Sorry, war alles etwas riskant

Apokalypse Öffentliche Kulturförderung garantiert Unabhängigkeit. Doch das Sponsoring von Kunst und Musik durch Banken ist widerlich. Eine Polemik des Guardian-Bloggers Tom Service

Das Schauspiel, welches die vier reuelosen Erzkapitalisten der Royal Bank of Scotland und der HBOS-Gruppe kürzlich vor dem Wirtschafts-Sonderausschuss des britischen Parlaments aufführten, war an Selbstgefälligkeit und Verlogenheit nicht zu überbieten. Shakespeare ist ein Dreck dagegen: drei Stunden lang wanden sie sich und wichen den Fragen aus, wie sie nur konnten, wobei die Fragen der Abgeordneten durchaus dazu angetan waren, den Glauben in unsere Politiker wiederzubeleben. Diese vier Reiter der finanziellen Apokalypse entschuldigten sich, wie Sie vielleicht irgendwo gelesen oder gehört haben, dafür, dass sie die Krise in ihrer Branche nicht haben kommen sehen.

Ist das nicht großartig?! Keiner entschuldigte sich für die persönlich von ihm abgegebenen Urteile und Einschätzungen, die feige Unfähigkeit, an irgend etwas anderes zu denken als das kurzfristige Wohlergehen ihres Geldbeutels und derjenigen ihrer Shareholder. Lord Stevenson und Andy Hornby von der HBOS-Gruppe taten sich hierbei ganz besonders hervor. Sie weigerten sich beständig einzusehen, dass sie einen Fehler begangen hatten, als sie den Rat eines Angestellten in den Wind schlugen, der die Ansicht äußerte, die Risikokultur habe mittlerweile untragbare Ausmaße angenommen und diesen kurzerhand vor die Tür setzten. Auf Nachfrage erklärten sie nochmals, sie hätten damals das Richtige getan und sie bedauerten, wie sich die Sache weiter entwickelt habe. Ihre „Entschuldigung“ ist ein Witz. Da könnte man sich genauso gut hinstellen, und sich für das Wetter entschuldigen. „Sorry, es war heute doch recht frisch.“

Moralisch völlig diskreditierte Ex-Masters-of-the-Universe

Sie werden sich fragen, was das mit Musik zu tun hat, ich sage es Ihnen: Viele der großen Institutionen für klassische Musik werden in Großbritannien von den großen Banken des Landes finanziell unterstützt – Stevenson ist Vorstandschef von Aldeburgh Music und einer seiner sechs Ex-Firmen, die Bank of Scotland, ist Hauptsponsor des Endinburgh International Festival. In der Vergangenheit galten diese Spender als Vorbilder wohltätiger Großzügigkeit, welche die Summen zur Verfügung stellen, die letztlich den Unterschied ausmachen, ob ein Festival ein Ereignis von bloß regionaler Bedeutung oder von internationalem Rang ist (auch wenn diese Summen neben den Beträgen zur Bedeutungslosigkeit verblassen, welche sich Banker jährlich als Boni auszahlen lassen). Jetzt aber bereitet mir die Vorstellung Übelkeit, dass all die Festival-Leiter und Einrichtungen, die der RBS oder der HBOS noch irgendetwas schuldig sind, diesen moralisch völlig diskreditierten Ex-Masters-of-the-Universe nach dem Mund reden sollen.

Wie können derartige Kunstfestivals von diesen bankrotten Individuen und Gesellschaften gesponsert werden und gleichzeitig dem Auftrag einer kritischen Stimme der Gegenwartskultur gerecht werden? Es mag mit den Kunstgremien hierzulande vieles im Argen liegen, aber die öffentliche Förderung sorgt doch wenigstens für ein gewisses Maß an Unabhängigkeit. Ich plädiere dafür, dass die Regierung wieder mehr Verpflichtungen übernimmt, die gegenwärtig von Banken wahrgenommen werden. Ich weiß, dies ist in etwa so wahrscheinlich wie eine ernsthafte Entschuldigung von einem ehemaligen Bankchef zu erhalten, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Der von Tom Service auf guardian.co.ukKlassik-Blog

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Geschrieben von

Tom Service, The Guardian | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden