Vereinigtes Königreich Ihre diplomatischen Fähigkeiten wurden zuweilen auf die Probe gestellt, aber Elizabeth II. wird in Großbritannien als Kraft des nationalen Zusammenhalts in Erinnerung bleiben
Elizabeth II. führte ein Leben im Dienste der Krone
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Elizabeth II. bekam ihren Job von einer altehrwürdigen Verfassung auferlegt. Es war keine andere Qualifizierung erforderlich, als dass sie existierte. Was auch immer ihre privaten Gedanken waren: Sie füllte die Rolle über eine extrem lange Regierungszeit in fast fehlerloser Weise aus, und gab auch den schärfsten Gegnern des Vererbungsprinzips nur wenig Munition, sie persönlich anzugreifen.
Während ihrer Regierungszeit machte Großbritannien einen außerordentlichen gesellschaftlichen Wandel durch. Die Aufrechterhaltung der Monarchie stellte die Königin immer wieder vor große Herausforderungen, aber es gelang ihr, eine Kraft des nationalen Zusammenhalts zu bleiben. Sie war eine Konstante: In farbenfrohem Mantel, mit Hut und Handtasche bewaffnet
bewaffnet, schritt sie mit unerschütterlichem Lächeln durch „Begehungen“, Gartenpartys, Schiffstaufen, Enthüllungen von Gedenktafeln, Baumpflanzungen, Gebäudeeinweihungen – das A und O ihres Terminkalenders.So jung Königin zu werden, bedeutete, dass die Welt vor ihrer Thronbesteigung wenig von ihrer Persönlichkeit und ihren Ansichten wusste, und auch danach enthüllte sie darüber nur wenig. Nie äußerste sie eine kontroverse Meinung in der Öffentlichkeit. Allerdings streiten Anhänger:innen und Kritiker:innen darüber, ob das schlicht daran lag, dass sie keine hatte, oder dass sie eine Meisterin in der Kunst der politischen Neutralität war.Job und Leben lassen sich nicht trennenWenn sie ins Wanken geriet, wurde das meist durch einen fehlenden Präzedenzfall im Protokoll verursacht, auf dem ihr Leben beruhte, oder durch Politiker:innen oder die Eskapaden der jüngeren Royals. Wie sie einmal sagte: „Natürlich gehören in einem solchen Leben Job und Leben zusammen – es lässt sich nicht wirklich trennen.“ Bis zu einem gewissen Maß waren Person und Position ein und dasselbe. Aber nicht ganz. Sie hielt viel zurück. Nur die engsten Angehörigen kannten Elizabeth die Ehefrau, Mutter, Großmutter und exzellente Schauspielerin. Auch wenn die Massen gelegentlich einen Blick auf die private Frau erhaschten, blieb sie weitgehend ein Rätsel. Und das wird so bleiben, bis die Tagebücher, die sie nach königlicher Tradition täglich schrieb, veröffentlicht werden.Placeholder image-1Prinzessin Elizabeth Alexandra Mary wurde am 21. April 1926, in der Bruton Street 17, Mayfair, dem Haus ihrer Großeltern mütterlicherseits in London, als dritte in der Thronfolge geboren. Es waren turbulente Zeiten: Zwölf Tage später kam es zum neuntägigen Generalstreik im ganzen Land in Solidarität mit den Bergarbeitern. Drei Monate zuvor hatte John Logie Baird zum ersten Mal öffentlich das Fernsehen vorgeführt, das – wie später der Schnellreiseverkehr und das Internet – noch zu ihren Lebzeiten die Welt verändern sollte.Als ihr Onkel David, der damalige Edward VIII. abdankte, um die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten, wurde Elizabeth im Alter von 10 Jahren zur Thronfolgerin. Für die gehorsame, vernünftige Prinzessin, die jeden Abend ihre Spielzeugponys vor der Kinderzimmertür aufstellte, zu Hause beschult und auf ein aristokratisches Leben als unbedeutendes Mitglied der Königlichen Familie vorbereitet wurde, war dies eine traumatische Wendung. Wie ihre Großmutter Lady Strathmore später erzählte, „betete sie inbrünstig, dass sie einen Bruder kriegen würde“. Aber das geschah nicht.Ihr stotternder, introvertierter Vater, George VI, starb 1952 vorzeitig. Damals war sie 25 Jahre alt, eine junge Ehefrau und Mutter von zwei Kindern, die auf viele weitere Jahre zwischen sich und der Krone gehofft hatte.