Kein anderer Bereich ernstzunehmender Kultur ist derart von Jugend besessen, wie die Kunstwelt. Theater mögen ständig auf der Suche nach jungen Dramaturgen sein und Zeitungen Riesenaufhebens um junge Romanautoren machen – trotzdem wird niemand sich weigern, Ian McEwans neuesten Roman zu lesen, bloß weil der Autor nicht mehr der Jungspund um die Zwanzig ist, der er war, als er Erste Liebe, Letzte Riten schrieb.
Es war schon bezeichnend, was neulich in der Tate Britain von einigen Rednern zu hören war, die über zeitgenössische Kunst sprachen. Sie konnten sich kaum einkriegen darüber, dass die jeweils jüngste Generation immer jünger ist, als die vorige. Patrick Bill, auch bekannt als Bob and Roberta Smith, wies darauf hin, dass die junge Generation lieber YouTube schaue als Fernsehen. Der Kritiker J.J. Charlesworth setzte noch einen drauf und sagte, die jungen Leute von heute wären so globalisiert, dass sie denken würden, sie sollten bei der US-Wahl wählen dürfen. Beide sprachen im Tonfall äußerster Ehrfurcht, Tenor war: „Wir müssen mithalten.“
Wie lautet nun eigentlich die logische Schlussfolgerung? Die jüngste Generation pfeift auf Damien Hirst oder Martin Creed. Iggle Piggle und Upsy Daisy sind schon eher ihr Ding.
Die Young British Artists sind auch schon in die Jahre gekommen
Der britischen Kunst wurde vor zwanzig Jahren mit dem Aufstieg einer Generation, die bald die YBAs, die Young British Artists, genannt wurde, Jugend in die welken Arme injiziert. Mit dieser Rhetorik ließ sich in den Neunzigern wie heute britische Kunst verkaufen. Aber stimmt das überhaupt noch?
Das Verlangen der Kunstwelt nach Jugend versteckt tatsächlich eine Nullrunde beim Alter „aufstrebender“ Künstler. Die „neuen“ Ansätze der Turnerpreisgewinner entstehen vornehmlich in Reibung mit, oder als Rebellion gegen die YBA-Ästhetik ihrer Zeitgenossen. So verhielt es sich auch mit Mark Leckey, dem Turnerpreisgewinner des vergangenen Jahres. Er wurde 1964 geboren, ist also älter als Damien Hirst.
Mit der Kunst ist es also wie mit einem Roman oder einem Drama – die führenden Akteure sind mittleren Alters. Es gibt kein historisches Gesetz, dass besagt, sie müssten von Horden Zwanzigjähriger massakriert werden, sobald sie fünfzig sind. Besonders nicht, wenn sich erwachsene Menschen weiter in adoleszenter Jugendkultur suhlen.
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