Nicolas Loufrani, der CEO der Smiley Company, hat markante Gesichtszüge und ein noch markanteres Lächeln. Bei unserem Treffen in seinem Londoner Büro trägt er eine graue Latzhose mit Nadelstreifen, strahlt energiegeladen und hält in der Hand ein Poster, auf dem steht: „Nimm dir Zeit zu lächeln.“ Um ihn herum ist der Raum voll mit verschiedenen Variationen des Icons – Sie wissen schon, welches. Fluoreszierende Lichter in Form dieses unverkennbaren, einfachen, fröhlichen Ausdrucks. Kleider, Heimtextilien, Prosecco-Flaschen ... alle damit bedruckt. Ein Basketballkorb hängt an einem lächelnden Brett, gegen das man den Ball werfen kann. Eine Schale mit Obst? Auch happy. Ich entdecke einen kleinen gerahmten Druck von Jan Vermeers Bil
Smiley Company: Das fröhliche Milliarden-Geschäft
Symbol und Mythos Seit 50 Jahren ist das Smiley ein geschütztes Symbol. Seine Popularität änderte sich über die Jahrzehnte immer wieder – und damit auch sein Wert. Wie die Smiley Company dafür sorgt, dass das Smiley weiter relevant bleibt
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Will Coldwell
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The Guardian
Bild „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, ihr Gesicht ersetzt durch ein Grinsen auf Gelb. Die Smiley Company bringt Smileys auf Sachen. Im vergangenen Jahr verkaufte sie Produkte im Wert von 486 Millionen US-Dollar.Der fünfzigjährige Loufrani hält eine überzeugende Begrüßungsrede mit französischem Akzent, während er mich zwischen Schreibtischen hindurch zu einem Meeting-Raum steuert. Wir kommen vorbei an Angestellten in Smiley-bedruckten Pluderhosen, die MacBooks mit Smiley-Aufklebern in der Hand halten. Sie lächeln höflich. Wir lächeln zurück. In dem Großraumbüro ist eine junge, hippe Belegschaft an ihren Computern beschäftigt. In jeder Saison entwickeln Loufrani und sein Team hunderte neuer Konzepte für Smiley-Produkte und Werbung, die sie dann Marken anbieten. Die Smiley Company hält die Rechte an dem Bild in über hundert Ländern. Ja, das Smiley – zumindest diese bestimmte Version davon – ist ein markengeschütztes Bild. Wer es benutzen will? Der muss bezahlen.Die Smiley Company gehört heute mit 458 Lizenznehmern in 158 Ländern zu den 100 größten Lizenzgebern der Welt. Das Unternehmen ist stolz auf tausende von Produkten in 14 Kategorien von Gesundheit über Schönheit bis Heimtextilien. Dieses Jahr feiert das Unternehmen seinen 50. Geburtstag. Das bedeutet: Lächeln überall; 65 neue Partnerschaften und Kooperationen mit verschiedenen Marken von Reebok bis Karl Lagerfeld. Wenn Sie in letzter Zeit in der Einkaufsmeile mehr Smileys bemerkt haben sollten – jetzt wissen Sie, warum.„Wir machen viel, aber wir machen auch wieder nicht so viel“, erklärte mir Loufrani. „Wir versuchen, unsere Marke sehr stark zu schützen. Wir versuchen, kreativ zu sein. Produkte, auf denen einfach ein großes gelbes Gesicht ist, versuchen wir zu vermeiden.“ Für Loufrani, der in den vergangenen Jahren das Unternehmen um eine Plattform für gute Nachrichten ausgebaut hat, die wohltätige Organisationen und soziale Unternehmen fördern soll, ist das Smiley so viel mehr. Nicht einfach ein Logo, sondern eine „Bewegung“. Es steht für ihn für „trotzigen Optimismus, positives Denken, Empathie, Gutes tun“. In diesen un-smileygen Zeiten – einer Ära, die von Pandemie, Krieg in der Ukraine und einer drohenden globalen Rezession gebeutelt ist – hat die Smiley Company den Menschen viel zu bieten, ist Loufrani überzeugt. Es mag weniger gelächelt werden – das Ergebnis einer höchsteigenen Index-Umfrage der Smiley Company –, aber dafür hat das Unternehmen das Jahr 2022 zum „Jahr des Lächelns“ erklärt. Sie kriegen dich, ob du es magst oder nicht.Smileys