Richterspruch in Oslo

Breivik Der norwegische Massenmörder wurde heute für zurechnungsfähig befunden und zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt
Es gilt als nahezu sicher, dass Anders Behring Breivik sein Leben im Gefängnis beenden wird
Es gilt als nahezu sicher, dass Anders Behring Breivik sein Leben im Gefängnis beenden wird

Foto: Odd Andersen / AFP / Getty Images

Der norwegische Rechtsradikale, Anders Behring Breivik, wurde heute von einem Osloer Bezirksgericht zu 21 Jahren Haft verurteilt, nachdem es zu der Einschätzung gelangt war, dass der 33-Jährige während seines Amoklaufs im vergangenen Jahr voll zurechnungsfähig gewesen ist. Bei einem Bombenanschlag in Oslo tötete Breivik acht Menschen, bevor er auf die Insel Utøya fuhr, wo er weitere 77 Teilnehmer eines Ferienlagers kaltblütig erschoss (34 von ihnen zwischen 14 und 17). Insgesamt wurden 242 Menschen teilweise schwer verwundet.

Die Entscheidung des Gerichts dürfte Breivik gefreut haben. Er hatte darauf gehofft, dass ihm die Erniedrigung erspart bleibt, als Verrückter abgetan zu werden. Der Massenmörder wollte unbedingt, dass das Gericht ihn der Morde für schuldig befindet, die er als „grausam und notwendig“ bezeichnete, wenn man verhindern wolle, dass Norwegen von Moslems überrannt wird.
Als das Urteil heute nach zweimonatiger Beratung der fünf Richter in einem dicht gedrängten Gerichtsaal verkündet wurde, grinste der Massenmörder, der einen schwarzen Anzug und eine graue Krawatte trug. Einige der etwa 40 Hinterbliebenen und Überlebenden nickten still, während das Gericht seine Einschätzung bekannt gab. Viele der direkt Betroffenen hatten sich ein solches Urteil gewünscht.

Leidvolle Dokumentation

Nach der Bekanntgabe des Urteils starrte Breivik eine Stunde lang teilnahmslos auf die Richter, und errötete während der Urteilsbegründung nur, als Einzelheiten über seine fiktionale Tempelritter-Organisation vorgelesen wurden. Die Vormittagssitzung wurde hauptsächlich dafür verwendet, Breiviks akribische Vorbereitungen für die beiden Anschläge zu beschreiben und nachzuzeichnen, wie er sich in die rechtsradikale Ideologie und den Konsum von Videospielen verrannt hatte.

Als vorgelesen wurde, welche Verletzungen die 77 Ermordeten und 242 Verletzten im Einzelnen davongetragen hatten, starrte Breivik in den Gerichtssaal. Die Zahl der Opfer, denen Gliedmaßen amputiert werden mussten und die lange im Koma gelegen hatten, machte jedem Anwesenden deutlich, welche Sprengkraft Breiviks 950 Kilo schwere Bombe gehabt haben musste.

Während seines Überfalls auf die Insel Utøya, auf der sich zum Zeitpunkt der Tat 536 Menschen zum jährlich stattfindenden Sommerlager der sozialdemokratischen Jugend versammelt hatten, feuerte Breivik 121 Schüsse mit seiner Pistole und 136 mit einem halbautomatischen Gewehr ab. Viele der Opfer exekutierte er mit Kopfschüssen aus kurzer Distanz. Auf eine 26-Jährige feuerte er sechs Schüsse ab, von denen sie einer tödlich in den Kopf traf.

Viele der jungen Opfer hyperventilierten, als sie versuchten, dem Schützen zu entkommen. Da es zuvor geregnet hatte, stolperten viele und rutschten bei dem Versuch, sich ins Wasser zu flüchten, die nassen Hänge hinab. Unter den Überlebenden leiden einige noch heute unter psychischen Problemen und sind nicht in der Lage, wieder zur Schule zu gehen.

Berufungsverfahren ausgeschlossen

Es gilt als nahezu sicher, dass Breivik sein Leben im Gefängnis beenden wird. Auch wenn die Höchststrafe in Norwegen bei 21 Jahren liegt, kann nach deren Ablauf eine Sicherungsverwahrung gegen ihn verhängt werden, die so lange verlängert werden kann, wie eine Gefahr für die Gesellschaft von ihm ausgeht. Die meisten Norweger, einschließlich der Hinterbliebenen, wollten, dass Breivik für zurechnungsfähig erklärt und zur Rechenschaft für das gezogen wird, was sie als politisches Verbrechen betrachten.

Mit der Entscheidung ist klar, dass es kein Berufungsverfahren geben wird. Breiviks Anwalt, Geir Lippestad, hat versprochen, sein Mandant werde eine Gefängnisstrafe nicht anfechten. Breivik gibt bereitwillig zu, die beiden Angriffe begangen zu haben, die das Land am 22. Juli 2011 in Schrecken versetzten.

Die Entscheidung setzt sich über ein Gutachten hinweg, in dem vom Gericht ernannte Psychiater zu dem Schluss gekommen waren, Breivik leide an paranoider Schizophrenie. Es heißt, er könne alle fünf Jahre gegen die Sicherungsverwahrung Einspruch erheben. Ein Grund, weshalb seine Angriffe bei der Urteilsverkündung noch einmal so ausführlich dargestellt wurden, bestand darin, dass der Schrecken von Oslo und Utøya gut dokumentiert ist, wenn der Tag kommt, an dem Breivik um seine Entlassung ersucht.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Mark Townsend | The Guardian

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