„Mein Vater starb viel zu jung“In dem Elizabeth-R-Dokumentarfilm für die BBC anlässlich 40 Jubiläum ihrer Thronbesteigung erklärte sie: „In gewisser Weise hatte ich keine Ausbildungszeit. Mein Vater starb viel zu jung. Sehr plötzlich hieß es übernehmen und den Job so gut zu machen wie man kann. Es ist eine Frage des Hineinreifens in etwas, an das man sich gewöhnt hatte, und zu akzeptieren, dass man an einer bestimmten Stelle steht und das dein Schicksal ist, weil ich glaube, dass Kontinuität sehr wichtig ist. Es ist ein Job fürs Leben.“Placeholder image-2Das war eine knappe Zusammenfassung ihrer pragmatischen Einstellung zu ihrem Los. Die Krönung im Jahr 1953 zog tausende Menschen an. In einem ungewöhnlich kalten Juni-Regen und inmitten einer Flut von festlichem Kitsch wurde die strahlende junge Königin an der Seite ihres gutaussehenden Mannes, Prinz Philip, gekrönt. Die öffentliche Bewunderung und weltweite Faszination, die sie auf sich zog, war in diesen frühen Jahren auf einem nie dagewesenen Niveau. Das änderte sich erst, als Lady Diana Spencer 30 Jahre später Teil der Familien-Firma wurde. Ein Drittel von Elizabeths Untertanen glaubte, sie sei von Gott erwählt. Ehrerbietung war das Gebot der Stunde.Philip war 73 Jahre lang an ihrer Seite. Sie war zutiefst traurig über den Verlust ihres Lebensgefährten, der im April 2021 im Alter von 99 Jahren im Schlaf starb. Nach seinem Tod während der Covid-Pandemie saß sie allein und trauernd in der St. George's Chapel, Windsor Castle, während der ergreifenden Beerdigung, die wegen der Coronavirus-Beschränkungen zahlenmäßig stark beschränkt werden musste. Die beiden Eheleute hatten die letzten Monate seines Lebens gemeinsam im Lockdown in Windsor verbracht, wo sie sich wegen der besonderen Gefährdung wegen ihres hohen Alters schützten.Auch wenn Pflichtbewusstsein und Fleiß ihre eigenen Leitmotive waren, kam es zu Situationen, in denen Elizabeth trotz aller Bemühungen auf verlorenem Posten stand. Tiefpunkt war vielleicht das Jahr 1992, das die Königin selbst als ihr „annus horribilis“, deutsch: schreckliches Jahr, bezeichnete. Damals stellte eine skandalmüde Öffentlichkeit in Frage, ob sich fehlverhaltende Royals ihren steuerfreien Status und ihren vom Steuerzahler finanzierten Lebensstil verdient hatten. Der Unmut wurde von den Zeitungen angeheizt, die schon lange Ehrerbietung zugunsten auflagensteigernder Schlagzeilen aufgegeben hatten. Die wilde Aufregung über den Zustand der Ehen des Prinzen von Wales und des Herzogs von York war groß. Die Yorks trennten sich, Prinzessin Anne ließ sich scheiden, Andrew Morton veröffentlichte sein beunruhigendes Buch „Diana: Ihre wahre Geschichte“. Zudem fanden Aufnahmen peinlicher Telefongespräche ihren Weg in die Boulevardpresse – eins mit Diana, das andere zwischen Charles und seiner damaligen Geliebten Camilla Parker Bowles.Eine seltene Träne der MonarchinAls dann ein Teil von Windsor Castle abbrannte und eine untröstliche Königin in einem tristen Regenmantel zuschaute und eine seltene Träne glitzert, folgte eine Welle der Anteilnahme. Doch sie wurde schnell durch Empörung ersetzt, als die Regierung vorschlug, die Steuerzahler sollten für die Reparaturkosten aufkommen.Ende des gleichen Jahres hielt sie in der Guildhall, dem früheren Londoner Rathaus, eine Rede, die bemerkenswert und in ihrem Ton beispiellos war. Erschüttert und fassungslos warb die Queen offen und ehrlich um Verständnis. „Keine Institution – Stadt, Monarchie, was auch immer – sollte erwarten, dass sie frei von der genauen Untersuchung durch die sei, die ihnen loyal gegenüber sind, ganz zu schweigen denen, die es nicht sind.