Das Urteil wird von vielen Irakern, arabischen Alliierten der USA sowie US-Diplomaten geteilt: Die USA hätten mit dem Regime Saddam Husseins den unerbittlichsten Feind des Iran beseitigt und es Teheran dadurch ermöglicht, zur einflussreichsten ausländischen Macht im Irak aufzusteigen. Aber läuft in Bagdad wirklich alles im Sinne Teherans – Spiel, Satz und Sieg für den Gottesstaat? Jede Analyse des iranischen Einflusses im Irak muss die Interessen und Ziele des Nachbarn gegenüber seinem historischen Rivalen in den Blick nehmen. Denn vorrangig geht es Iran darum, den Irak militärisch klein zu halten und zu verhindern, dass er erneut zu einer Bedrohung oder einem Brückenkopf für einen amerikanischen Angriff werden kann. Einiges davon wurde durch den Sturz Saddams, der Zerschlagung von Domizilen der einstigen Baath-Partei in der Armee und den Aufstieg früherer Oppositioneller an die Spitze des Landes bereits erreicht – zumindest, was die vergangenen Jahre angeht.
Ein Angriff auf Iran oder auch nur die Unterstützung eines solchen wäre wesentlich schwieriger für diese Politiker, die sich während der vergangenen Jahrzehnte unter der Herrschaft der Baath-Partei auf den Schutz Teherans verlassen und oft mit diesem gemeinsame Sache gegen das irakische Militär gemacht haben. Hierin liegt ein Grund, warum der Iran seine irakischen Alliierten bei ihren anhaltenden Entbaathifizierungs-Bemühungen unterstützt und zugleich einen neuen konfessionsübergreifenden nationalistischen Block im Irak verhindern will.
Ein Alptraum-Szenario
Von daher kann es kaum überraschen, wenn sich die Sympathisanten Irans in der irakischen Regierung bemühen, einem Sicherheitsabkommen mit den USA für die Zeit nach 2011 möglichst viele Steine in den Weg zu legen und ihr Möglichstes tun, damit amerikanischer Beistand für die externen irakischen Sicherheitskräfte so gering wie möglich ausfällt. Auch wenn die Beziehungen beider Länder durch von Teheran unterstützte Militäroperationen im Irak leiden, werden die für Aktionen außerhalb des Iran zuständigen Al-Quds-Brigaden der Iranischen Revolutionsgarden ihre Feldzüge gegen Angehörige der US-Armee, Diplomaten und Privatpersonen im Irak fortsetzen. Gedacht als eine Art Abschreckung, um die Konsequenzen eines Militärschlages der USA (oder Israels) gegen Iran anzudeuten – ein Alptraum-Szenario für US-Militärs und -Diplomaten gleichermaßen.
Teheran hat zudem viel getan, um gegen Angriffe oder Sanktionen geschützt zu sein. Man profitiert davon, die staatseigenen Industrien sowie die unter Einfluss der Revolutionsgarden stehenden religiösen Stiftungen (bonyads) für eigene politische Zwecke einsetzen zu können. Seit 2003 hat die iranische Regierung zudem die östlichen Provinzen des Irak bei der Versorgung mit Brennstoffen – seien es Gas zum Kochen, Öl zum Heizen oder Treibstoffe für den Autoverkehr sowie das Stromnetz – in immer größere Abhängigkeit gebracht. Die Zukunft könnte so aussehen, dass der Iran Gas in den Irak exportiert und dem Nachbarn anbietet, durch die Mitnutzung iranischer Häfen dessen Kapazitäten für den Ölexport zu vergrößern, um somit einen potenziellen Engpass auszugleichen.
In regelmäßigen Abständen demonstriert Iran, wer in diesem Verhältnis der Stärkere ist und unterbricht die Treibstoff- und Elektrizitätszufuhr gerade dann, wenn die Iraker sie am nötigsten brauchen. Dies geschieht besonders dann, wenn Teheran seinen Protest gegen die Behandlung durch die internationale Gemeinschaft zum Ausdruck bringen oder die Möglichkeiten des Irak zunichte machen will, die iranische Ölproduktion auf dem Weltmarkt zu ersetzen.
Noch nicht am Ziel
Der politisch zerrüttete Irak machte es Iran möglich, Einfluss auf Parteien und Medien zu nehmen und bewaffneten Gruppen, militärisch zu helfen. Diese Unterstützung hat sich hin und wieder auch als kontraproduktiv erwiesen, vorrangig für den ältesten iranischen Verbündeten des Irak, den Obersten Islamischen Rat – einer Bewegung, die wegen ihrer Verbindungen zum Nachbarland von den irakischen Wählern abgestraft wurde.
Grenzverletzungen iranischer Truppen, der Beistand für militante Gruppen sowie die Umleitung der Oberläufe irakischer Flüsse ziehen in regelmäßigen Abständen scharfe Kritik aller gesellschaftlichen Gruppen, Konfessionen und Ethnien des Irak auf sich. Ein Indiz dafür, dass der Iran langfristig einer Zukunft entgegensehen dürfte, in der irakischer Nationalismus an Stärke gewinnt, wenn die Iran-freundlichen Politiker aus dem Amt scheiden. Dann wird Teheran aufs Neue um Einfluss im Irak kämpfen müssen.
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