Schwarzes Loch

Bankenkrise Irland hat über seine Verhältnisse gelebt. Nach dem Wirtschaftswunder droht dem früheren Musterland nun der Absturz. Aber die Regierung macht weiter wie bisher

Ein kleines europäisches Land gerät in ernsthafte Turbulenzen. Es gibt kränkelnde Banken, steigende Arbeitslosenzahlen, fallende Aktienkurse, ein Loch von 17 Milliarden in den öffentlichen Haushalten (was die Kreditwürdigkeit abwertet) und eine nie gekannte Zahl gepfändeter Häuser. Aber wir reden hier nicht von Island, sondern von Irland.
Nach der Periode von 1994 bis 2007 war die grüne Insel kein unbedeutendes Agrarland am Rande Europas mehr, sondern zu einer der am schnellsten wachsenden Ökonomien in der EU avanciert – mit dem fünfthöchsten Pro-Kopf-Einkommen weltweit. Jetzt scheint die Party vorüber und Irland wieder von der Sehnsucht nach dem schwarzen Loch befallen, in dem es während der achtziger Jahre steckte.

Bizarr, aber wahr

Auch wenn noch keine isländischen Verhältnisse eingetreten sind – die Lage ist düster. Von Januar 2008 bis Januar 2009 stieg die Arbeitslosenzahl von 181.449 auf 327.861 – sprich: um 80,7 Prozent. Die absoluten Zahlen mögen niedrig erscheinen, sind es in einem Land mit nicht einmal 4,2 Millionen Einwohnern aber nicht.
Im Bankensystem kracht es gewaltig, so dass die Regierung das Versprechen abgab, zur Not für die Einlagen der Sparer zu garantieren. Doch das Vertrauen kehrte nicht zurück. Dann wurde die Anglo Irish Bank im Sog eines 87-Millionen-Euro-Lohnskandals verstaatlicht. Es traf ein Institut, das in den Jahren des Aufschwungs als Zugmaschine der Wirtschaft geschätzt war wie kein anderes. Heute genießt die Bank in etwa soviel Vertrauen wie ein Schneeballsystem, oder eben wie die Bank of Ireland und die Allied Irish Banks, die in der vergangenen Woche sieben Milliarden Euro frisches Kapital vom Staat brauchten.
Ein von Goodboy Stockbrokers veröffentlichter Bericht sagt der irischen Wirtschaft derweil einen Rückgang um weitere sechs Prozent für dieses Jahres voraus. 1,8 Prozent mehr als die Finanzexperten bisher prophezeit hatten.
Was tut die Regierung dagegen? Sie präsentiert einen Rettungsplan, der sich darauf konzentriert, die Wärmedämmung von Wohnhäusern zu subventionieren. Bizarr, aber wahr. Am 8. Februar verkündeten die zur Grünen Partei gehörenden Minister John Gormley und Eamon Ryan das 100 Millionen Euro teure Nationale Dämm-Programm (National Insulation Programme for Economic Recovery). So lobenswert dies sein mag, es ist schwer vorstellbar, wie mit diesen 100 Millionen „tausende Jobs“ entstehen sollen, wie die Regierung verspricht. Für eine Zukunftsvision taugt es jedenfalls nicht. Die Botschaft lautet schlicht: Der Banken-Crash wurde durch Hypotheken und Häuserbau verursacht, lasst uns die Krise nun damit bekämpfen, dass wir die schlechten Häuser reparieren. Statt dessen pfuschen wir weiter im Bau- und Bankengewerbe herum.

Plattitüden statt Reformen

Ansonsten rührt das irische Establishment ganz gewaltig die patriotische Trommel und erzählt den weniger begüterten Mitbürgern unablässig, es sei nun vaterländische Pflicht, den Gürtel enger zu schnallen. Wegen der günstigeren Preise nach Nordirland hinüberzufahren, sei hingegen ein Affront gegen „das Irische an sich“. Ein New Deal sieht anders aus.
Wie aber sollte der zustande kommen? Das Haushaltsdefizit macht weitere drastische Einsparungen unumgänglich. Anfang des Monats kündigte Premierminister Brian Cowen prompt an, der Nationale Entwicklungsplan (ein über mehrere Jahre hinweg reichender Plan zum Ausbau der Infrastruktur) werde gekürzt.
Wie ließe sich die irische Wirtschaft wieder produktiv machen? Das Schöne am Finanzwesen besteht bekanntlich darin, dass nur wenige etwas davon verstehen. Auch deshalb bewegt sich die Diskussion auf dem Niveau einer Moraldebatte über gierige Banker. Selbstverständlich müssen die zur Rechenschaft gezogen werden. Das Problem besteht nur darin, dass die gesamte politische Klasse Irlands anscheinend nur noch über die Frage nachdenkt, wie die Bankengans dazu gebracht werden könnte, wieder goldene Eier zu legen. Dabei müsste es eigentlich darum gehen, wie die Fehlentwicklungen in dieser Branche bekämpft werden können. Bezeichnenderweise gibt es keinen Diskurs darüber, worauf sich Irlands Ökonomie künftig stützen sollte. Oder was einen guten Job auszeichnet. Plattitüden über wirtschaftliche und ökologische „Nachhaltigkeit“ hört man statt dessen genug. Aber eine wirkliche wirtschaftspolitische Richtungsänderung ist nicht in Sicht.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Jason Walsh, The Guardian | The Guardian

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