“ Die meisten Menschen aber versuchten, ihren Job so gut wie möglich zu machen, fügte sie in einem kaum als solchem verschleierten persönlichen Appell hinzu. „Ich wage zu behaupten, dass die Geschichte eine gemäßigtere Sicht auf die Dinge haben wird als einige zeitgenössische Kommentatoren.“ Sie war zweifellos verletzt.Innerhalb eines Monats wurde bekannt gegeben, dass Charles und Diana sich trennen, dass die Königin und Charles künftig Steuern auf ihr privates Einkommen zahlen und die Mitglieder der erweiterten königlichen Familie keine Zuwendungen mehr erhalten sollen. Zudem beschloss die Queen den Buckingham Palace für die Öffentlichkeit zu öffnen, um die Reparaturen in Windsor zu finanzieren.Es war ein dramatischer Tiefpunkt, der den unumkehrbaren Wandel im Verhältnis zwischen Untertanen und Königshaus verdeutlichte. Solange das königliche Leben untadelig war, ließ sich für Privatsphäre argumentieren. War dies nicht mehr der Fall, änderten sich die Regeln. Unerwünschte Publicity war etwas, das sie ertragen musste.Wie es sich für eine konstitutionelle Monarchie gehört, zeigte sich Elisabeth II. weitgehend passiv und erwies sich als mehr als kompetentes Sprachrohr für ihre Regierungen, indem sie die oft gestelzten Worte von Politikern oder Beratern des Hofes vortrug.Ihre Familie war der Grund für TurbulenzenAuch als Mutter zeigte sie Tendenzen zur Passivität und neigte dazu, ihre Kinder ihr eigenes Ding machen zu lassen. Es hieß, dass sie sich lieber in ihre roten Kisten mit der offiziellen Regierungskorrespondenz vertiefte, als sich mit Familienzwistigkeiten und anderen emotionalen Dramen zu beschäftigen.Dennoch war die Familie die Ursache für die turbulenteren Phasen ihrer Regierungszeit. Als 2020 der Duke und die Duchess von Sussex als höhere arbeitende Royals zurücktraten und in die USA gingen, um Freiheit und die Möglichkeit zu suchen, ihr eigenes Geld zu verdienen, war das der Beginn eines schwierigen Kapitels für die Monarchie.Während Philip im Krankenhaus lag, gaben Harry und Meghan im März 2021 der US-amerikanischen Moderatorin Oprah Winfrey ein brisantes Interview. Darin warfen sie einem nicht genannten Mitglied der Köngisfamilie Rassismus gegen ihren Sohn Archie vor dessen Geburt vor. Zudem habe das Königshaus versagt, der selbstmordgefährdeten Duchess zu helfen.In Reaktion auf das Interview veröffentlichte die Queen ein Statement mit sorgfältig gewählten Worten. „Während manche Erinnerung voneinander abweichen mögen“, so die Königin, werde man die aufgebrachten Themen „sehr ernst“ nehmen, aber sich privat als Familie damit auseinandersetzen.Prince Andrews nicht endende SkandaleZur gleichen Zeit erlebte der Duke of York einen Sturm, der auch die Institution Königshaus bedrohte. Nachdem er im November 2019 nach einem Skandal-Fernsehinterview wegen seiner Freundschaft mit dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein gezwungen war, sich von öffentlichen Aufgaben zurückzuziehen, sah er sich zunehmendem Druck ausgesetzt, Fragen des FBI zu beantworten.Virginia Giuffre, die auch Hauptklägerin gegen Epstein