Sag. Einfach. Nein!

Kinderzimmer Die britische Kampagne „Pink Stinks“ gegen Gender-Stereotype bei Spielwaren feiert nach einem bislang einjährigen Feldzug gegen die rosa Welle erste Erfolge

Hurra, überall Feministen! Die böse Prinzessin ist tot. Nun ja, nicht ganz, aber fast. Vor Kurzem hat die britische Kampagne "Pink Stinks" die Ergebnisse ihres mittlerweile einjährigen Anti-Pink-Feldzuges gegen die Spielwarenhersteller Early Learning Centre (ELC) veröffentlicht: Demnach scheint die rosa Welle etwas abgeebbt zu sein.

Abi Moore ist eine Mitbegründerin von „Pink Stinks“. Sie sagt, Eltern aus aller Welt hätten sie seit dem Kampagnenstart mit Post überflutet. "Unsere Kampagne umfasste 43 Länder. Ständig fragen uns Eltern, was sie tun können. Egal, ob sie Töchter oder Söhne haben, sie haben genug von den Werbebotschaften und den damit verknüpften Gender-Stereotype, die Kinder gezwungenermaßen aufnehmen." Abi Moore organisiert die Kampagne ehrenamtlich zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Emma: Abi hat Jungs im Alter von acht und vier Jahren, Emma hat Mädchen im gleichen Alter. 2009 kritisierten sie den Pink-Wahn beim Spielwarenhersteller ELC, der sogar einen neonpinken Globus in sein Angebot aufnahm.

Ein Jahr später sehen sie eine kleine, aber entscheidende Verbesserung in der Spielwarenlandschaft: "Im ELC-Katatlog gibt es jetzt mehr Mädchen als Jungen in der Kostümabteilung, und Mädchen sind auch als Polizistinnen und Ärztinnen verkleidet." Der rosa Globus sei zwar immer noch erhältlich, aber im Katalog nicht mehr abgebildet. "Das Early Learning Centre wird nie zugeben, dass es sein Angebot wegen der Kampagne verändert hat, aber wir werden einen kleinen Sieg für uns beanspruchen."

Keine Prinzessinnen mehr?

Passend dazu kommt von Walt Disney die Nachricht, dass der Königskinderkitsch, für den Disney traditionell steht, eingedampft werden soll: Statt Produktlinien mit animierten Prinzessinnen werden gerade eine Version von Winnie the Pooh und ein neues Videospiel produziert – Zielgruppe für beide Produkte sind beide Geschlechter. Für die Erkenntnis, dass fünfjährige Mädchen anscheinend gelangweilt von Krönchen und Faltenröckchen sind, sorgt auch der gehäuft auftretende Erfolg von Trickfilmen, bei denen die Macher auf rosa Kleister verzichtet haben: Figuren wie der dicke Kung-Fu-Panda oder die Spielzeugfiguren aus der Toy Story oder der Monster-AG wurden Identifika­tionsmodelle.

Werden die Einwände von Eltern also langsam doch von den Marketing-Chefs erhört? Dass die Disney-Prinzessin wirklich endgültig ausgedient hat und es fortan weniger Plastik-Waffen-Sets speziell für Jungs geben wird, ist zwar nicht wirklich abzusehen. Dennoch: Man kann mit ein wenig Wohlwollen einen Erfolg der Bewegung für feministische Erziehung (feminist parenting) konstatieren, zu der in Großbritannien und den USA mehrere Organisationen und viele Eltern in Blogs Anstöße geben. Die Blogs heißen Raising my Boychick (Untertitel: "Wie man einen voraussichtlich heterosexuellen weißen Mann erzieht"), Feminist Dad oder She Has My Eyes.

Du spielst doch gerne Fußball, oder?

"Ich habe in jüngster Zeit viele Veranstaltungen besucht und war erstaunt, wie viele Leute über feministische Erziehung und Konsum reden wollen", sagt Natasha Walter, Autorin eines Buchs namens Living Dolls – lebende Puppen. "Die Leute begreifen, dass wir an einem unguten Punkt angekommen sind", berichtet Walter. Sie werde von besorgten Eltern immer wieder gefragt: "Wie kann ich meinen Sohn oder meine Tochter davor" – also vor Gender-Klischeekonsum – "schützen?"

Tja. Wie?

Jan Williams, Mutter eines zehnjährigen Jungen und einer gleichaltrigen Tochter, leitete im Oktober bei der Konferenz "Feminism" in London einen Workshop zum Thema, an dem über 1.000 Leute teilnahmen. Eltern, sagt sie, suchten nach Lösungen, wie sie mit den permanenten Forderungen ihrer Kinder, die aus Marketingsicht ja auch nur kleine Konsumenten sind, umgehen sollten – insbesondere an Weihnachten. Williams’ Rat lautet: Wenn etwa Kinder in der Schule in eine bestimmte Rolle gedrängt würden – "Du spielst doch bestimmt gerne Fußball, oder?", "Du da, komm hier rüber und spiel mit den Puppen" – dann helfe "das alte Rezept gegen Drogen: Sag. Einfach. Nein."

Und in Deutschland? Zwei verschiedene Blicke auf rosa Kinderkleidung

Bitte kein Rosa!

Kinderkleidung, die nicht rosa (oder blau) ist, ist etwas Außergewöhnliches. Man bekommt schon zur Geburt eines Mädchens ungefähr fünf Lkw- Ladungen rosa Kleidung. Begründung: Sie ist halt ein Mädchen. Ja, ja. Stimmt. Aber keine Prinzessin. Als wir kürzlich einen Schneeanzug suchten, kamen wir in drei Geschäfte und es gab keinen nicht-rosafarbenen Anzug in der passenden Größe. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass so viele Eltern Rosa hassen und jede andere Farbe daher ausverkauft ist. Der Praxistest in einer Kita zeigt: So ist es wohl. Kein einziges Teil in Rosa am Haken. Die Moral: Ein gutes Leben ist möglich, aber eine Zeitfrage. Auf ins nächste Geschäft. raa

Bitte Rosa!

Ein Mädchen nur in rosa Sachen zu stecken, ist ja genauso seltsam wie ihm nie rosa Sachen anzuziehen. In beiden Fällen wird die Bedeutung dieser Farbe überbetont, so dass sich die Kleine später wenn sie keine Kleine mehr ist nie unverkrampft wird kleiden können. Weil das so ist, kaufen wir jetzt nur noch rosa Bodys, Strumpfhosen und T-Shirts. Dazu muss man wissen, dass die meisten unserer Freunde Söhne haben. Wie unter jungen Eltern üblich, geben sie uns die blauen, braunen, grünen, roten Klamotten ihrer Erstgeborenen, wenn die nach ein paar Monaten aus ihnen herauswachsen. Eigentlich müssten wir gar nichts mehr selbst kaufen aber so früh wollen wir das Kind nun nicht auf einen Farbcode festlegen. skra

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Geschrieben von

Viv Groskop | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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