines indischen Außenpostens in den Bergen von Kaschmir – die pakistanische Armee wagte sich soweit vor, dass die Operation fast in einen Atomkrieg mündete.
Für all diese Fehler kann es keine monokausale Erklärung geben. Mit Sicherheit lässt sich sagen: das Unvermögen dieser Armee, ihr Land zu verteidigen, liegt auch darin begründet, dass sie sich um Dinge kümmert, die sie überhaupt nichts angehen. Der bahnbrechenden Studie Ayesha Siddiquas Military Inc zufolge beläuft sich das private Geschäftsvermögen des Offizierkorps auf ungefähr zehn Milliarden Pfund. Man hält einen beträchtlichen Teil der Wirtschaft und der Ländereien des Landes in Händen. Die Generale scheinen insofern mehr mit ihren Geschäften und Grundstücken, dem Strippenziehen und Intrigieren beschäftigt zu sein als mit der Verteidigung des Landes.
Das des Textes auf guardian.co.uk hat Mustafa Qadri mit vielen Links zu englischsprachigen Links versehen.Original
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