war, warf Andrew vor, von Epstein vermittelt mit ihr Sex gehabt zu haben, als sie 17 Jahre alt war. Der Herzog von York bestritt das vehement. Als dann Ghislaine Maxwell in den USA wegen der Anschuldigungen, sie habe Mädchen für Epstein angeworben, vor Gericht verurteilt wurde, reichte Giuffre bei einem Bundesgericht in New York eine Zivilklage gegen den Herzog ein, in der sie Schmerzensgeld in nicht genannter Höhe forderte.Im Februar 2022 endete der Prozess mit einem Vergleich. Der Herzog zahlte eine ungenannte Summe.Während ihrer gesamten Regierungszeit wirkte die Queen manchmal weit entfernt und unnahbar. „Aberfan: Das hat sie falsch eingeschätzt und weiß es“, sagte ihr früherer Privatsekretär Sir Martin Charteris einmal darüber, dass sie erst mit sechs Tagen Verzögerung 1966 bei einem Grubenunglück in Südwales vor Ort war, bei dem 115 Kinder und 28 Erwachsene getötet wurden. Sie hatte befürchtet, dass ihre Anwesenheit von den Trauernden ablenken würde.Elizabeth reagierte zu spät auf Dianas TodNach Dianas Tod im Jahr 1997 schien das Land in eine Massenhysterie zu verfallen und Schlagzeilen kreischten: „Zeig uns, dass du betroffen bist.“ Damals blieb sie auf ihrem schottischen Landsitz Balmoral, tröstete die jungen Prinzen William und Harry und war – vielleicht zu Recht – davon überzeugt, dass sie in dieser Situation stärker als Großmutter gebraucht wurde als als Königin.Trotz nervöser Palastbeamter, die eine Revolution witterten, wendete sie eine mögliche Krise ab, indem sie Diana später in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache an die Nation ehrte, in ihrer Rolle „als eure Königin und als Großmutter“, wie sie betonte. Zudem entschloss sie sich, gegen das Protokoll zu verstoßen, indem sie die Flagge über dem Buckingham Palast auf halbmast setzen ließ.Tränen in der Öffentlichkeit waren rar, aber kamen vor: Als ihre geliebte königliche Yacht Britannia im Dezember 1997 außer Betrieb genommen wurde ebenso wie beim Gottesdienst für die Opfer des Anschlags vom 11. September in New York 2001. Tränen waren auch zu sehen, als sie 2002, nur wenige Monate nach dem Tod ihrer Mutter, deren Rolle bei der Einweihung des Field of Remembrance in Westminster Abbey übernahm.Ihre Zögerlichkeit, in der Öffentlichkeit Emotionen zu zeigen, war wohl ebenso auf ihre Generation wie auf ihre Gene zurückzuführen. Häufig schrieb man sie aber ihrer angeblichen Unsentimentalität und Unnahbarkeit zu. Es war immer ein Kampf, richtig zu liegen, selbst wenn sie ihr Bestes versuchte.Schon früh, während ihrer Australienreise 1954, bemerkten die Beamten „das Lächelproblem“ und griffen Presseberichte auf, wonach sie ziemlich missmutig ausgesehen habe. „Wenn ich nicht lächle, sehe ich sauer aus, aber ich bin nicht sauer“, sagte sie verärgert zu einem besorgten Mitarbeiter, während ihr Kiefer vom stundenlangen Grinsen schmerzte.Königlicher GlamourSie lächelte weiter oder versuchte es; und winkte. Und trug Hüte, obwohl sie dachte, dass sie sie „wie ein Schaf aussehen“ ließen. Laut Freunden „war es ihr völlig egal“, was sie trug. Sie hatte wenig Interesse an Kleidern und zog das in ihrem Kleiderschrank an, was sie für passend für den Job hielt, der anstand: glänzendes Kleid und Diamant-Diadem für das Bankett, Hut und eine Handtasche zum Mittagessen. Dabei besaß sie offenbar die einzigartige Fähigkeit, ohne Spiegel ein Diadem perfekt auf dem Kopf zu platzieren. Auch in späteren Jahren bewahrte sie sich ihren königlichen Glamour.Aber das waren die Accessoires des Amtes. Im Herzen eine Landfrau, war