treiben seit den 50er Jahren durch den Popkultur-Äther. Die Version in Gelb und Schwarz zeigte zum ersten Mal 1961 ihr Gesicht, als die New Yorker Radiostation WMCA das Smiley auf ein Promotion-Sweatshirt drucken ließ, um die Nachrichten-Talkshow Good Guys zu bewerben. Tausende Sweatshirts wurden verteilt.Unterdessen schreiben viele Leute das Design des Smileys in seiner ikonischsten Form Harvey Ball zu, einem Mann aus der Werbebranche aus Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts. 1963 beauftragte die Versicherungsfirma State Mutual Life Assurance Company ihn, ein Smiley-Gesicht zu entwerfen, um die Moral im Unternehmen zu verbessern. Ball war in zehn Minuten fertig. Zwei Punkte und ein Strich, wenn auch nicht ohne künstlerische Qualität – der Exekutivdirektor des Historischen Museums von Worcester, Bill Wallace, jedenfalls verglich die nicht perfekte Neigung des Smiley-Mundes mit dem Lächeln der Mona Lisa. Ball erhielt 45 US-Dollar für seine Arbeit. Das Unternehmen stellte Anstecknadeln mit einem Smiley her und verkaufte im Laufe des folgenden Jahrzehnts Millionen von Anstecknadeln, wobei Ball das Design nicht als Marke eingetragen hatte. 1971 fiel Balls Design dann den beiden Brüdern Bernard und Murray Spain auf, die einige Hallmark-Kartenverkaufsläden in Philadelphia leiteten. Sie meldeten ein Copyright auf das Bild von einem Smiley kombiniert mit dem Slogan „Have a Happy Day“ an. Allein im ersten Jahr verkauften sie mehr als 50 Millionen Buttons.Das Smiley wurde mit dem Lächeln der Mona Lisa verglichenDie Smiley Company selbst geht auf das Jahr 1972 zurück, als Loufranis Vater Franklin als erster das Smiley als Warenzeichen eintragen ließ. Damit sicherte er es sich als kommerzielles Logo – und zwar in Frankreich. Franklin Loufranis Background waren Journalismus, Werbung und Lizenzvergabe. Wenn du in Frankreich in den 1960ern ein Batman-Produkt vermarkten wolltest, war er dein Mann. Babar der Elefant-Merch? Sprich mit Franklin. Lizenzvergabe – wenn Rechte an geistigem Eigentum gegen Geld oder Lizenzgebühren an Dritte vergeben werden – war damals ein relativ neues Konzept. Den Jackpot knackte Loufrani Senior ein Jahrzehnt später. Nixon, Vietnam, Atomkrieg – er hatte negative Berichterstattung und traurige Schlagzeilen satt. Daher bot er der Zeitung France-Soir eine neue Kolumne mit dem Titel „Prenez le Temps de Sourire“ oder „Nimm dir Zeit zu lächeln“ an, zusammen mit einem einfachen handgezeichneten gelben Smiley-Gesicht als Signal für Geschichten über positive Nachrichten. Über sein Unternehmen, das damals Knowledge Management International hieß, vergab er die Lizenz für das Smiley an andere Zeitungen, später an andere Unternehmen und Produkte. Etwa machte er einen Vertrag mit dem Süßwarenunternehmen Mars, das Smileys auf Bonitos-Schokolinsen druckte, und dann mit dem Jeanshersteller Levi’s, der Smileys auf Jeanshosen platzierte. Wie sich zeigte, ließ sich auf fast allem ein Smiley aufbringen und es verkaufen: Das Geschäft boomte.Es ist vielleicht schwierig, sich vorzustellen, wie solch ein simples Icon überhaupt jemandem gehören kann, aber ob durch Genie oder Glück: Franklin Loufrani war auf Gold gestoßen. Zwar wurde die Smiley Company dafür kritisiert, einen Anspruch auf etwas so Allgegenwärtiges zu erheben, aber Ball selbst scheint es nicht allzu schwer genommen zu haben. Er starb 2001 und war „kein von Geld angetriebener Mann“, erzählte sein Sohn Charles Ball der Worcester Telegram & Gazette: „Er sagte immer: ‘Hey, ich kann zur gleichen Zeit nur ein Steak essen, nur ein Auto fahren.’