Die am 7. März stattfindenden Parlamentswahlen werden ohne einen der prominentesten sunnitischen Politiker des Landes stattfinden, der für die vor kurzem von Ex-Premier Ayad Allawi gegründete Irakische National Bewegung (INB) kandidieren wollte. Der Einspruch Salah-al-Mutlaqs gegen die Aberkennung seines passiven Wahlrechts wurde vor Wochenfrist abgewiesen. Das Oberste Gericht hatte nach Protesten einflussreicher Politiker seine zuvor getroffene Entscheidung kassiert, erst nach dem Votum Anfang März über den Fall Salah-al-Mutlaq zu entscheiden. Zunächst waren 511 vornehmlich sunnitische Bewerber wegen angeblicher Verbindungen zur früheren Baath-Partei Saddam Husseins von der Abstimmung ausgeschlossen worden, sollten aber Revision einlegen könnten. Da dies bei so vielen Fällen aber zu lange gedauert hätte, folgten die Obersten Richter dem Vorschlag von US-Vizepräsident Joe Biden, die Kandidaten erst zu überprüfen, wenn sie auch wirklich gewählt sind.
Plus für die Extremisten
Kritiker des Ausschlusses von Sunniten sprachen von einer sektiererischen Wahlkampftaktik der schiitischen Parteien. Besonders der religiösen, vom Iran unterstützten Irakischen Nationalen Allianz (INA). Der Vorwurf klingt plausibel, weil Mitglieder der INA , die selbst für die Parlamentswahl kandidieren, der Parlamentskommission Rechenschaft und Gerechtigkeit vorsitzen, von der die Verbotsliste kam.
Die Irakische National Bewegung Allawis hat daraufhin den Wahlkampf aus Protest unterbrochen. Es scheint freilich unwahrscheinlich, dass sie den Urnengang vollständig boykottiert, da sie sich damit ins politische Abseits manövrieren würde.
Die jüngste Entwicklung wurde allgemein so gedeutet, dass mit Verbot und Rückzug Mutlaqs die Schiiten vermutlich ihre Macht behaupten werden. Wer von ihnen am meisten profitiert, ist noch weitgehend unklar. Einzelpersonen wie Mutlaq könnten zu politischen Märtyrern werden und dem INB zusätzliche Stimmen verschaffen. Die Partei Ayad Allawis gilt auch für viele säkulare Schiiten als wählbar. Auch andere säkulare sunnitische Parteien, die keinen Einspruch gegen die Ausgrenzung mutmaßlicher Ex-Baathisten erhoben, könnten von der Dezimierung der Konkurrenz sowie dem durch die Kampagne gesteigerten überkonfessionellen Nationalitätsgefühl in den Hochburgen der sunnitischen Stammesgebiete profitieren.
Auf der anderen Seite könnten auch die führenden Schiiten-Parteien vom Thema Baathismus profitieren: Proteste im Süden legen nahe, die Frage nach dem Umgang mit der Baath-Partei kann Konfliktfelder wie mangelhafte Grundversorgung, Arbeitslosigkeit oder Sicherheit verdrängen. Die instabile Lage hätte angesichts der jüngsten Terroranschläge den Wahlkampf von Premier al-Maliki gewiss stark geprägt.
Wenn mit einer offenkundig anti-sunnitischen Kampagne der Schiiten die Politik im Irak eingeengt wird, ist das nicht allein vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Konflikts zwischen Iran und den USA aufschlussreich – es dient auch sektiererischen Kräften wie der Gemeinde des Predigers Muqtada as-Sadr. Dieser Umstand könnte Premier al-Maliki und seine islamische Dawa Partei dazu veranlassen, von ihrer säkularen Haltung abzurücken, mit der sie bei den Provinzwahlen im Januar 2009 so gut gefahren war. Alles in allem kann es der irakischen Demokratie nicht bekommen, sollte sie dafür sorgen, dass ansatzweise überwundene sektiererische Gräben zwischen den religiösen Lagern wieder aufgerissen werden.
Partner Kurdistan
Währenddessen stellen sich die Kurden auf eine neue Triade eigener Parteien ein, die sich aus der mächtigen Allianz der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) wie der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) und dem politischen Neuling Goran (Wechsel) rekrutiert. In Anbetracht ihrer sich gegenseitig zerfleischenden arabischen Konkurrenten in Bagdad dürften sie dies aber mit einem Lächeln im Gesicht tun. Die sich verschärfenden Auseinandersetzungen im irakischen Kernland machen die Kurden, die immer weitgehend geschlossen agieren, nach der Wahl zum wichtigsten Verbündeten der USA, was ihnen die Oberhand in den Konflikten über Machtverteilung, Öl und Land verschaffen könnte.
Übersetzung: Holger Hutt
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