sie am glücklichsten auf dem Pferderücken oder in einem Tweedrock, mit festen Schuhen und Kopftuch, wenn sie mit ihren Corgis spazieren ging, verwundeten Fasanen den Hals umdrehte oder durch die Hochlandmoore von Balmoral wanderte. Auf ihrem schottischen Landsitz war sie eine andere Königin. Laut Freunden „lief sie dort in abgenutzten Kleidern herum, lachte, scherzte, machte mit, sang sogar schmutzige Lieder“.Dort verlebten sie und Philip, in den sie sich mit 13 verliebte und den sie während ihrer ganzen Ehe als „Kraft und Halt“ bezeichnete, kostbare Zeit mit ihrer jungen Familie, weit weg vom Druck und der Arbeit als Königin.Placeholder image-4Besucher teilten nicht immer ihre Begeisterung für Balmoral Castle. Es war zugig, ein wenig abgenutzt und an manchen Stellen heruntergekommen. Aber solche Details faszinierten die Öffentlichkeit: Eine Königin, die ihr Müsli in Tupperware aufbewahrte, mit einem elektrischen Kamin heizte und einen Big Mouth Billy Bass, einen batteriebetriebenen Fisch, auf ihrem Klavier hielt, wirkte weniger abgehoben, auch wenn sie jeden Morgen von Dudelsäcken geweckt wurde.Als Margaret Thatcher Premierministerin war, fürchtete sie ihren obligatorischen Sommeraufenthalt in Schottland und war nicht in der Lage, sich bei informellen Grillabenden an windigen Hängen zu entspannen – Philip bei den Würstchen, die Königin am Salat, während Charles das Dressing anrührte. Noch schlimmer waren vielleicht die Scharaden nach dem Abendessen. Das räumte die Queen später bei einem Abendessen mit sechs ihrer früheren Premierminister ein, als sie über „die Partyspiele, die einige von Ihnen auf Balmoral so nobel ertragen haben“, scherzte.Streit mit Margaret ThatcherSolche Details trugen dazu bei, eine Frau näher zu charakterisieren, über die man persönlich nur wenig wusste. Aus diesem Grund erregte die „Thatcher row“-Story der Sunday Times 1986 so viel Aufsehen. Unter der Überschrift „Queen dismayed by uncaring Thatcher“ (Königin bestürzt über gefühllose Thatcher) wurde behauptet, die Königin stehe in Wirklichkeit eher links und sei besorgt über Thatchers Weigerung, harte Sanktionen gegen das Apartheidregime in Südafrika zu verhängen. Darüber hinaus machte sich Ihre Majestät angeblich auch Sorgen über die „Rassenbeziehungen“, den Verfall der Innenstädte und die durch den Bergarbeiterstreik verursachten Schäden für das soziale Gefüge Großbritanniens.Das war explosiv und es wurde sofort bestritten. Eine eilige Untersuchung des Palastes ergab, dass der damalige Pressesprecher der Queen, Michael Shea, ohne königliche Zustimmung mit einem Reporter der Sunday Times gesprochen habe. Bei den gestellten Fragen und gegebenen Antworten sei es zu „Missverständnissen“ gekommen. Oppositionsführer Neil Kinnock, der sich weigerte, aus dem politischen Gold Kapital zu schlagen, führte dies auf „Hofmitarbeiter mit locker sitzender Zunge und hellhörige Reporter“ zurück.Unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Vorfalls machte der Aufruhr die unterschiedliche Sichtweise, die sie und ihre Regierungen in Bezug auf das Commonwealth oft hatten, deutlich. Nach dem Ende des Empire, das ihr Vater geerbt hatte, trug ihr persönliches Engagement für das Commonwealth zweifellos dazu bei, einige der schlimmsten Folgen der postkolonialen Krise zu mildern.Erfolg des CommonwealthSie war Königin von 16 Commonwealth-Staaten, zuletzt von 15, einschließlich des Vereinigten Königreichs, und ein einfühlsames Oberhaupt der lockeren 54-Nationen-Vereinigung Commonwealth, die aus der Asche