“Für Nicolas Loufrani ist nicht entscheidend, wer am Anfang der Entstehung des Smileys stand. Er versteht den Markeneintrag durch seinen Vater als schöpferischen Akt. „Er erfand es in dem Sinn, dass er das Geschäftsmodell erfand, das Smiley zu einer Marke zu machen“, erklärte er. „Apple, Adidas, Puma, Fred Perry … viele Markenzeichen sind sehr einfache Designs. Es geht nicht darum, wer das Design entworfen, sondern wer entschieden hat, ein Geschäft daraus zu machen, es bekannt zu machen und Werte um es herum zu schaffen.“Genauso wie die Verwendung des Smileys in Kunst, Mode und Design mit sozialen und ästhetischen Trends auf und ab ebbte, hingen die Erfolgszyklen der Smiley Company immer von Kräften ab, die außerhalb von ihr selbst liegen. Franklin ritt eine Welle nach der anderen. Dabei zeigte er sich unbeeindruckt von der sich wandelnden Semiotik eines früheren Unternehmenslogos, das sich in etwas oft recht Subversives verwandelte. Er war so klug, nicht die totale Kontrolle über seine Bedeutung haben zu wollen. Wenn überhaupt, dann steigerte die Verwebung des Smileys in den Wandteppich der Popkultur des 20. Jahrhunderts die Verkaufszahlen. Ursprünglich als einfacher Wohlfühl-Ausdruck entworfen, wurde es bald mit Anti-Kriegs- und Anti-Establishment-Haltungen verknüpft. Ein Foto aus den 1970er Jahren zeigt Demonstranten, die in Smiley-Formation für Frieden eintraten. Ein anderes zeigt einen US-amerikanischen Soldaten in Vietnam, auf dessen Helm ein Smiley-Sticker klebt. 1986 gestaltete der Künstler Dave Gibbons wohl die düsterste Version des Smileys für Alan Moores Comic-Buch Watchmen. Auf dem Titelbild ist ein Smiley zu sehen, über dessen ausdrucksloses, gelbes Gesicht ein einzelner roter Blutstropfen herab tropft.Es war jedoch die Geburt von Acid House, die die Smiley-Verkaufszahlen wirklich in die Höhe schnellen ließ. Das Smiley verbreitete sich in der Club-Szene, als der Designer Barnzley Armitage eine Reihe Smiley-T-Shirts herausbrachte. Der DJ Danny Rampling kaufte eins und begann, es auf Ibiza zu tragen. Als Rampling 1987 seine Club-Nacht „Shoom“ in London startete, regneten auf einem Ankündigungs-Flyer Smileys herab wie Ecstasy-Pillen. Bald war das Smiley als Symbol des Utopismus für eine neue Generation von Ravern wiedergeboren. Während sich Großbritannien 1989 inmitten des zweiten Sommers der Liebe befand, erreichte Franklin Loufranis Geschäft seinen Smiley-Gipfel. Damals war sein Sohn noch ein Teenager und hörte von den Geschäften, die sein Vater machte. „Die Zahlen waren ziemlich beeindruckend“, erinnerte er sich. „Überall um mich herum sah ich Smiley-Produkte. Mit einem Unternehmen schloss mein Vater einen Vertrag über die Produktion von so etwas wie 40 Millionen Ansteckern ab.“Doch die Explosion der Smiley-Kultur war nur von kurzer Dauer. Als Nicolas Loufrani 1996 übernahm, war das Geschäft, wie er es formulierte: „ausgebrannt … Müll … bedeutungslos. Das Smiley war tot“. Die Rave-Kultur war durch negative Presse und Angstmache wegen Drogenkonsums angeschlagen. Die Lizenz-Verträge verschwanden genauso schnell wie sie gekommen waren. „Die Vorurteile wurden dabei nur vorgeschoben“, erzählte Loufrani. „In Wahrheit hatte man sich am Smiley sattgesehen. Es war nichts mehr, was die Leute haben wollten.“Aber Loufrani war entschlossen, das Familiengeschäft wieder aufzubauen. Dabei verfolgte er einen anderen Ansatz als sein Vater: Denke an eine „globale Lifestyle-Marke“ anstelle als ein Anbieter von Flohmarktartikeln. Er begann, das Smiley auf der ganzen Welt als Marke zu schützen. Eine bemerkenswerte Ausnahme sind die USA, wo die Smiley Company sich nach einem zehnjährigen Rechtsstreit mit der Supermarktkette Walmart, die das Logo in ihrer Werbung nutzt, auf einen außergerichtlichen Vergleich einigte. Außerdem entwickelte Loufrani digitale Variationen des Smiley, für die eine Lizenz vergeben werden konnte, so wie grafische Emoticons. Er experimentierte mit dem Design und probierte neue Versionen mit 3D-Effekt aus. Sein Vater war nicht überzeugt. „Er schrie mich an und fragte: ‘Warum veränderst du meinen Smiley?’