Nach den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag ist das Zweiparteiensystem in Spanien am Ende. Die rechts-konservative Volkspartei (PP) scheint die gesamte politische Macht des Landes im Würgegriff zu halten.
Die Wahlergebnisse übertreffen die schlimmsten Voraussagen für die sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), obwohl diese bereits recht pessimistisch waren. Es ist nicht allein die Niederlage bei den Regionalwahlen, bei denen ihr politischer Gegner 10 Prozentpunkte mehr erreichte als sie. Bei den Kommunalwahlen konnten hunderte unabhängige Parteien Stimmen gewinnen – Stimmen, die bei den kommenden Parlamentswahlen vermutlich an die PP gehen werden.
Wären dies die Parlamentswahlen gewesen, hätten die Ergebnisse dem Parteivorsitzenden der PP Mariano Rajoy eine große Mehrheit verschafft, vergleichbar mit der von José María Aznar im Jahr 2000. Auch andere kleine Parteien haben zugelegt, aber die Rechte ist jetzt an der Macht.
Der Anfang von Zapateros Ende
Wie kam es zu dieser grandiosen Niederlage der Sozialisten? Klar ist: die Wähler trafen ihre Entscheidung nicht allein aufgrund regionaler oder kommunaler Fragen, und Ministerpräsident Zapateros Ankündigung, bei den nächsten Wahlen nicht mehr zu kandidieren, scheint wenig Wirkung gehabt zu haben. Hinter der Niederlage der Sozialisten stecken Spaniens schlimme Arbeitslosigkeit, ihre anfängliche Leugnung der Finanzkrise sowie zweifellos die Geschehnisse im Monat Mai.
Damit meine ich nicht die Geschehnisse in diesem Mai – nicht das Sit-in auf Madrids zentralem Platz Puerta del Sol vor einer Woche, das sich schnell zur nationalen Protestbewegung auswuchs, die unter dem Namen M-15 bekannt wurde, und auch nicht den schwere Wahlkampf. Ich spreche vom Mai 2010. Damals hatte Zapatero gerade die öffentlichen Ausgaben drastisch gekürzt, um die Märkte davon abzuhalten, die spanischen Anleihen entgleisen zu lassen, und kündigte dem Land an, dass er weiter machen werde, „egal, was es kostet, und egal, was es mich kostet“. Die Kürzungen wendeten vermutlich die Notwendigkeit einer Rettungsaktion ab. Dennoch markiert dieser Monat ohne Frage den Anfang von Zapateros Ende.
Weniger als ein Jahr vor den Parlamentswahlen wirkt es nun wenig realistisch, dass die Sozialisten sich bis dahin ausreichend erholen könnten, um die Konservativen aufzuhalten, die jetzt sofort beginnen werden, sich weitere Unterstützung zu holen. Was die Sozialisten jetzt brauchen - sogar mehr als Vorwahlen - ist eine komplette Neuorientierung.
Realisten, die das Unmögliche fordern
Unterdessen wird bei den Protesten auf Madrids Platz Puerta del Sol alles Mögliche debattiert. Absolut alles. Die Einwohner Madrids, die hierher gekommen sind, sind Realisten – und deshalb fordern sie das Unmögliche. Die Leute hier diskutieren die Abkehr von der Atomkraft, die Abschaffung des Stierkampfes, die Einführung eines säkularen Staates. Jeder, der bei diesen Treffen dabei war – und all diese verschiedenen Leute gesehen hat, die mit dem Megaphon in der Hand ihre Ideen zur Verbesserung der Welt vortragen – der weiß, dass in Madrid etwas wirklich Außergewöhnliches passiert.
Aber es gibt den Puerta del Sol, und es gibt die übrige spanische Gesellschaft. Und wenn wir wollen, dass die Schwungkraft, die die „Spanische Revolution“ erzeugt hat, weiter wirkt und echte Veränderung bringt, müssen wir kurzfristige und langfristige Ziele voneinander trennen und allgemeine von ganz konkreten. Als erstes müssen wir die Prinzipien aufstellen, auf die wir uns alle (oder fast alle) einigen können; so können wir beginnen, einen klaren Rahmen zu schaffen, in dem die Demokratie verbessert werden kann, anstatt ein spezifisches Wahlprogramm zu erarbeiten.
Ich schlage vor, unser Wahlrecht zu reformieren: Parlamentarier sollten künftig über offene Listen gewählt werden. Außerdem sollte die Zusammensetzung des Parlaments die Realität der Wahlergebnisse nach „Kriterien der proportionalen Repräsentation“ spiegeln, wie von der Verfassung gefordert. Und wir brauchen ein Informationsfreiheitsgesetz. Spanien ist eines von nur fünf Ländern in der EU, die noch ohne sind. Zudem ist essentiell, dass wir die Ausgabe öffentlicher Gelder kontrollieren und ihren Missbrauch stoppen. Das Wahlprogramm der PSOE für 2004-2008 enthielt diesen Vorschlag, aber es wurde – wie aus so vielen anderen Versprechen – nichts daraus.
Ich wünsche mir ein Referendum zum Rettungspaket für die Banken. Und wie wäre es, wenn wir die Gesetze zur Finanzierung der politischen Parteien und Leuten in öffentlichen Ämtern reformieren würden, um deren Einkommen und Ausgaben transparenter zu machen?
Ich weiß, dass nicht alle meine Ansichten teilen. Ich bin gegen Atomenergie, ich bin für einen säkularen Staat und ein Stierkampfverbot und ich bin gegen das Sinde-Gesetz, das die Nutzung des Internets kontrolliert. Aber ich möchte gerne glauben, das vom Puerta del Sol ausgehend ein breiter Konsens entstehen kann, der von einer großen Mehrheit des spanischen Volkes geteilt wird, nicht nur von Leuten, die so denken wie ich.
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