des Empire entstanden ist. Sie betrachtete dessen Erfolg als eine ihrer größten Errungenschaften und setzte sich immer wieder für es ein.Als Neuling in der Politik wuchs sie an der Seite von Commonwealth-Führern wie Kenneth Kaunda aus Sambia, Indira Gandhi aus Indien und Julius Nyerere aus Tansania. Verfassungsrechtlich kann die britische Regierung dem Buckingham-Palast keine bestimmte Sichtweise auf das Commonwealth aufzwingen, und es wäre auch schwierig gewesen, das zu tun. Da viele Staats- und Regierungschefs bei der Queen ein offenes Ohr für ihre privaten Sorgen suchten, war sie, wie Philip es ausdrückte, die „Psychotherapeutin des Commonwealth“.Placeholder image-3Infolgedessen fand sie sich manchmal in schwierige Situationen wieder. Als Ian Smith seine einseitige Unabhängigkeitserklärung abgab – für die Herrschaft der weißen Minderheit in Südrhodesien, wie es damals hieß – stimmte sie der Bitte des Labour-Premierministers Harold Wilson zu, dass sie auf keinen Fall die Rolle des Staatsoberhaupts eines Rebellenregimes übernehmen dürfe. Ihre persönliche Botschaft, in der sie Smith zu einem Kompromiss aufforderte, wurde in seinem Kampf um Unterstützung falsch interpretiert. Das wirft die Frage auf, ob sie sie je hätte schreiben dürfen.Die Rolle im Commonwealth, die sie sich erarbeitet hatte, muss ihre Neutralität oft auf die Probe gestellt haben. Die Bewerbung Großbritanniens für den gemeinsamen Markt in Europa schürte die Angst vor einer schwächeren Handelsposition der Commonwealth-Länder gegenüber Großbritannien. In der Suez-Krise von 1956 verbündete sich die Mehrheit der Commonwealth-Staaten in den Vereinten Nationen gegen Großbritannien. Es gab noch weitere Beispiele. In jedem Fall war es eine schwierige Aufgabe, sich die Sorgen der Staats- und Regierungschefs auf den alle zwei Jahre stattfindenden Treffen der Commonwealth-Regierungschefs anzuhören, an denen sie teilnahm. Angesichts ihres langen Lebens stellte ihre Erfahrung in Weltangelegenheiten am Ende wohl die aller ihrer Premierminister in den Schatten. Die Einzelheiten ihrer wöchentlichen Audienzen waren geheim, aber die meisten müssen von ihrem Erfahrungsschatz profitiert haben.Probleme mit den PremiersManchmal brachten sie auch Premierminister:innen in schwierige Lagen. Nicht zuletzt Harold Macmillan. Da es in der konservativen Partei der Nachkriegszeit keine formellen Regeln für die Wahl eines Parteivorsitzenden gab, hatte sie das königliche Privileg und das verfassungsmäßige Recht, zu entscheiden, wen sie mit der Bildung einer konservativen Regierung beauftragen wollte.Der Rücktritt von Sir Anthony Eden im Jahr 1957 zwang sie, sich zwischen Rab Butler und Harold Macmillan zu entscheiden. Letzterer erhielt die meisten Stimmen. Doch 1963 wurde sie unwissentlich in einen hässlichen Parteistreit hineingezogen, als ein kränkelnder Macmillan, der gerade als Premierminister zurückgetreten war, sie vom Krankenhausbett aus davon überzeugte, Alec Douglas-Home anstelle seines Stellvertreters Butler zu seinem Nachfolger zu machen.Weil sie sich Macmillans Rat verpflichtet fühlte, traf die Queen laut ihrem Biographen, dem Historiker Ben Pimlott, „die größte politische Fehleinschätzung ihrer Regierungszeit“. Es führte dazu, dass die Konservativen dem Beispiel der Labourpartei folgten und einen Auswahlprozess einführten, damit die Queen nie wieder in eine so peinliche Lage gebracht würde. Persönlich war Lord Home ihr viel lieber als Butler, wie politische Berater von damals erzählen. Die beiden unterhielten sich gern