“, erzählte Loufrani. „Ich sage dazu immer: Stell dir vor, du seist der Sohn von Hugh Hefner. Er bittet dich um einen Playboy-Neustart und du zeichnest Bugs Bunny. So war es.“Smiley-Symbol hat keine negativen KonnotationenGenauso wie eine flüchtige kulturelle Nostalgie der 1970er Jahre den Smiley in die Rave-Szene einfließen ließ, war eine weitere Welle nötig, um das Smiley erneut ins zeitgenössische Bewusstsein zu bringen. Ende der Nullerjahre wurden die 80er-Jahre wieder modern. Nicolas Loufrani – der bereits mit dem Designer Ozwald Boateng zusammengearbeitet und immer schon ein Auge auf den Luxusmode-Markt geworfen hatte – verhandelte Kooperationen mit Marken wie Moschino, Armani und Supreme. Seine Vision war, die Smiley Company als eine Traditionsmarke zu positionieren – und die Kultur machte mit. Vor allem aber bewährte sich die einfache Formel „Produkt + Smiley = Verkauf“.Es kam der Augenblick, an dem Loufrani Junior wirklich wusste, dass die Smiley Company wieder ganz oben war. Das war, als das Motiv Teil der Eröffnungszeremonie für die Olympischen Spiele in London 2012 wurde. Zur Melodie von Blue Monday von New Order bildeten hunderte Tänzer:innen ein gigantisches Smiley, während riesige aufblasbare Smiley-Kugeln durch die Arena rollten. „Plötzlich wurde auf höchster Ebene, von der britischen Regierung, die die Spiele organisierte, der Smiley zu einem Teil eines Glanzmoments der Nation gemacht. Er wurde angenommen.“Und welche Bedeutung hat das Smiley heute? Unabhängig von der Smiley Company verwendete Grafikdesigner Fraser Muggeridge das Smiley in Zusammenarbeit mit dem Künstler Jeremy Deller. Für Fraser bleibt es ein „universelles Symbol“ für Spaß. „Niemand sagt: ‘Oh, ich mag das Smiley-Gesicht nicht’“, erklärte er. „Es hat keine negativen Konnotationen. Für mich steht es in einer Reihe mit religiöser Ikonografie.“Dennoch war er überrascht zu entdecken, dass das Bild immer noch provozieren kann. Als er und Deller von Somerset House gebeten wurde, eine Flagge zu entwerfen, die zum „Utopia-Programm 2016“ des großen klassizistischen Baus im Zentrum Londons passte (Anlass waren 500 Jahre Veröffentlichung des einflussreichen Textes von Thomas More). Fraser und Deller landeten fast unweigerlich beim Smiley-Image, das eine riesige Fahne zierte. Somerset House reagierte zunächst verhalten. „Sie waren besorgt, weil Smiley-Gesichter mit Acid House, Rave-Musik und Drogenkonsum assoziiert wurden“, erzählte er. „Aber sobald die Flagge hing und die Leute begannen, sie zu fotografieren und als positives Symbol zu betrachten, blieb sie zwei Jahre oben.“Muggeridge selbst erinnert sich an das Smiley lange vor der Geburt des Rave. „In den späten 1970ern und frühen 1980ern ging ich immer in die Sonntagschule. Wir bekamen dort Smiley-Sticker, die wir in unsere Bibel kleben konnten und auf denen stand: ‘Jesus liebt dich’“, erinnerte er sich. „Das ist ein ganz anderer Vibe als Acid House. Aber ich hielt das Smiley für gut, weil es immer funktioniert.“ Dass irgendjemand ein Markenrecht darauf haben kann, findet er seltsam. „Jeder kann es selbst zeichnen und Änderungen daran vornehmen“, erklärte er. „In diesem Sinne ist es ziemlich demokratisch.“Für Chelsea Berlin, Künstlerin und Buchautorin von „Rave Art“, ist das Smiley zu einer dieser Ikonen geworden, die sich ihren „Weg in die Kultur gebahnt haben“. „Sobald man ein Smiley-Gesicht auf etwas anbringt, denken die Leute, es muss cool, hipp oder mit der Rave-Kultur verbunden sein“, erklärte sie mir. „Das denken viele Leute sogar heute noch. Dabei wird es weniger als gegenkulturelle Kraft, sondern eher als historisches Objekt betrachtet.