Public Dancer

Fitness Wozu treffen sich 25 Frauen in Sportkleidung in einem Tanzstudio? Genau, um richtig abzuhotten. Der neue Fitness-Trend "Dance Dance Party Party" simuliert Disco-Abende

Ich befinde mich in einem dunklen Raum, Musik dröhnt laut. Um mich herum springen Leute hoch und runter, sie drehen völlig durch. Ich schwitze, sie schwitzen. Es macht Spaß – eine Flucht in die gedankenzerstreuende Welt der körperlichen Bewegung. Und das Beste daran: Ich tue mir etwas Gutes.

Das hier ist nämlich keine Samstagnacht in einem gewöhnlichen Club, sondern ein Tanzstudio an einem gewöhnlichen Dienstagabend um 19 Uhr 30. Die anderen Tänzer tragen Sportkleidung, keine Highheels. Ich bin gerade Teil des neuesten Fitness-Trends, der New York, Chicago, Toronto, Austin, Vancouver und vor wenigen Monaten auch London erfasst hat. Er nennt sich Dance Dance Party Party (DDPP) und es sind nur Frauen dabei.

Hat das wirklich einen Nutzen?

Tanz-Fitnesskurse erfreuen sich schon seit einiger Zeit wachsender Beliebtheit – viele meiner Freunde zum Beispiel sind total verrückt nach Zumba-Fitness. Ich kann aber eher wenig Gefallen an Gruppenkursen finden, deren herumkommandierende Kursleiter in mir Erinnerungen an den Sportunterricht in der Schule wachrufen. Als ich erstmals von DDPP hörte, war ich denn auch zugegebenermaßen zunächst skeptisch. Ob ich wirklich um halb acht abends inmitten eines Haufens Fremder in Fitnessklamotten in der Musik aufgehen können würde? Und hätte das wirklich einen Nutzen für mich?

Es ist schon ein bisschen länger her, dass ich aus Spaß zum Tanzen ausgegangen bin. Ich kann mich aber noch erinnern, dass das Beste daran war, in einer Runde vertrauter Freunde die eigenen Hemmungen abzuwerfen. Zu einer DDPP-Veranstaltung könne man hingegen ganz allein gehen und müsse trotzdem nicht fürchten, sich zu schämen, sagt zumindest Helen Preddy, die das Ganze in Großbritannien organisiert. Um diese Behauptung auf die Probe zu stellen, besuchte ich also einen ihrer Kurse im Ostlondoner Stadtteil Shadwell. Als ich ankam, spielte bereits die Musik, der Raum war bereits dunkel und die Regeln – keine Typen, kein Alkohol, kein Reden, kein Bewerten – waren bereits in Kraft, was ein bisschen geholfen haben könnte, meine Hemmschwelle zu überschreiten.

Nachdem ich kurz den Drang verspürte, zum Ausgang zu stürmen, hatte es mich gepackt. Immerhin darf man bei DDPP nicht reden – was außer tanzen hätte ich also tun sollen?
Die neunzig Minuten waren richtiggehend ekstatisch. Musikalisch wurde ein gut gewählter Mix von Paul Simon über die Chemical Brothers bis Florence and the Machine gespielt. Es war beinahe unmöglich, sich nicht dazu zu bewegen, sich vom einschießenden Endorphin berauschen zu lassen. Wer gerne bei lauter Musik zuhause im Schlafzimmer tanzt, wird das hier lieben.

Bei so viel Springen und Lachen hält einen das Tanzen doch sicher auch fit, denke ich mir und frage Dr. Anas El-Turabi von der Universität Cambridge, ob eine Stunde Tanzen wirklich so viel bringt, wie eine Stunde an den Geräten im Fitnessstudio. "Tanzen kann eine hervorragende Form des aerobischen Trainings sein. Besonders deshalb, weil viele Leute, dich sich nicht für das Laufband oder Jogging motivieren können, vielleicht viel mehr Freude am Tanzen haben."

Auch der psychischen Gesundheit sei Tanzen zuträglich, so El-Turabi: "Wir wissen, dass regelmäßiges aerobes Training nicht nur die Ausdauer verbessert und das Risiko verringert, im späteren Leben eine Vielzahl ernster Gesundheitsprobleme wie Übergewicht, Herzkrankheiten, hohen Blutdruck, Schlaganfälle oder Diabetes zu entwickeln, sondern auch die Stimmung hebt, Spannungen abbaut und zum Entspannen hilft. All das ist wichtig für den Erhalt der psychischen Gesundheit."

Tanzen, ohne betrunken zu sein

Nach einer "Abkühlphase" nach der Tanz-Orgie unterhielt ich mich mit einigen anderen Teilnehmerinnen. Sie waren ähnlich begeistert wie ich. Die meisten von ihnen waren zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt und mochten besonders die entspannte Atmosphäre. "Eigentlich ist das überhaupt nicht mein Ding", sagt etwa Sarah Hall. "Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zum letzten Mal in der Öffentlichkeit getanzt habe, ohne betrunken zu sein. Aber ich fand es toll. Das Ausschlaggebende ist, dass es dunkel ist, man sich also nicht geniert."

Die 30jährige Emma Adams schätzt vor allem, ein Sportprogramm ohne diktatorische Befehle eines Trainers absolviert zu haben: "Man wird fit und merkt es gar nicht", sagt sie. Beim DDPP sagt einem niemand, dass man mehr zu geben habe oder „das Brennen spüren“ soll – man entscheidet selbst, wie sehr man sich anstrengt und wann Zeit ist für eine Wasserpause. Und das Ganze für gerade mal knapp drei Euro.

Allerdings sollte man doch darüber nachdenken, ob ein guter Grund besteht, das andere Geschlecht auszuschließen. In diesem Fall ist es meiner Meinung nach gerechtfertigt. Tanzen ist seit jeher mit Abschleppen verbunden – es ist sexy und das ist auch gut so. Manchmal allerdings will man diesen Genuss einfach ohne sexuelle Spannung haben.

Preddy's DDPP-Abende sind noch keine Massenveranstaltungen – als ich da war, tanzten ungefähr noch 25 andere Frauen. Der Zulauf wächst allerdings und Preddy plant bereits, in größere Räumlichkeiten umzuziehen. Meiner Erfahrung nach zu urteilen wird das, sobald DDPP sich herumgesprochen hat, nicht mehr allzu lange dauern. Ich auf jeden Fall habe vor, bald mal wieder einen Dienstagabend damit zu verbringen. Wer kommt mit?

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Naomi Aldermann | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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