über Hunde, die Jagd und schottische Ländereien.Zweifellos hatte die Queen ihre Lieblingspremierminister. Wilson war ein Volltreffer. Edward Heath fand sie ein bisschen schwierig. Und obwohl man nicht sagen kann, dass sie und Thatcher ein herzliches Verhältnis hatten, so war es doch respektvoll. Die Queen nahm 2013 sogar an Thatchers Beerdigungsfeier teil, der einzigen Beerdigung eines Premiers bei der sie war, außer der von Sir Winston Churchill im Jahr 1965.Vertreterin ihrer NationAls Aushängeschild der Nation war es ihre Aufgabe, im Wesentlichen deren Wünsche zu erfüllen. Häufig war es ihre Rolle, Gesten der Versöhnung zu zeigen. So besuchte sie 1965 Deutschland und signalisierte damit das Ende des Pariastatus in der Nachkriegszeit. 2011 war sie die erste britische Monarchin seit einem Jahrhundert, die die Republik Irland besuchte.Manchmal fanden solche Besuche des guten Willens jedoch vor einem sehr persönlichen Hintergrund statt. Mit Glasnost, Perestroika und dem Zusammenbruch der Sowjetunion schickte die britische Regierung sie 1994 zu einem Besuch nach Russland. Sie fügte sich und verdrängte das grausame Ende, das ihre Romanow-Verwandten durch die Bolschewiken erlitten hatten. Philip, ein direkter Nachkomme, hatte sogar eine DNA-Probe abgegeben, um zu beweisen, dass die 1991 in einer Grube im Osten Russlands ausgegrabenen Skelette von der ermordeten kaiserlichen Familie stammten.Im Jahr 2012 musste sie in Belfast Martin McGuinness von Sinn Féin die Hand schütteln und dabei die persönliche Tragödie der IRA-Ermordung von „Onkel Dickie“, Lord Mountbatten, im Jahr 1979 beiseite schieben. Er war ein entfernter Cousin von ihr und Philips Onkel. Auch wenn die Begegnung mit McGuinnes unangenehm war: Ihr warmes Lächeln und der feste Händedruck verrieten das nicht.Im Zusammenhang mit dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 wurde die traditionelle Neutralität der Königin in Frage gestellt. Während des Wahlkampfs vor der Volksabstimmung wurde sie dabei gehört, wie sie einem Bürger gegenüber die Hoffnung ausdrückte, dass die Wähler sorgfältig über die Zukunft nachdenken. Später rief Premierminister David Cameron sie an, um ihr mitzuteilen, dass Schottland mit Nein gestimmt hatte. Danach sagte er vor laufender Kamera, die Königin habe „in der Leitung geschnurrt“, was darauf schließen lässt, dass sie mit dem Ergebnis zufrieden war. Cameron bedauerte den Vorfall später. Er kündigte an, sich bei der Königin zu entschuldigen, weil er gegen die Konvention verstoßen hatte, dass der Premierminister niemals über seine Gespräche mit der Monarchin spricht.Die königlichen Reisen stellten ihre diplomatischen Fähigkeiten auf unterschiedliche Weise auf die Probe. Sie hatte einen relativ anspruchsvollen Geschmack, aß gerne Lamm, Roastbeef, Hammel, Moorhuhn oder Lachs, dazu einen oder zwei starke Martinis und keinen Wein, sondern Mineralwasser der Marke Malvern. Aber sie zuckte nicht mit der Wimper, wenn bei einem Staatsbankett in China Meeresschnecken serviert wurden.Ein Sinn für HumorSolche Dinge waren es, über die sie später im Privaten, unter Freunden und Familienmitgliedern Witze machte. Nahestehende bescheinigten der britischen Königin einen ausgeprägten Sinn für Humor und einen Blick für das Absurde. Dem Dramatiker Noël Coward schilderte sie einmal den feierlichen Moment der Amtseinführung von Charles als Prinz von Wales im Jahr 1969, als sie ihm die Krone auf den Kopf setzte. Sowohl sie als auch Charles, „hatten Mühe, nicht zu kichern, weil die Krone bei der Generalprobe