Sein Name sei James Byte

Cyberthriller Michael Manns „Blackhat“ hat sich von den schlechteren 007-Abenteuern nicht nur die exotischen Schauplätze abgeguckt
Ausgabe 06/2015

Hat schon mal ein IT-Typ versucht, Ihnen zu erklären, was genau an Ihrem Computer kaputt ist, wenn sie ihn einfach nur repariert haben wollten? Eine rituelle Dosis Techno-Kauderwelsch ist fester Bestandteil von Science-Fiction- und Agentenfilmen, wird aber gemeinhin durch witzige Dialoge, großes Schauspiel oder grandiose Action abgefedert. In Blackhat aber muss man einen dumpfen Wust von Text über IP-Routing und Verschlüsselungstechniken über sich ergehen lassen, um so uninteressante wie unergründliche Helden auf der Jagd nach einem Schurken zu begleiten, der sich nicht zeigt.

Jahrzehntelang galt Regisseur Michael Mann als wegweisender Stilist. Nun hat ihn vermutlich das bekannte Künstlersyndrom befallen, dass er sich nach all der Lobhudelei selbst für ein Genie hält und ihm niemand mehr zu widersprechen wagt, auch wenn er fürchterlich danebengreift.

Wie schon seinen letzten Film, Public Enemies aus dem Jahr 2009, hat Mann auch den neuen auf einem Videomaterial gedreht, das weniger nach der gefeierten Unmittelbarkeit von Regisseuren wie Steven Soderbergh aussieht als nach Onkel Uwes Camcorder von 1991. In der Mitte von Blackhat kommt es zu einer Maschinengewehrschießerei auf der Straße, so wie einst in Manns superraffiniertem Alphamännchen-Epos Heat. Doch während die alte Sequenz einem immer noch den Atem rauben kann, sieht die neue im Vergleich wie ein Probedreh aus.

Jordan Hoffman ist freier Autor und Filmkritiker für den Guardian. Der frühere Schauspieler, Regisseur und Produzent lebt in New York

Übersetzung: Michael Ebmeyer

Schlimmer noch als die unansehnliche Ästhetik ist die Einfalt des Plots. Blackhat schwankt beständig zwischen düster-realistischem Frontbericht aus dem Cyberkrieg und der „Wen kümmert’s, ob es Sinn ergibt“-Frivolität mancher James-Bond-Filme. Dieses Hin und Her nervt sehr – ebenso wie die offenkundige Anweisung an alle Darsteller, ihre Zeilen so aufzusagen, als wären sie die gelangweiltesten Menschen auf Erden. Für einen Sekundenbruchteil darf Viola Davis in ihrem Spiel ein bisschen Menschlichkeit durchschimmern lassen, doch auch dieser Lichtblick schadet mehr als er nutzt. Denn umso krasser tritt uns nun die Leblosigkeit ihrer Mitspieler vor Augen.

Die Hauptfigur in Blackhat spielt Chris Hemsworth – Nick Hathaway, ein Computergenie mit Hang zum freien Oberkörper. Anfangs sitzt er im Gefängnis, hat dort vermutlich viel Zeit für Liegestütze und nur begrenzten Zugang zu Geek-Grundnahrungsmitteln wie Cola und Erdnussflips. Ein Atomkraftwerk in China wird gehackt, scheinbar ohne Grund. Dann beginnt ein Virus an der Rohstoffbörse die Sojapreise zu manipulieren. Ein chinesischer Eierkopf namens Chen (Wang Leehom) entdeckt eine Verbindung zwischen beiden Ereignissen, und da er als Gesandter bei der US-Regierung arbeitet, kann er das Justizministerium überreden, Hemsworth freizulassen, damit der bei der Jagd auf den verborgenen Bösewicht hilft. Da Chen auch seine Schwester mitbringt, sind Hemsworth obendrein einige Liebeszenen vergönnt, in denen er wiederum sein T-Shirt ausziehen kann.

China lächelt

Unsere Cyberdetektive grimassieren sich nun von Los Angeles über Hongkong nach Jakarta, und für kurze Zeit denkt man, es wird eine große Ost-West-Freundschaftsgeschichte daraus. Aber dieses Ansinnen lässt der Film bald wieder fallen. Die chinesische Regierung kommt in Blackhat erstaunlich gut weg, was daran liegen mag, dass sie Drehgenehmigungen im eigenen Land nur nach Durchsicht des Skripts zu erteilen pflegt. So nennen die Amerikaner im Film Hongkong und Macau ganz selbstverständlich „China“.

Restlos misslungen ist Blackhat jedoch nicht. Selbst mit dem groben Videomaterial versteht Michael Mann (mithin sein Director of Photography Stuart Dryburgh) die Kamera geschickt aufzustellen und zeigt sein besonderes Gespür fürs Licht. Eine frühe Szene im Film mit Hemsworth inmitten von lauter Prozessoren erinnert an die Lichtinstallationen des US-amerikanischen Land-Art-Künstlers James Turrell. Und vielleicht ist dies der erste Film überhaupt, der eine Kameraperspektive aus einer Computertastatur heraus enthält.

In seinem letzten Drittel setzt Blackhat dann vor allem auf Action, schüttelt alle realistischen Ansätze ab und weidet sich an den exotischen Schauplätzen. Der große Plan des Fieslings ist so hanebüchen wie der von Supermans Gegenspieler Lex Luthor, und dass unsere tapferen Helden zwar imstande sind, sich falsche Pässe zu verschaffen, um mal eben von Malaysia nach Indonesien hinüberzuhopsen und dort auch noch ein sicheres Quartier zu finden, aber bei alldem vergessen, sich Feuerwaffen zu besorgen, glaubt auch kein Mensch.

Würde Chris Hemsworth bloß ein bisschen mehr lächeln und seine Zeilen nicht wegnuscheln wie ein frisch gedopter Sylvester Stallone, ließe sich der unsinnige Plot des Films vielleicht sogar verschmerzen. Und wären die Bilder nicht so matt und schmierig, könnte man das Spiel der Darsteller möglicherweise auch „zurückhaltend und nuanciert“ nennen. Aber wenn all diese Probleme zusammenkommen, muss der Code von Blackhat ziemlich schadhaft geschrieben sein.

Film

Blackhat Michael Mann USA 2015, 133 Minuten

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Geschrieben von

Jordan Hoffman | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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