“ Die Kommerzialisierung des Smiley durch die Smiley Company ähnele dem Weg, den Tanzmusik seit Ende der 1980er Jahre genommen hat: dem Mainstream einverleibt und dann an uns zurückverkauft. Was passiert also, wenn ein Bild wie das Smiley von einem Unternehmen wie der Smiley Company beherrscht wird? „Es wird Disney-artig“, meint Berlin.Die Smiley Company mag ein Multi-Millionen-Unternehmen sein, aber im Kern hat sie eine Schwäche. Im Gegensatz zu Disney – einem der größten Mitwettbewerber im Lizenzsektor – vermarktet sie nicht mehrere Charaktere oder Welten aus einer kreativen Bandbreite. Die Smiley Company stellt eigentlich überhaupt nichts her. Da ist nur dieses simple Smiley, dessen Wert von einem kulturellen Konsens abhängt, der immer im Fluss ist. Michael Cherman, Gründer der Streetwear-Marke „Market“, ist bei einer Reihe von Produkten eine Partnerschaft mit der Smiley Company eingegangen. Die große Herausforderung für die Smiley Company sieht er darin, dafür zu sorgen, dass das Smiley „so ikonisch wie jetzt“ bleibt. Loufrani weiß, dass er und sein Team kreativ sein müssen. Seine große Angst bleibt, dass das Unternehmen wieder da endet, wo es Mitte der 90er stand. Seine Strategie: „Wir müssen das Smiley an den Zeitgeist anpassen, um es relevant zu machen.“Aber in einer Ära unendlicher Wiederholung, in der Bilder und Logos online in Sekundenschnelle geteilt und neu interpretiert werden können, besteht immer auch die Möglichkeit, dass das Smiley sich eines Tages verselbständigt. Dann könnte die Smiley Company im Besitz eines Bildes sein, das im kompletten Gegensatz zu den Werten des Unternehmens steht. Ein massenhaft produziertes lächelndes Gesicht ist bereits jetzt visuelles Futter für Künstler:innen, von denen viele seine Bedeutung untergruben, häufig um Fragen nach Konformität und Konsumdenken aufzuwerfen. Der Graffiti-Künstler Banksy etwa platzierte Smileys auf den Gesichtern bewaffneter Polizisten und des Sensenmannes.Meistens führt kreative Nutzung dazu, das Ikonenhafte, Weitreichende des Smileys fortzuschreiben. Aber was verhindert, dass es von dunkleren Kräften vereinnahmt wird? Pepe, der Frosch, ein unschuldiger Charakter aus einem Internet-Comic, wurde von rechtsextremen Gruppen übernommen und gilt heute als Hasssymbol. Ein anderes Beispiel sind die gelb-schwarzen Fred Perry Polo-Shirts, die zu einer Art Uniform der rechtsextremen US-Organisation Proud Boys wurden. Die Marke sah sich dazu veranlasst, den Verkauf der T-Shirts in den USA zu stoppen. Und auch wenn es nur vorübergehend gewesen sein mag: Während der Pandemie forderte die Anti-Masken-Bewegung #SmilesMatter ihre Anhänger auf, ein Smiley-Abzeichen zu tragen, um ihre Meinung zu signalisieren.Als ich mich auf den Weg mache, die Smiley-Unternehmenszentrale zu verlassen, stelle ich Nicolas Loufrani diese Frage noch. Ob er Angst hat, dass eines Tages die Leute das Smiley angucken und ihnen etwas Negatives, Unerfreuliches ... Trauriges entgegenstarrt? Er sieht das philosophisch. Wie sein Vater weiß er, dass die Macht des Smiley darin liegt, verwendet zu werden – selbst wenn das kommunizierte Gefühl zwiespältig ist oder unterlaufen wird. „Unser Lächeln und ein menschliches Lächeln haben viel gemein“, erklärte er. „Es kann für verschiedene Leute eine unterschiedliche Bedeutung haben. Wenn jemand Sie anlächelt, wissen Sie nicht, was diese Person dabei denkt. Sie könnten es als Ausdruck von Glücklichsein interpretieren …. Aber die Person hinter dem Lächeln könnte sich auch gerade vorstellen, wie Sie von einer Klippe fallen.“
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