zu groß war und ihn wie ein Kerzenlöscher auslöschte“.Sie war ziemlich unerschütterlich. Als es Michael Fagan 1982 gelang, in ihr Schlafzimmer im Buckingham-Palast einzubrechen, während sie schlief, rief sie in aller Ruhe zweimal die Telefonzentrale des Palastes an, um den Sicherheitsdienst zu alarmieren. Bis er kam, dauerte es einige Zeit. Später erzählte sie laut Pimlott einem Freund von der unwillkommenen Begegnung: „Er sagte die üblichen Dinge, die Leute sagen, wenn ich mich unters Volk mische. Damit kann ich umgehen.“Ihr Sinn für komisches Timing ist in der Dokumentation Elizabeth R aus dem Jahr 1992 zu sehen. Im Gespräch mit einem Mitarbeiter über den Staatsbesuch des polnischen Präsidenten Lech Walesa bemerkte sie: „Er kennt nur zwei englische Wörter (Pause) … Es sind ziemlich interessante Wörter.“Diese Art von Geschichten teilte sie auch gern mit ihrer Mutter, bis diese im Jahr 2002 starb, nur acht Wochen nach dem Tod ihrer Schwester Prinzessin Margaret. Der Tod der Mutter warf einen dunklen Schatten auf die Feierlichkeiten zu Elizabeths goldenem Thronjubiläum. Die beiden Königinnen hatten sich sehr nahe gestanden und gegenseitig unterstützt.Die jährliche TV-Weihnachtsansprache der Queen, die sie selbst schrieb, zeigte eine Frau von unerschütterlichem Glauben. Sie nahm ihre Position als Oberhaupt der Church of England sehr ernst, selbst wenn das erforderte, dass sie dem standesamtlichen Teil der Trauung ihres Sohnes und Camilla Parker Bowles fernbleiben musste.Sie nahm ihr Alter mit LeichtigkeitWenn sie eine Bestätigung dafür gebraucht hätte, dass sie ihre Aufgaben gut erfüllt hat, dann hätte Elizabeth II diese in den massenhaften Zuneigungsbekundungen anlässlich ihres silbernen, goldenen und diamantenen Kron-Jubiläums finden können. Sie bezeugten hinreichend den besonderen Platz, den sie im Herzen der Nation einnimmt.Sie sagte, das habe sie demütig gemacht, und bestand immer darauf, dass sie es allein nicht geschafft hätte.Placeholder image-5Als Teil der Feierlichkeiten zu ihrem 80. Geburtstag wurde ein Mittagessen mit anderen Senior:innen organisiert, die am gleichen Tag wie die Königin geboren sind. Die Queen wirkte emotional, als sie über die Unterstützung sprach, die sie über die Jahre erfahren habe. „Ich bezweifle, dass irgendjemand von uns sagen würde, die letzten 80 Jahre seien ein Kinderspiel gewesen. Aber wir können dankbar sein für unsere Gesundheit und unser Glück, für die Unterstützung, die wir von unseren Familien und Freunden erhalten, für einige wunderbare Erinnerungen und die Spannung, die jeder neue Tag mit sich bringt.“Ihren 90. Geburtstag bezeichnete die Queen auf einem Spaziergang in Windsor zu diesem Anlass als „a lovely day“ – ein wunderschöner Tag. Bei einem Zusammensein mit anderen 90-jährigen in der Guildhall von Windsor Castle sagte sie: „Sie wurden alle in einem guten Jahr geboren.“Die Queen nahm ihr Alter mit Leichtigkeit, obwohl sie Ende 2021 gezwungen war, eine kurze Auszeit von offiziellen Besuchen zu nehmen, als die Ärzte ihr zu Ruhe rieten. 2022 sah die Öffentlichkeit nicht so viel von ihr, weil ihr das Laufen Schwierigkeiten machte. Was sie selbst über ihr Alter dachte, kam vielleicht am besten zum Ausdruck, als sie mit 95 Jahren den Preis für den Oldie des Jahres höflich ablehnte. Ihr Büro schrieb dazu: „Ihre Majestät ist überzeugt, dass man so alt ist, wie man sich fühlt. Daher glaubt sie nicht, dass sie die relevanten Kriterien erfüllt, um die Ehrung anzunehmen. Sie hofft, dass Sie einen würdigeren Empfänger finden.“