Als er im Mai vergangenen Jahres eine Nebenstraße im Herzen des Pariser Quartier Latin entlang schlenderte, sah Alexandre de Nuñez an der Vorderseite eines Gebäudes in der Nähe des Panthéon ein Schild mit der Aufschrift: „Zu vermieten“ – „an Buchläden“.
In der vergangenen Woche nun weihte Bürgermeister Bertrand Delanoë mit dem französisch-argentinischen "El Salón del Libro" nun bereits die dritte Buchhandlung in diesem traditionell dem Geist gewidmeten Viertel ein, wo Studenten der Sorbonne die Plätze und Straßen bevölkern und Dozenten sich im Jardin du Luxembourg entspannen. Weitere befinden sich in Planung.
Weil man sich im Rathaus wegen des Sterbens der Buchhandlungen in diesem „Teil der intellektuellen Seele“ von Paris (Delanoë) Sorgen machte, hat die Pariser Stadtverwaltung bei der Eröffnung dieser Geschäfte etwas nachgeholfen. Als Teil einer neuen Stadtentwicklungsstrategie hat sie Stadtplaner damit beauftragt, sich im fünften Arrondissement nach geeigneten Räumlichkeiten für Buchhandlungen, kleine Verlage oder Veranstaltungsorte umzusehen. Auf diese Weise hofft man, den Trend umzukehren und den Rückgang der librairies zu stoppen – von 2000 bis 2008 ist die Zahl der so hoch geschätzten Buchhandlungen im Bezirk von 231 auf 137 zurückgegangen. „Das Quartier Latin bleibt der Ort in Frankreich mit der höchsten Dichte an literarischen und intellektuellen Bildungseinrichtungen, sowie der Produktion und Publikation künstlerisch-geistiger Werke. Dennoch sind die Buchhandlungen des Bezirks in Gefahr“, hieß es in einer Erklärung der Stadtverwaltung, weil „unabhängige Buchhandlungen“ sich „neuen Vertriebsformen wie dem Supermarkt- und Internetverkauf“ gegenübersähen.
Zwei der berühmtesten Läden, "Le Divan" und "La Librairie des PUF" seien weggezogen, um durch eine Luxus-Boutique und einen Laden für Billigklamotten ersetzt zu werden. Der Boulevard Saint Michel ist gepflastert mit Filialen der großen Mode-Ketten. Bei der Eröffnung des spanischen Buchladens verteidigte Delanoë seine Strategie, in die Gesetze des Marktes einzugreifen, um eine gewisse kommerzielle Vielfalt zu bewahren und den Gemeinschaftssinn am Leben zu erhalten. Paris sei nicht mehr Paris, wenn es an den Straßenecken keine Buchhandlungen mehr gäbe, so der Bürgermeister weiter.
„Wir gehören weltweit zu den Städten mit der größten Anzahl lokaler Geschäfte. Sie sind Teil der Wirtschaft und sorgen für Arbeitsplätze, drücken aber gleichzeitig auch ein bestimmtes Lebensgefühl aus“, sagte er gegenüber Journalisten. Dies mache die französische Hauptstadt einzigartig. Alle Welt würde Paris für diese kleinen, unabhängigen Läden beneiden. Jeder Versuch, das Stadtbild den großen angelsächsischen Städten angleichen zu wollen, hätte seiner Meinung nach katastrophale Folgen: „Das wäre der reine Wahnsinn und würde unsere Seele und Identität ebenso beleidigen wie unserer wirtschaftlichen Interessen.“
Die 2008 gestartete Kulturoffensive im Quartier Latin, die nun erste Früchte trägt, gehört bereits zur zweiten Phase des Programms Vital’Quartier. Dieses wurde von der Planungsagentur Semaest durchgeführt, die mehrheitlich der Pariser Stadtverwaltung gehört. Mit dem Ziel, „wirtschaftliche Entwicklung und kommerzielle Vielfalt“ zu fördern, ist Vital’Quartier in elf Bezirken der Stadt aktiv, die von wirtschaftlicher Stagnation bedroht sind oder stark von einem einzigen Wirtschaftszweig dominiert werden. In diesen Stadtteilen sucht die Semaest Räumlichkeiten, kauft sie auf, renoviert sie und stellt sie dann Mietern zu erschwinglichen Konditionen zur Verfügung, deren Pläne mit den Vorstellungen der Stadtverwaltung übereinstimmen.
De Nuñez, der ein dringendes Bedürfnis nach einem Buchladen für spanische Literatur sieht, zahlt für seinen 60 qm großen Laden in einer der teuersten Gegenden der Stadt ungefähr 1.700 Euro Miete pro Monat. „Normalerweise müsste man hier zunächst einmal eine große Summe vorstrecken, von 50.000 oder 60.000 Euro aufwärts.“
Umstritten ist das Konzept aber vor allem unter den Geschäftsleuten, die von der Stadtverwaltung als ungeeignet für die kommerzielle Landkarte von Paris erachtet werden. In der verschlafenen Gegend von Sedaine-Popincourt, wo im Umkreis von gut anderthalb Kilometern chinesische Textilgroßhändler wie Pilze aus dem Boden geschossen sind und heute zwei Drittel der Geschäfte ausmachen, sind die Inhaber nicht gerade begeistert davon, dass ihr unternehmerischer Erfolg von den Behörden zugunsten einer engstirnigen, altmodischen und unrealistischen Vorstellung vom Paris des 21. Jahrhunderts behindert wird.
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