Bisher sind griechische Verhandlungsdelegationen in Brüssel gleich in eine doppelte Falle gelaufen. Die erste bestand darin, dass die griechischen Banken darauf vertrauten, die Europäische Zentralbank (EZB) würde sie mit der für ihr Überleben notwendigen Liquidität versorgen. Doch EZB-Präsident Mario Draghi verschärfte die Bedingungen für derartige Hilfen. Davon beunruhigt, hoben Sparer ihr Geld ab. Gegen Ende Februar verloren die Geldinstitute auf diese Weise täglich im Schnitt mehr als 100 Millionen Euro. Die zweite Falle bestand darin, dass Athen Geld braucht, um Staatsschulden zu tilgen und Löhne zu zahlen, denn es gibt durch den Einbruch der Wirtschaft faktisch keinen Primärüberschuss mehr. Theoretisch müssten die E
e Euro-Finanzminister unter deutscher Führung nur warten, bis diese Last so schwer wird, dass sie nicht mehr zu schultern ist. Die Alternative würde dann lauten: Staatsbankrott wegen Banken-Crash oder Syriza-Crash wegen Kapitulation vor den Spardogmen der Euro-Rettungsgemeinde.Der Europäische Rat blieb in der letzten Woche eine Entscheidung schuldig. Premier Alexis Tsipras konnte zwar mit den EU-Größen auf Augenhöhe verhandeln und zeigen, wie er die Souveränität seines Landes verteidigt. Doch wurde ihm zugleich die Erklärung abgenötigt, dass seine Regierung alle Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern „voll und fristgerecht“ erfüllen will. Es werde keine einseitigen Schritte geben und am geltenden Reformprogramm festgehalten, sofern es dem wirtschaftlichen Wachstum nicht schadet. Und was wird mit dem Versprechen Syrizas, das humanitäre Desaster für Millionen Griechen zu lindern?Rachsüchtiger WahnsinnEs gibt nach wie vor unter den 15- bis 29-Jährigen eine Arbeitslosigkeit von 44 Prozent. Fast jeder dritte Haushalt musste im Vorjahr mit einem Jahreseinkommen unter 7.000 Euro auskommen.Wenn sich die Syriza-Regierung ihr Überleben jeden Tag teuer erkaufen muss, wird sich daran vorerst wenig ändern. Der verheerende Zustand der Ökonomie macht die Sache nicht leichter. 2014 lag das Wachstum bei spärlichen 0,7 Prozent, wobei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im IV. Quartal schon wieder rückläufig war. Was nicht weiter erstaunte, da die Industrieproduktion im Dezember um 3,8 Prozent nachgab. Selbst die Verkäufe im Einzelhandel gingen zum Jahreswechsel um 3,7 Prozent zurück. Am beunruhigendsten ist dabei, dass im Januar die Preise um 2,8 Prozent fielen. Ein Indiz dafür, dass sich die Wirtschaft in einer deflationären Spirale verirrt hat. Wenn Berlin und Brüssel in solcher Lage auf fortgesetztem Sparzwang bestehen, ist das nichts anderes als rachsüchtiger Wahnsinn. Ein Staatsbankrott ist zum Greifen nah.In den kommenden Monaten wird die Syriza-Regierung jede Minute zu kämpfen haben, um die fällige Überprüfung durch die „Institutionen“ zu überstehen, deren Testat für benötigte Hilfszahlungen (zugesagt sind 7,2 Milliarden Euro) unabdingbar ist. Diese Gelder werden zur Schuldentilgung – 1,6 Milliarden Euro an den IWF und 600 Millionen an die EU-Gläubiger – gebraucht, weil die Steuereinnahmen kollabieren und die Bürger ihren Konsum in der Hoffnung klein halten, schon bald von einem Teil der Lasten befreit zu sein, die ihnen seit 2010 aufgebürdet wurden.Angenommen, die Regierung schafft es, sich durchzulavieren, so muss sie im Juni erneut an den Verhandlungstisch und einen langfristigen Finanzierungskonsens mit der EU aushandeln. Für ihr Sozialprogramm drohen dann die gleichen Gefahren wie im Augenblick.Placeholder infobox-1Wie sollte sich Syriza verhalten, und wie kann die Linke in Europa helfend eingreifen? Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass innerhalb des institutionellen Rahmens der Einheitswährung radikale Veränderungen ausgeschlossen sind. Nun haben die Griechen Syriza in dem Glauben gewählt, dass es dieser Kraft möglich sein werde, sie vom Spardiktat zu befreien und ihnen gleichzeitig den Euro zu retten. Zwei Monate nach dem Amtsantritt von Alexis Tsipras kann es kaum noch Zweifel geben, dass sich diese Hoffnung erledigt hat und die Zeit reif ist, Realitäten anzuerkennen.Radikale AlternativenUm einen Zusammenbruch der Regierung zu verhindern, muss Syriza jetzt kompromisslos sein. Die Stärke der Partei liegt in der enormen öffentlichen Unterstützung, die sie noch immer genießt. Daher sollten umgehend Maßnahmen beschlossen werden, um den abhängig Beschäftigten zu helfen (deren Lohnverlust zwischen 2008 und 2014 im Schnitt bei 19 Prozent lag), um Zwangsvollstreckungen zu verbieten, Familien wieder mit Strom zu versorgen und Privatisierungen zu stoppen – dafür wurde Syriza gewählt. Gleichzeitig muss die Regierung bei den Juni-Verhandlungen eine gänzlich andere Haltung zeigen als zuletzt Ende Februar, als das verlängerte Hilfsprogramm vereinbart wurde. Sie sollte in dem Bewusstsein handeln, dass die Eurozone nicht über Nacht zu einer „freundlichen“ Währungsunion mutiert, die sich um die Bedürfnisse der abhängig Beschäftigten sorgt.Es lohnt sich daher, auf außergewöhnliche Maßnahmen vorbereitet zu sein, um die Solvenz des Staates zu gewährleisten, getragen von der Überzeugung: Alle Eventualitäten lassen sich bewältigen, wenn Syriza eine Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugt, dass es auf Dauer besser ist, die absurd gewordene Gemeinschaftswährung loszuwerden. Dann eröffnet sich vielleicht die Möglichkeit, den gesamten Kontinent vom Spardiktat zu befreien. Es bleibt dazu nur sehr wenig Zeit.Placeholder authorbio-1Placeholder link-1